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Lebensbegleitendes Lernen - Ziel für das nächste Jahrhundert

In einem Interview mit CORDIS RTD-News sprach Dr. Thomas O'Dwyer, Generaldirektor der GD XXII, über die Pläne der Kommission auf dem Gebiet der allgemeinen und beruflichen Bildung. Können Sie die Gebiete, für die die GD XXII zuständig ist, kurz umreißen? Auf welche Weise un...

In einem Interview mit CORDIS RTD-News sprach Dr. Thomas O'Dwyer, Generaldirektor der GD XXII, über die Pläne der Kommission auf dem Gebiet der allgemeinen und beruflichen Bildung. Können Sie die Gebiete, für die die GD XXII zuständig ist, kurz umreißen? Auf welche Weise unterscheidet sie sich von der Task Force "Humanressourcen", an deren Stelle sie getreten ist? Die GD XXII ist die Abteilung der Kommission, die für allgemeine und berufliche Bildung sowie für Jugendarbeit zuständig ist, d.h. sie setzt sich für die Entwicklung einer europäischen Dimension in diesen Bereichen ein und unterstützt und ergänzt damit Maßnahmen auf einzelstaatlicher Ebene. Die Mitgliedstaaten behalten jedoch die Hoheit über Inhalt und Struktur ihrer Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung. Die Entscheidung über die Schaffung einer Direktion der Kommission anstelle der früheren Task Force "Humanressourcen" gründet sich auf den in Maastricht unterzeichneten Vertrag über die Europäische Union. Laut Artikel 126 und 127 des Vertrags ist die Gemeinschaft verpflichtet, zur Entwicklung einer qualitativ hochwertigen Bildung beizutragen und eine Politik auf dem Gebiet der beruflichen Bildung umzusetzen. Praktisch ist es so, daß mit diesen neuen Artikeln die Rolle der Gemeinschaft auf diesen Gebieten zu einer Zeit stärkere Berücksichtigung findet, da die allgemeine und berufliche Bildung als Schlüsselelement in bezug auf Europas künftiges Wirtschaftswachstum, seine Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigungspotentiale angesehen wird. Mit den von der GD XXII entwickelten und umgesetzten Programmen, die übrigens zu den ersten nach der Annahme des Vertrags über die Europäische Union angenommenen Programmen zählten, werden die in den achtziger Jahren auf den Weg gebrachten Initiativen sowohl in rationellere Bahnen gelenkt als auch in ihrem Umfang erweitert. So umfaßt das neue Programm SOCRATES sämtliche Ebenen der allgemeinen und beruflichen Ausbildung, von der Grundschule bis zur Erwachsenenbildung. Das Programm LEONARDO DA VINCI vereinigt in sich die früheren Programme zur beruflichen Bildung, wie z.B. PETRA und FORCE, und baut auf ihnen auf. Die Initiative "Jugend für Europa III" bietet einen einzigen kohärenten Rahmen für Maßnahmen, die der Unterstützung junger Menschen außerhalb der formalen Strukturen der allgemeinen und beruflichen Bildung dienen. Diese Programme, deren Laufzeit sich bis Ende 1999 erstreckt, stellen den Mittelpunkt für die Koordinierung der europäischen Zusammenarbeit auf einem großen und zwangsläufig weit gestreuten Feld von Aktivitäten dar, in die bereits 18 Länder einbezogen sind. Ihre Rolle besteht dabei insgesamt darin, im weitgefaßten Zusammenhang des Übergangs zum für das 21. Jahrhundert typischen lebensbegleitenden Lernen für innovative Ansätze bei der Befriedigung der Bedürfnisse nach allgemeiner und beruflicher Bildung zu sorgen. Weitere Initiativen befinden sich darüber hinaus in Vorbereitung. Dazu gehören insbesondere ein Weißbuch zur allgemeinen und beruflichen Bildung, dessen Herausgabe für Ende dieses Jahres vorgesehen ist. Man kann davon ausgehen, daß es sich dabei um ein zukunftsweisendes Projekt handelt, das den gesamten Bereich der mit der Bildung zusammenhängenden Fragen auf europäischer Ebene behandelt. Die technologische Entwicklung allgemein und die Informationsgesellschaft im besonderen verlangen von den Erwerbstätigen, aber auch von denen, die nicht im Arbeitsprozeß stehen, ein ganzes Repertoire an neuen Fähigkeiten und Fertigkeiten. Wie aber können diese neuen Fertigkeiten vermittelt werden? Die Aufgabe der Vermittlung neuer Fertigkeiten ist nicht neu, doch bedeutet das Tempo der Veränderung, daß Fähigkeiten nicht mehr nach dem Prinzip vermittelt werden können, daß der Schulabgänger einen Beruf in wenigen Monaten oder Jahren erlernt. Traditionell ist dies in Europa immer so gewesen, und wie bei einem Öltanker läßt sich hier eine Wende nur langsam vollziehen. Eine Schwierigkeit besteht natürlich darin, daß die Erfordernisse der Zukunft kaum vorauszusagen sind. So sind heute nicht wenige Absolventen naturwissenschaftlicher Fächer von ihren Berufsaussichten enttäuscht, nachdem ihnen der Eindruck vermittelt worden war, als ob ihre Kenntnisse unter dem Druck des technologischen Wandels zunehmend benötigt würden. Doch dies macht nur um so deutlicher, daß die formellen Fertigkeiten einhergehen müssen mit Flexibilität, einem Kern an wesentlichen Befähigungen sowie persönlichen Eigenschaften. Von den Arbeitgebern wird immer wieder darauf verwiesen, daß die Fähigkeit zum Umgang mit Menschen, zum Lösen von Problemen, Initiativreichtum, betriebswirtschaftliche Kenntnisse und auch der gesunde Menschenverstand Anforderungen sind, die der eigentlichen beruflichen Qualifikation gleichrangig sind. Allgemeine und berufliche Bildung sowie Beschäftigung sind eng miteinander verbunden, und das Hauptproblem liegt in der Befähigung der Menschen, das Lernen zu erlernen. Bei der Art und Weise, in der allgemeine und berufliche Bildung dargeboten wird, sind wesentliche Veränderungen wahrscheinlich, nicht zuletzt durch offene Unterrichtsformen und den Fernunterricht. Dabei kann das eigentliche Lernen genausogut zu Hause oder am Arbeitsplatz erfolgen, wie es bisher in der Schule geschehen ist. Der wichtigste Wandel bei der Erfüllung der an die Fertigkeiten gestellten Herausforderung ist eher eine Frage der Haltung und Wahrnehmung als der Ausbildungsstrukturen an sich. So sollten sich die Europäer neben Begriffen wie Arbeitszeit und Freizeit auch an den Begriff der Lernzeit gewöhnen. Aus persönlicher Sicht möchte ich noch hinzufügen, daß ich diesen neuen Ansatz gegenüber dem ständigen Lernen nicht nur als Folge des Wettbewerbsdrucks sehe. Lebenslanges Lernen sollte als Antidot gegen einen ständigen Konkurrenzkampf gesehen werden, nicht als dessen Symptom. - Auf welche Weise werden die Initiativen der Europäischen Kommission auf dem Gebiet der allgemeinen und beruflichen Bildung sowie der Jugendarbeit zu Vorteilen Europas im Wettbewerb auf dem globalen Arbeitsmarkt beitragen? Die Bedeutung der Wettbewerbsfähigkeit Europas auf dem Gebiet der allgemeinen und beruflichen Bildung sowie der Vorbereitung junger Menschen auf das Arbeitsleben ist auf einer Reihe hochrangiger Tagungen in den letzten Jahren immer wieder unterstrichen worden. Es stellt sich die Frage, was Zusammenarbeit auf europäischer Ebene hier leisten kann. Worin besteht der Vorteil des Lernens im Ausland, wenn 2+2 überall gleich 4 ist? Ich sehe mindestens fünf Wege, auf denen die europäischen Programme zum Wert der allgemeinen und beruflichen Bildung beitragen: - Aus reiner Sicht der Bildung ist es so, daß es lehrreich ist, etwas aus einer anderen Perspektive zu lernen. Die Geschichte der Entdeckung der Neuen Welt durch die Europäer kann beispielsweise allein aus britischer, französischer, niederländischer, portugiesischer oder spanischer Sicht nicht ausreichend erzählt werden; - Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sehen sich ähnlichen Problemen in Fragen der allgemeinen und beruflichen Bildung gegenüber, gehen diese jedoch auf die unterschiedlichste Art und Weise an. Durch die Öffnung Europas gegenüber dem Austausch von Know-how und Erfahrung eröffnen die europäischen Programme den Zugang zu neuen Gedanken und Lösungen. Diese Vielfalt ist einer der Aktivposten der EU; - Der internationale Handel wächst doppelt so schnell wie die Produktion, und die Internationalisierung der Wirtschaft hat zu einer Aktivität beim Vergleichen der Wettbewerbsfähigkeit geführt, die selbst schon einen Zweig darstellt, wie man im Buchladen auf dem jedem beliebigen Flughafen erkennen kann. Ein Großteil dieser Literatur beschäftigt sich jedoch noch mit der Wettbewerbsfähigkeit des verarbeitenden Gewerbes, das heute in modernen Volkswirtschaften weniger als ein Drittel der vorhandenen Arbeitsplätze stellt. Der Effektivität der Humanressourcen, der Erhöhung der Qualität der Bildung und der Investitionen in Menschen und ihre Fertigkeiten im gesamten Bereich der Volkswirtschaft wird weniger Aufmerksamkeit gewidmet. In diesem Kontext haben die europäischen Programme insofern eine Menge zu bieten, als daß sie den Austausch von gefundenen Lösungen und das Lernen von den Erfahrungen der anderen ermöglichen. Mit ihrer Hilfe erfolgt die Bündelung, so daß innovative Lernmethoden und -materialien auf transnationaler Grundlage entwickelt werden können; - Mobilitäts- und Austauschprogramme erweitern nicht nur den Horizont, sondern fördern auch schwer zu quantifizierende Eigenschaften wie Selbstvertrauen und Aufgeschlossenheit, die neben den wissenschaftlichen und beruflichen Qualifikationen ebenfalls erworben werden müssen. Die Entdeckung eines anderen Landes ist auch eine Form der Selbstentdeckung. Die europäischen Programme bieten also nicht nur allgemeine und fachspezifische Bildungsmöglichkeiten, sondern auch etwas, was man als formative Erfahrung bezeichnen könnte. Und in einer zunehmend internationalen Wirtschaft werden von den Arbeitgebern Auslandserfahrung und Fremdsprachenkenntnisse geschätzt, da diese als Wettbewerbsvorteil angesehen werden; - Seit der Vollendung des europäischen Binnenmarktes ist der freie Verkehr an Waren, Kapital und Dienstleistungen insgesamt leichter vonstatten gegangen als die Durchsetzung der Freizügigkeit bei den Menschen. In der Praxis besteht in Europa beim Lernen und Arbeiten noch keine vollständige Offenheit, da eine Menge an Schreibarbeit zu erledigen, die sich gelegentlich als Labyrinth erweist. So liegen im Falle der Stipendien für Studenten die Steuerfreibeträge u.dgl. in den verschiedenen Mitgliedstaaten der EU beispielsweise zwischen 0% und 61%. Die europäischen Programme im Bereich der allgemeinen und beruflichen Bildung spielen bei der Beseitigung dieser Hemmnisse gegenüber Mobilität und der Anerkennung für Studenten, Auszubildende, Lehrer, Ausbilder und Verwaltungskräften eine Vorreiterrolle. Jetzt kommt es darauf an, diesen Zustand der Trägheit in der gesamten EU zu beseitigen, damit der europäische Binnenmarkt seine volle Dynamik bei der Wettbewerbsfäghigkeit zur Geltung bringen kann. Die EU ist mehr als ein Binnenmarkt. Obwohl Ihre Frage sich auf den Wettbewerbsvorteil Europas bezieht, ist die Wirtschaft eine Mischung aus Wettbewerb und Zusammenarbeit, Unternehmungsgeist und ordnungspolitischem Rahmen, was zusammengenommen als europäisches Gesellschaftsmodell bezeichnet wird. Vielleicht leitet sich der größte langfristige Beitrag der europäischen Programme für allgemeine und berufliche Bildung von deren Rolle dabei ab, Europa zu einem realeren und bekannteren Begriff für die junge Generation zu machen, in deren Händen die Gestaltung dieses Modells in der Zukunft, die Entwicklung des Begriffs der europäischen Staatsbürgerschaft und die Meisterung der Herausforderungen des Wettbewerbs auf europäischer Ebene liegen. - Im Zusammenhang mit der allgemeinen und beruflichen Bildung stellt sich die Frage, welcher Vorrang den Initiativen im Bereich von FTE eingeräumt wird. Welche Maßnahmen sind in diesem Bereich geplant? Im 1993 herausgegebenen Weißbuch zu Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung sind den Themen Forschung und Bildung zwei größere Kapitel gewidmet. Diese beiden Themen bilden nicht nur deswegen eine Einheit, weil sie zum Continuum der "immateriellen Investitionen", also zu Investitionen in Fertigkeiten und Kenntnisse gehören, sondern weil es sich auch um die Notwendigkeit von Forschung auf dem Gebiet der allgemeinen und beruflichen Bildung zu einer Zeit potentiell weitreichender Veränderungen handelt. Die Programme SOCRATES, LEONARDO, Jugend für Europa und TEMPUS stellen in nicht geringem Ausmaß selbst eine Art Laboratorium dar, und zwar nicht nur hinsichtlich der Kooperations- und Austauschprogramme für ganz Europa, sondern auch durch die Untersuchung der grundlegenden Fragen von Inhalt und Methoden, wie sie für die allgemeine mund berufliche bildung im 21. Jahrhundert erforderlich sind. Ein Anhaltspunkt für die Priorität, die der Bildungsforschung eingeräumt wird, ist die Aufmerksamkeit, die Fragen des Lehrens und des Lernens auf der G7-Sonderkonferenz zur "Informationsgesellschaft" in diesem Jahr in Brüssel geschenkt wurde. Eines der Hauptthemen der Forschungsarbeiten besteht darin, einen Mittelweg zwischen den traditionellen Systemen der allgemeinen und beruflichen Bildung und der neuen technologischen Umgebung zu finden. Zu den weiteren Themen gehören die Verbindung zwischen Ausbildung und Beschäftigung und in diesem Zusammenhang der Einsatz neuer Technologie, dazu zählt auch die Erforschung der Möglichkeiten, mit denen Menschen, die in der Schule zunächst versagt haben, eine neue Chance eingeräumt wird. Parallel zu den Arbeiten, die entsprechend dem spezifischen Programm für zielgerichtete sozioökonomische Forschung im Zuge des Vierten Rahmenprogramms geleistet werden, hat die Kommission auch eine spezielle Task Force für multimediale Lernprogramme eingesetzt, auf einem Gebiet also, das für die europäische Forschung und Technologieentwicklung sehr vielversprechend ist.

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