Agenda 2000 - Die Kommission beginnt den EU-Erweiterungsprozeß
Am 16. Juli 1997 wurde der erste Schritt auf dem Weg zur Erweiterung der EU getan: der Präsident der Europäischen Kommission, Jacques Santer, legte dem Europäischen Parlament in Straßburg das Agenda 2000-Paket vor. Damit soll nicht nur bestimmt werden, wie weit die kandidierenden Länder auf eine Mitgliedschaft in der EU vorbereitet sind. Agenda 2000 soll gleichzeitig die Europäische Union auf eine Erweiterung im kommenden Jahrhundert vorbereiten. Dann wird nämlich mit dem Beitritt einer Anzahl von mittel- und osteuropäischen Ländern gerechnet. Die Kommission äußerte sich jetzt positiv über fünf der zehn kandidierenden Länder. Tschechien, Estland, Ungarn, Polen und Slowenien erfüllen nach Einschätzung der Kommission die politischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Mitgliedschaft in der EU. Die übrigen Länder, Bulgarien, Litauen, Lettland, Rumänien und Slowakien machen weitere Fortschritte in dieser Richtung, und die Kommission wird vor Ende 1998 erneut über sie Bericht erstatten. Die Kommission empfiehlt daher die Aufnahme von Verhandlungen mit den erstgenannten fünf Ländern sowie mit Zypern, über das sich die Kommission bereits 1993 positiv äußerte. Die 15 EU-Staats- bzw. Regierungsoberhäupter wollen die Entscheidung über die Aufnahme von Verhandlungen anläßlich der Sitzung des Ministerrats im Dezember 1997 in Luxemburg fällen. Zur Vorbereitung der EU auf den Beitritt dieser Länder sieht das Paket der Kommission wesentliche Reformen von zwei politischen Grundbausteinen, nämlich der Gemeinsamen Agrarpolitik und des Strukturfonds, vor. Davon abgesehen werden in diesem Paket auch der vorgesehen finanzielle Rahmen der Gemeinschaft für die Jahre 2000 bis 2006 und die forcierte "Beitrittvorbereitungsstrategie" umrissen. Letztere soll alle kandidierenden Länder unterstützen, d.h. sowohl die erste Gruppe als auch die Länder, die erst später beitreten können. Die Reform der gemeinsamen Agrarpolitik soll die 1992 begonnen Umstellung von Preisunterstützung auf direkte Unterstützung fortsetzen. Damit soll gewährleistet werden, daß die mittel- und osteuropäischen Länder, deren Landwirtschaft im Vergleich zu den gegenwärtigen Mitgliedstaaten von relativ viel größerer Bedeutung ist, problemlos in die gemeinschaftliche Agrarpolitik eingegliedert werden können. Die Vorschläge für die Reform des Strukturfonds sind eine Bestätigung der Tatsache, daß die kandidierenden Länder wesentlich ärmer sind als viele der EU-Regionen, die zur Zeit mit Mitteln aus dem Strukturfonds unterstützt werden. Die Kommission schlägt daher vor, den Prozentsatz der Bevölkerung, der von den regionalen Zielen des Fonds erfaßt wird, von 51% auf 35% bis 40% zu reduzieren, Der Strukturfonds würde sich dann auf drei - anstelle der gegenwärtigen sieben - Zielgebiete konzentrieren: - 1: Zurückgebliebene Regionen (mit einem Bruttosozialprodukt, das unter 75% des EU-Durchschnittswerts liegt). Diese Regionen erhalten ca. zwei Drittel der gesamten Finanzierungsmittel des Strukturfonds für die gegenwärtigen 15 Mitgliedstaaten; - 2: Wirtschaftliche und soziale Wiedereingliederung (nicht unter Zielgebiet 1 fallende Regionen, in denen die Arbeitslosigkeit höher als der EU-Durchschnitt liegt);und - 3: Personalwesen (Unterstützung zur Anpassung und Modernisierung von Erziehung, Berufsbildung und Beschäftigung in Regionen, die nicht unter Zielgebiet 1 oder 2 fallen). Die Finanzierung von Regionen, die sich nicht mehr für die Unterstützung durch den Strukturfonds qualifizieren, würde über den Zeitraum von 2000 bis 2006 auslaufen. Auch die Initiativen der Gemeinschaft würden von den gegenwärtigen 13 auf drei reduziert, obwohl viele der Gebiete, die zur Zeit noch im Rahmen von Initiativen unterstützt werden, in die drei verbleibenden Initiativen einbezogen würden. Der neue finanzielle Rahmen der EU für den Zeitraum von 2000 bis 2006 muß an die erweiterte Union angepaßt werden. Die ersten Mitglieder dürften 2002 oder 2003 beitreten, d.h. in der zweiten Hälfte des Zeitrahmens. Die Kommission ist sich jedoch der beschränkten Möglichkeiten im Haushalt der Mitgliedstaaten bewußt und beabsichtigt eine entsprechende Anpassung des gemeinschaftlichen Haushalts. Deswegen soll der 1992 in Edinburgh festgelegte Höchstanteil des gemeinschaftlichen Bruttosozialprodukts (im Jahre 1999) von 1,27% nicht weiter erhöht werden. Tatsächlich wird der Haushalt der Gemeinschaft diesen Höchstwert 1999 nicht erreichen. Deswegen vertritt die Kommission die Auffassung, daß der Wert von 1,27% unter Berücksichtigung des erwarteten wirtschaftlichen Wachstums über diesen Zeitraum aufrechterhalten werden kann. Reduzierung des Aufwands für die Landwirtschaft, verstärkte Konzentration auf Prioritätsgebiete und Reform des finanziellen Managements sollen einen weiteren Beitrag zur Stabilisierung des Haushalts leisten. Die für 1999 eingegangenen Verpflichtungen, auf der Basis der Preise von 1997, belaufen sich auf 97,8 Mrd. ECU und sollen bis 2006, d.h. bis zum Ende des nächsten Finanzrahmens, auf 114 Mrd. ECU ansteigen. Innerhalb dieses Rahmens soll der Haushalt für innenpolitische Maßnahmen von 6,1orschung nach den Vereinbarungen von Edinburgh im Jahre 1992 auf die Hälfte bzw. zwei Drittel des gesamten Haushalts für innenpolitik ansteigen. Nach Vorlage der Vorschläge des Finanzierungsrahmens für die Jahre 2000 bis 2006, darunter die letzten drei Jahre des Fünften Rahmenprogramms, will die Kommission in Kürze ihre Vorschläge für den Haushalt des Programms unterbreiten, womit die Formulierung der Rechtsverordnungen für das Fünfte Rahmenprogramm abgeschlossen sein wird. Die Kommission hat bereits angedeutet, daß ihre Vorschläge für das Fünfte Rahmenprogramm hinsichtlich des Anteils am gemeinschaftlichen Bruttosozialprodukt von der gleichen Größenordnung sind wie die für das Vierte Rahmenprogramm. Man sollte daran denken, daß der Haushalt für das Vierte Rahmenprogramm an der oberen Grenze der in Edinburgh vereinbarten Kennziffern lag. Als Richtwert kann man davon ausgehen, daß sich der Haushalt für das neue Rahmenprogramm auf etwas mehr als 60% des Jahreshaushalts für innenpolitische Maßnahmen belaufen wird. Hinsichtlich der Strategie für die kandidierenden Länder schlägt die Kommission einen Mechanismus zur Steigerung der Unterstützung zur Vorbereitung auf ihren Beitritt vor. Dabei wird auf den mit den einzelnen Ländern abgeschlossenen Europäischen Verträgen, dem strukturierten Dialog zwischen dem Ministerrat und den Ministern der kandidierenden Länder und dem PHARE technischen Unterstützungsprogramm aufgebaut. Die Kommission schlägt die Einrichtung von Beitrittspartnerschaften vor, die auf die Belange der einzelnen Länder zugeschnitten sind und die verschiedenen Formen der Unterstützung bei der Anpassung bzw. Integration der Rechtsbestimmungen der Gemeinschaft an bzw. in die der kandidierenden Länder koordinieren. Außerdem sollen die Möglichkeiten für die Teilnahme der kandidierenden Länder an gemeinschaftlichen Programmen erweitert werden. Zur Finanzierung ihrer Teil- einschließlich des Fünften Rahmenprogramms - sollen die Beschränkungen des PHARE-Programms hinsichtlich des Teilfinanzierungsanteils über den gegenwärtigen 10%-Wert hinaus angehoben werden. Das Agenda 2000-Paket der Kommission soll jetzt vom Rat der Minister und vom Europäischen Rat umfassenden diskutiert werden. Während der Europäische Rat über die erste Welle der kandidierenden Länder und den Finanzierungsrahmen befindet, werden die anderen Komponenten des Pakets in den relevanten Gremien diskutiert. Die Kommission hegt die Hoffnung, daß das gesamte Paket vor Ende 1999 verabschiedet werden kann, d.h. noch vor dem Ende des laufenden Finanzierungsrahmens und des Ablaufs der Bestimmungen für den Strukturfonds. Ein erfolgreicher Abschluß dieser Gespräche würde dann - je nach dem Erfolg der Beitrittsverhandlungen mit den kandidierenden Ländern - die Erweiterung der Gemeinschaft ab 2002 oder 2003 ermöglichen. Agenda 2000 ist zwar ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Erweiterung, stellt jedoch nur den formalen Beginn eines langwierigen, komplizierten Prozesses dar.
Länder
Tschechien, Estland, Polen, Slowenien