Die mikrobiellen Geheimnisse bei der Biogaserzeugung
Biogas ist eine speicherbare und erneuerbare Energiequelle, aber die Erzeugung mittels anaerober Verdauung ist noch nicht ganz erklärt. Die Umwandlungen durch Mikroorganismen bei diesem Prozess werden in der Wissenschaft und Technik weiterhin als „Blackbox“ bezeichnet. Im EU-finanzierten Projekt MICRO4BIOGAS(öffnet in neuem Fenster) sollte dieses biologische Rätsel gelöst werden, um die Biogaserzeugung zu optimieren. „Der Fokus lag bei MICRO4BIOGAS darauf, den Prozess auf zwei Arten zu verbessern“, sagt Manuel Porcar, der Projektkoordinator von MICRO4BIOGAS und Forscher an der Universität Valencia. Mit der Forschung wurde das mikrobiologische Wissen zur anaeroben Verdauung mit fortschrittlichen Analysemethoden und ausgewählten „Mikroorganismen vertieft, die an dem Prozess beteiligt sind und die Stabilität, Robustheit und den Ertrag der Biogaserzeugung steigern können“.
Mikrobielle Geheimnisse lüften
Das MICRO4BIOGAS hat in beiden Bereichen hervorragende Ergebnisse erzielt. Eine der wichtigsten Errungenschaften war die Entdeckung einer zentralen Mikrobengemeinschaft, die in fast allen Biogasanlagen dieser Welt vorkommen. „Darwinibacteriales ist eine neue taxonomische Ordnung, die in diesem Projekt beschrieben wurde und scheinbar über Wechselwirkungen mit Methanbildnern(öffnet in neuem Fenster) die Methanerzeugung steigern“, erklärt Porcar. Das Forschungsteam konnte erfolgreich die Mikrobenstämme isolieren, mit denen die Biogaserzeugung messbar verbessert wurde. Bei Versuchen im Labor und auf vorindustriellem Maßstab wurde gezeigt, dass die Biogaserzeugung mit mehreren Stämmen um mehr als 15 % gesteigert werden kann. In einigen Fällen war durch den höheren Methangehalt auch die Gasqualität besser. Eindrucksvoll war der Nachweis, dass die Eingabe ausgewählter Gärreste, als der nährstoffreichen Reste nach der anaeroben Verdauung, zu einer um 30 % gesteigerten Biogaserzeugung führen kann. Gleichzeitig ist dabei die Anlaufzeit zurückgegangen. Die Versuche wurden an Pilotanlagen in Aras de los Olmos durchgeführt, einer Stadt in Spanien, die vollständig durch erneuerbare Energie selbst versorgt werden soll.
Praktische Lösungen zur Bioaugmentation
Der Schwerpunkt des Projektansatzes lag auf Bioaugmentation(öffnet in neuem Fenster) – also der Eingabe nützlicher Mikroorganismen zur Förderung biologischer Prozesse. Das Verfahren wird in vielen Forschungsbereichen eingesetzt, aber in der Biogaserzeugung ist die Anwendung durch das mangelnde Verständnis der anaeroben Verdauung(öffnet in neuem Fenster) und den Mangel an effizienten, wissenschaftlich geprüften mikrobiellen Zusatzstoffen begrenzt. Das MICRO4BIOGAS-Team hat gezeigt, dass kultivierte Mikrobenstämme und Mikrobiomtransplantation als wirksame Strategie zur Bioaugmentation dienen könnten. Gerade Letzteres ist besonders wertvoll, wenn Organismen nicht unter Laborbedingungen kultiviert werden können, wie zum Beispiel Darwinibacteriales. Mit Blick auf die praktische Umsetzung sollen Kits zur Bioaugmentation in zwei Formen entwickelt werden: pulverartige Produkte mit nützlichen Bakterien und Archaeen(öffnet in neuem Fenster) oder ausgewählte Gärreste, die mit spezifischen mikrobiellen Konsortien angereichert sind. „In der Anlage muss dann lediglich das Produkt in den Reaktor gegeben und auf eine verbesserte Biogaserzeugung gewartet werden“, so Porcar. Für marktreife Produkte sind weitere Tests notwendig, aber über MICRO4BIOGAS wurde eine wichtige Grundlage für die Entwicklung neuer mikrobieller Lösungen gelegt. „Die anaerobe Verdauung ist ein höchst wertvoller Prozess und wir je nach Anlage unterschiedlich ausgeführt. Wir müssen herausfinden, ob die Stämme und mikrobiellen Gemeinschaften alle Prozesse oder nur spezifische fördern“, berichtet Porcar. „Außerdem müssen nicht wissenschaftliche Faktoren – darunter Wirtschaftlichkeit der mikrobiellen Zusatzstoffe und der Rechtsrahmen zur Vermarktung in den einzelnen Ländern – berücksichtigt werden. Dennoch sind wir der realen Anwendung viel näher als noch vor vier Jahren.“ Indem das MICRO4BIOGAS-Team die „Blackbox“ der anaeroben Verdauung geknackt hat, ist der Weg für Produkte zur Bioaugmentation frei, um Biogasanlagen weltweit in effiziente, berechenbare Erzeuger für erneuerbare Energie zu verwandeln – diese Fortschritte stehen erst in den Kinderschuhen.