Komplementdiagnostik für Augen- und Nierenerkrankungen
Das Komplementsystem(öffnet in neuem Fenster) ist Teil unserer Immunabwehr und trägt zur Beseitigung von Krankheitserregern und beschädigten Zellen bei. Eine Störung dieses Gleichgewichts kann dazu führen, dass das Immunsystem das körpereigene Gewebe angreift, und so zu entzündlichen und degenerativen Erkrankungen wie altersbedingter Makuladegeneration, Nierenerkrankungen und bestimmten Autoimmunerkrankungen beiträgt. Die Proteinfamilie Faktor H(öffnet in neuem Fenster) (FH) sorgt für das Gleichgewicht der Komplementaktivität. Trotz jahrzehntelanger genetischer Forschung sind die funktionellen Rollen einzelner FH-verwandter Proteine (FHR) jedoch nach wie vor weitgehend unbekannt.
Neue Instrumente zur Erforschung der Immunregulation
Das EU-finanzierte Projekt SciFiMed(öffnet in neuem Fenster) hat sich dem Ziel verschrieben, diese Wissenslücke zu schließen. Obwohl die FH-Familie bekanntermaßen mit Augen- und Nierenerkrankungen in Zusammenhang steht, mangelt es an den Instrumenten, um die verschiedenen krankheitsspezifischen pathogenen Mechanismen eingehender zu erforschen. „Unser Ziel war die Entwicklung einer Diagnosetechnologie, die Aufschluss über die Rolle des Komplementsystems bei verschiedenen Pathologien gibt“, erklärt Projektkoordinatorin Diana Pauly. Im Rahmen des Projekts wurden Antikörper und ELISA-Kits für die FH-Proteinfamilie entwickelt und validiert, die nun Forschenden weltweit zur Verfügung stehen. Mithilfe dieser Instrumente können nicht nur FH, sondern auch die verschiedenen FHR-Proteine wissenschaftlich quantifiziert werden, um eine präzisere Messung in klinischen Studien zu ermöglichen. Das Team entwickelte außerdem funktionelle Assays, die über die Standard-Proteinquantifizierung hinausgehen, und die regulatorische Kapazität von FH sowie sein Potenzial zum Schutz vor Entzündungen ermitteln. Dieser Paradigmenwechsel von der Konzentrationsbestimmung zur Wirksamkeitsbewertung liefert ein klareres Bild davon, wie Mutationen, Autoantikörper oder externe Faktoren die Immunantwort verändern. Der Assay kann auch für das Screening potenzieller Therapeutika verwendet werden, welche die FH-Aktivität modulieren, wodurch die Arzneimittelentwicklung für komplementvermittelte Erkrankungen beschleunigt wird.
Die Krankheitsmechanismen verstehen
Unter Verwendung dieser Instrumente führten die Forschenden von SciFiMed klinische Screening-Studien in mehreren verschiedenartigen Krankheitskontexten durch. Ihre Erkenntnisse legen nahe, dass bestimmte FHR-Proteine bei Erkrankungen, die bisher nicht mit dem Komplementsystem in Verbindung gebracht wurden, zu Entzündungen beitragen könnten. Obwohl eine Bestätigung in größeren Kohorten erforderlich ist, um die volle klinische Bedeutung zu bestimmen, eröffnen diese Ergebnisse neue Wege zum Verständnis der Krankheitsmechanismen. Durch die Verlagerung des Komplementforschungsschwerpunkts von genetischen Assoziationen hin zur funktionellen Validierung hat SciFiMed die Grundlage für eine präzisere Risikobewertung und Stratifizierung der Patientenschaft geschaffen. Die Erkenntnisse aus dem Projekt könnten letztendlich in die Entwicklung von Diagnosetests einfließen, um Personen mit einem höheren Risiko für komplementbedingte Erkrankungen zu identifizieren.
Validierung und klinisches Potenzial
Der funktionelle FH-Assay hat bereits den Technologiereifegrad 3-4 erreicht, was bedeutet, dass seine Durchführbarkeit und Leistungsfähigkeit unter Laborbedingungen nachgewiesen wurden. Derzeit laufen größere Studien an klinischen Proben, und der Schutz des geistigen Eigentums ist in Vorbereitung. „Bevor wir eine Point-of-Care-Anwendung in Betracht ziehen können, müssen wir den funktionellen FH-Assay in klinischen Studien validieren“, betont Pauly. SciFiMed hat einen enormen Fortschritt erzielt, da der Wissenschaftsgemeinde leistungsstarke Instrumente und Methoden an die Hand gegeben wurden. Die ELISA-Kits und der funktionelle Assay sollen Forschenden dabei helfen, die Rolle der FH-Familie bei verschiedenen Augen- und Nierenerkrankungen zu verstehen. Langfristig werden diese Innovationen zu einer präzisen Diagnostik und gezielten Therapien für Erkrankungen beitragen, die einst unerreichbar schienen.