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Inhalt archiviert am 2024-04-22

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Projekt-Erfolgsstorys -Roboterschwarm hilft Feuerwehrleuten

Rauch, Feuer und andere Gefahren sind Hindernisse, mit denen jeder Feuerwehrmann fertig werden muss, wenn eine brennende Lagerhalle zu löschen ist. Mit der Unterstützung eines auf Such- und Rettungsmaßnahmen spezialisierter autonomer Roboterschwarms wäre die Feuerwehr in der Lage, schneller und sicherer zu manövrieren. Der wichtigste Punkt dabei ist jedoch, dass mehr Leben gerettet werden könnten.

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Tatsache ist: Jedes Mal, wenn Feuerwehrleute ein in Flammen stehendes industrielles Lagerhaus betreten, setzen sie dabei das eigene Leben aufs Spiel. Der Rauch kann extrem giftig sein und die Sichtweite sehr gering. Feuerwehrleute haben für rund 20 Minuten Sauerstoff in ihrer Pressluftflasche und kommen, da meist Hindernisse im Weg sind, durchschnittlich nur 12 Meter pro Minute voran. Dies entspricht einer maximalen Reichweite von 120 Metern, wohingegen eine moderne Lagerhalle etwa 400 x 200 Meter misst. Feuerwehren von der South Yorkshire Fire and Rescue, Vereinigtes Königreich, schilderten den Forschern, dass Industriehallen ein ganz spezielles Problem seien. Die verhängnisvolle Kombination eines weiten Raums mit Rauch erschwert die Navigation. Manchmal lauert hier sogar der Tod. Zahlreiche Feuerwehrleute haben bei Lagerhallenbränden schon ihr Leben verloren. Die durch den Rauch verursachte fast vollständige Dunkelheit verwirrt einen Menschen leicht. Feuerwehrleute riskieren sich zu verirren. Inspiriert von diesem Problem konstruierte das EU-finanzierte Guardians-Projekt ("Group of unmanned assistant robots deployed in aggregative navigation supported by scent detection") einen Schwarm autonomer Roboter, der speziell dafür gedacht ist, die Feuerwehr bei der Durchsuchung großer Hallen zu unterstützen. Die Schwarmbildung, in der Sprache der Robotik, basiert auf bahnbrechenden Forschungsarbeiten zur Simulation von Vogelschwärmen im Flug. Das Projekt baut auf diesem Konzept auf, sodass sich die autonomen Roboter auf eine Weise bewegen können, die durch eine geometrische Verteilung beeinflusst wird. ‘Soweit ich weiß, sind wir unter den ersten, die versuchen, Roboterschwärme in einer realen Umgebung einzusetzen", sagt Jacques Penders, Guardians-Projektkoordinator. ‘Unser Hauptaugenmerk liegt darauf, die Roboter miteinander kooperieren zu lassen und in die Lage zu versetzen, in kleinen und großen Gruppen zu operieren. Für die Feuerbekämpfer zählt jede Sekunde und jede Minute. In Worcester, USA, verloren sechs Feuerwehrleute ihr Leben, als sie in einem sechsstöckigen Lagerhaus die Orientierung verloren hatten. Betonwände, Stahleinlagen und Metallregale hatten lebenswichtige Kommunikationswege unterbrochen. Ähnliche tragische Vorfälle ereigneten sich leider auch schon in Europa. Der von Guardians entwickelte Roboterschwarm muss daher unter extremsten Bedingungen für einen brauchbaren Informationsaustausch untereinander und zwischen den Rettern sorgen. Dies verlangte von den Forschern, Schnittstellen zu gestalten und mit diesen zu experimentieren, die nur die wichtigsten Informationen verarbeiten, um die Feuerwehrleute zu führen. Und das unter allen Bedingungen, denen die Roboter im Einsatz zu widerstehen haben. Wie geht man nun konkret vor? Ein Feuerwehrmann wird sich beim Betreten einer Lagerhalle zunächst entlang einer Wand bewegen. Diese Wand ist sein Bezugspunkt. Nur in sehr seltenen Fällen wird eine Feuerwehrmannschaft ins Leere vorrücken, schon allein deshalb, weil der Rauch immer dichter wird. ‘Die Rauchkonzentration steigt, je weiter man sich von den Wänden entfernt", gilt laut Projektliteratur. Die meisten Sensoren eines Roboters wie etwa Kameras oder Laserentfernungsmesser funktionieren unter komplizierten Bedingungen nicht immer optimal. In Lagerhallen findet man Metallregale mit Fächern, in denen dann auch noch Metallverpackungen wie Dosen oder Eimer stehen können. Diese vertrackte Metalllandschaft stört die Übertragung und den Empfang von Funksignalen. Außerdem lenken Partikel im Rauch Laserstrahlen ab. "Feuerwehrleute haben meistens eine Karte des Gebäudes dabei, in das sie eindringen müssen. Wenn sie das Gebäude betreten, zählen sie ihre Schritte, um ihre Position zu bestimmen und die Orientierung zu behalten. Die Roboter tun im Grunde genau dasselbe", erläutert Jacques Penders. Der erste Roboter positioniert sich am Eingang und sorgt für ein Signalfeuer. Während der gesamten Suche bleibt er dort und bewegt sich nicht vom Fleck. Der zweite Roboter rückt entlang der Wand vor; ihm folgt ein dritter. Der dritte Roboter wird der dritte Eckpunkt eines gleichseitigen Dreiecks. Dann rücken noch mehr Roboter aus und nutzen ein Dreieck aus Knoten und Kommunikationsleitungen zwischen Relaisknoten. Die Roboter können über ein drahtloses Kommunikationsnetzwerk miteinander kommunizieren. "Rauch stört die üblicherweise verwendeten Lichtsensoren", merkt Jacques Penders an. "Deshalb möchten wir auf Mikrowellen ausweichen", fügt er hinzu. Wenn sich die Roboter weiter in das Gebäude hineinwagen, entwickeln sie ein Raster, aus dem eine metrische 2D-Karte wird, und sie setzen auf Netzwerkverhalten, um Kommunikationswege aufrechtzuerhalten und auszubauen. Löst sich ein Roboter jedoch los und verliert das Schwarmsignal, kehrt er laut Guardians-Projekt entweder zu einem "vordefinierten Ort zurück, bewegt sich in die letzte bekannte Position, an der das drahtlose Signal noch stark genug war, oder geht opportunistisch vor und sucht weiter in der Annahme, dass einige Schwarmkumpel bald zu finden sein werden." Die Projektforscher wollen die Roboter außerdem in die aktive Unterstützung der Feuerwehr bei Rettungsaktionen einbinden. Der Schwarm soll in der Lage sein, direkt und kohärent mit dem Retter zu interagieren und die Richtung zu bestimmen, der er folgen sollte. Im einfachsten Fall soll der Schwarm autonom auf die Bewegung des Feuerwehrmanns reagieren. Bewegt er sich, so folgt ihm der Schwarm auf dem Fuße. Da Feuerwehrleute bereits unter erheblichen psychischen und physischen Stress stehen, soll der Schwarm auf gar keinen Fall eine zusätzliche Belastung sein oder unnötige Ablenkung der Aufmerksamkeit verursachen. Der Schwarm muss die Such- und Rettungsmission sinnvoll ergänzen. Die Forscher mussten daher ein angemessenes und konsistentes Verhalten der Roboter sowie auch Schnittstellen sicherstellen, mit denen Feuerwehrleute ihre Position bestimmen können. Meist werden durch Roboter unterstützte Such- und Rettungsaktionen von einem Menschen außerhalb der Gefahrenzone durchgeführt. Das Guardians-Projekt ist insofern einzigartig, dass ein Mensch im Einsatzbereich mit mehreren Robotern zusammenarbeiten kann. Dies erfordert allerdings innovative Schnittstellen, die die Feuerwehrleute in die Lage versetzen, ohne jeglichen zusätzlichen Aufwand mit dem Schwarm interagieren zu können. Unter den gegebenen harten Bedingungen können sich die Feuerwehrleute nicht nur auf das Seh- und Hörvermögen oder die häufig angewandte audio-visuelle Technik verlassen. Zur Bewältigung dieser Herausforderungen entwarfen die Forscher eine Rückkopplungsschnittstelle - ein visuelles Gerät, das dann im Helm eingebaut ist. Die Wissenschaftler entwickeln außerdem eine taktile Schnittstelle, die am Körper des Feuerwehrmanns installiert werden kann. Guardians entwarf und baute zwei Arten Lichtarray-Visiere. Beide Visiere wurde von der South Yorkshire Fire and Rescue getestet, was es den Forschern ermöglichte, Einstellungen anzupassen, um die Funktion zu verbessern. Dies bedeutete jedoch mehrere Tests nach Versuchs-und-Irrtums-Methode, da die Feuerwehrleute einige anfängliche Ambivalenzen gegenüber den Geräten äußerten. "Schwarmrobotik in Kombination mit einem Menschen war äußerst interessant und auch herausfordernd. Langfristiges Ziel ist nun, das Vertrauen der Menschen zu gewinnen, da die Signale manchmal verwirrend sind", resümiert Penders. "Wir müssen herausfinden, wie die Feuerwehrleute dieses System am besten benutzen können." Zunächst einmal muss die Schnittstelle ein visuelles Feedback der Datenströme des Schwarms liefern. Die Anzeige einer Reihe von RGB-LEDs an der Innenseite des Visiers realisierte diesen Punkt. Gleichzeitig muss der Feuerwehrmann volles Vertrauen haben, dass die Informationen auch richtig sind. Nachvollziehbarerweise werden sich einige Feuerwehrleute wegen der damit verbundenen Gefahren doch von einer Wand oder einem anderen Orientierungspunkt aus vorwagen. Das erste getestete Visier gab sowohl die sicherste als auch die beste einzuschlagende Richtung an. Die Feuerwehrleute wurden gebeten, während des Tests typische Such- und Rettungsaktivitäten auszuführen. Sie wurden außerdem dazu aufgefordert, einige zusätzliche Aufgaben zu lösen, wie etwa dem koordinierenden Wissenschaftler über ihre Fortschritte und den beteiligten Kolleginnen und Kollegen verbal Bericht zu erstatten. Den Resultaten zufolge ignorierten die Feuerwehrleute zuweilen das RGB-LED-Richtungssignal. Die Feuerwehrleute ließen die Forscher wissen, dass die innerhalb des Visiers angezeigten Richtungsdaten einfacher und unmissverständlicher sein müssten. Das zweite Visier wurde an einen voll funktionsfähigen Feuerwehrhelm montiert. Neben der LED-Anzeige platzierten die Forscher einen IMU-Sensor (interne Messeinheit), der während der Ausführung von Befehlen die Orientierung des Feuerwehrmanns erkennt. Wie auch beim ersten Test wurden die Feuerwehrleute gebeten, eine Reihe von Aktivitäten durchzuführen. Im Gegensatz zum vorherigen Test, bei dem die Richtungsinformationen ständig aktualisiert wurden, erhielten die Feuerwehrleute bei den zweiten Tests weniger Befehle. Die Außenseite der Visiere wurde abgedeckt, sodass sich der führende Feuerwehrmann bei navigatorischen Befehlen ganz und gar auf die Visiersignale verlassen musste. Ein zweiter Feuerwehrmann, gleichfalls mit abgedecktem Visier, folgte dem anführenden Feuerwehrmann, wie es unter normalen Such- und Rettungsprotokollen gängige Praxis ist. Beide waren mit einem Seil verbunden. Die Feuerwehrleute wurden gebeten zu zählen, wie oft zwei verschiedenfarbige Lichter im Inneren der Visiere aufblitzten. Die blinkenden Lichter kamen hinzu, um zusätzlichen Stress zu schaffen. Die Feuerwehrleute waren immer noch in der Lage, den Befehlen des anführenden Feuerwehrmanns zu folgen. Das Projekt konnte die Grundlagen für eine vielversprechende Forschungsrichtung legen, bei der zukunftsweisende Technologien mit bahnbrechender Schwarmtechnik kombiniert werden. Die im Guardians-Projekt konzipierten Roboter können die Feuerwehrleute außerdem auch vor giftigen Chemikalien in der Luft warnen. Man kann sich mühelos vorstellen, dass diese neuen Systeme in anderen Katastrophenszenarien ebenso einsetzbar sind. Die von Guardians entwickelten Algorithmen lassen die Roboter dem Feuerwehrmann ohne Kommunikation folgen. Das Besondere am Guardians-Projekt ist genau diese autonome Funktion, zusammen mit der Fähigkeit, Informationen zum Feuerwehrmann in speziell gestalteten Visieren zu übertragen. "Wir haben eine abschließende Demonstration bei der South Yorkshire Fire and Rescue durchgeführt", erzählt Jacques Penders. "Und sie bestätigte uns, dass der Einsatz von Robotern vor allem in Hochrisikosituationen durchaus hilfreich ist." Das Guardians-Projekt erhielt Finanzmittel aus dem Themenbereich "Informations- und Kommunikationstechnologien" des Sechsten EU-Rahmenprogramms.