Mit gentechnisch veränderten Adenoviren Schlangenbisse behandeln
Jahr für Jahr sterben bis zu 138 000 Menschen an Schlangenbissen, vor allem in den ländlichen Gebieten Asiens, Lateinamerikas und Afrikas südlich der Sahara. Die heute üblichen Gegengifte basieren auf den Seren von Tieren wie Pferden oder Schafen, denen das Toxin infundiert wurde. Sie müssen jedoch mehrfach verabreicht werden, bergen ein hohes Nebenwirkungsrisiko und sind oft unwirksam gegenüber der großen Giftvielfalt in schlangenverseuchten Gebieten.
Klinisch relevante Gifttoxine ermitteln
Um diese Einschränkungen zu überwinden, wurde im Rahmen des EU-finanzierten Projekts ADDovenom(öffnet in neuem Fenster) Versuche unternommen, die Schlangenbisstherapie mithilfe der synthetischen Biologie in dieses Jahrhundert zu bringen. Anstatt Tiere mit veralteten Verfahren mittels Gift zu immunisieren, nutzten die Forschenden transkriptomische und proteomische Analysen, um die klinisch relevantesten Toxine zu ermitteln. Projektkoordinatorin Christiane Berger-Schaffitzel erklärt: „Gifte können über einhundert Proteine unterschiedlicher Größe und Wirkung enthalten, sodass ein einheitlicher Ansatz nicht praktikabel ist. Das ADDovenom-Team hat daher beschlossen, die klinisch relevantesten Toxine in verschiedenen Regionen mit größerer Spezifität anzugehen.“ Mithilfe der Transkriptomik konnten die Forschenden feststellen, welche tierischen Giftstoffe am häufigsten exprimiert wurden. Toxine von Giftschlangen sind reich an Schlangengift-Metalloproteinasen und Phospholipasen. Die Zielliste wurde anhand von Proteomikdaten über das Gift von neun medizinisch bedeutenden Schlangen aus Afrika südlich der Sahara(öffnet in neuem Fenster) weiter verfeinert.
Synthetische Gegengifte mit mehreren Bindungsstellen
Das Team von ADDovenom arbeitete an einem neuartigen Ansatz, der auf einem Gerüst und nicht auf monoklonalen Antikörpern beruht. Das Konsortium nutzte die für die klinischen Symptome verantwortlichen Schlüsseltoxine, um synthetische neutralisierende Proteine mit der Bezeichnung ADDobodies(öffnet in neuem Fenster) herzustellen, die unter Einsatz der Methode Ribosomen-Display(öffnet in neuem Fenster) ausgewählt wurden. Nachfolgend wurden die ADDobodies auf Adenovirus-ähnlichen Partikeln, den sogenannten ADDomers, mit mehreren Bindungsstellen dargestellt. Diese innovative Technologie, die zuvor bei der Impfstoffentwicklung eingesetzt wurde, wurde in einen anpassbaren Binder gegen Gifttoxine umgewandelt, wobei jedes ADDomer bis zu sechzig Bindungsstellen oder ADDobodies aufnehmen kann. Diese Nanopartikel weisen im Vergleich zu einem Antikörpermolekül, das nur zwei Bindungsstellen enthält, ein außergewöhnliches Toxin-Neutralisierungspotenzial auf. Zudem erhöhen sie die Toxinbindungskraft erheblich und verhindern somit die Freisetzung der Toxine aus den Partikeln. Damit wird die Entgiftung des Körpers erleichtert. „Wichtig ist, dass ADDomers thermostabil sind, d. h. sie können bei Raumtemperatur gelagert werden, was für den Einsatz in abgelegenen oder ressourcenbeschränkten Gebieten von zentraler Bedeutung ist“, betont Berger-Schaffitzel.
Vorteile der ADDovenom-Nanopartikel
Im Gegensatz zu den üblichen Gegengiften sind die ADDovenom-Therapeutika vollständig synthetisch, proteinbasiert und mit skalierbaren Produktionssystemen kompatibel. Dadurch werden sie sicherer, konsistenter und potenziell kostengünstiger. Wichtig ist, dass sie tierfrei funktionieren und für mehrere Schlangenarten und Gifttypen geeignet sind, was ihre Wirkung in Regionen steigert, in denen viele verschiedene Schlangen eine Bedrohung darstellen. Im Rahmen des Projekts wurden außerdem mit Erfolg Verfahren zur Herstellung und Reinigung rekombinanter Toxine im Labor(öffnet in neuem Fenster) entwickelt. Auf diese Weise wird die Notwendigkeit, Gift von lebenden Schlangen gewinnen zu müssen, umgangen und ein großer Engpass in der Giftforschung überwunden.
Zukünftige Therapien
Das Projekt hat zwar noch nicht das Stadium der klinischen Anwendung erreicht, aber die der Kommerzialisierung vorangehenden Arbeiten sind in vollem Gange. Die Protokolle für die großmaßstäbliche Produktion wurden validiert, und das Gemeinschaftsunternehmen hat sich mit Fachleuten für Innovation und globale Gesundheit zusammengeschlossen. Die laufende finanzielle Unterstützung ist sowohl für die präklinische Entwicklung als auch für die Erkundung neuer Anwendungen von zentraler Bedeutung. „Die Arbeit von ADDovenom hat gezeigt, dass es mithilfe der synthetischen Biologie möglich ist, auf gentechnische Weise Gegengifte herzustellen, die skalierbar und besser für den Einsatz in ländlichen, tropischen Regionen geeignet sind, um der globalen Gegengiftkrise etwas entgegenzusetzen“, so Berger-Schaffitzel abschließend.