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Inhalt archiviert am 2024-04-22

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Feature Stories - Coole neue Materialien für heiße Elektronik

In der Elektronikbranche sind die Dinge buchstäblich am Dampfen. Ebenso wie Mikrochips und Bauteile immer kleiner und leistungsfähiger werden, erzeugen sie auch immer mehr Hitze. Ein EU-finanziertes Projekt arbeitet mit Hilfe der Mikro- und Nanotechnologien emsig an der Entwicklung von Materialien und Prozessen, um das Dahinschmelzen zu verhindern. Die Forscher sind dabei, eine Reihe von Fetten, Klebstoffen, Polymerfasern und Kohlenstoffnanoröhren zu entwickeln, die die Wärme gut ableiten. Letztlich bedeutet das, dass unsere elektronischen Lieblinge - vom Laptop bis zum GPS-System - immer noch kleiner und noch leistungsstärker werden können.

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Das von Intel-Mitbegründer Gordon E. Moore formulierte Mooresche Gesetz besagt, das sich die Komplexität - also die Anzahl der Schaltkreiskomponenten auf einem Computerchip -, etwa alle zwei Jahre verdoppelt. Und ziemlich genau so verhält es sich seit mehr als einem halben Jahrhundert. Wir tragen schon jetzt mehr Rechenleistung in den Mobiltelefonen in unseren Taschen herum, als noch vor nur ein paar Jahrzehnten in einen damals hausgroßen Computer hineinpasste. Es gibt allerdings Anzeichen dafür, dass das Mooresche Gesetz nicht ewig gelten wird - und zwar nicht deshalb, weil wir nicht in der Lage wären, immer mehr Rechenleistung auf immer kleinerem Maßstab unterzubringen (neue Chipdesigns lösen dieses Problem), sondern weil derart viele Bauteile, zusammengepfercht auf engstem Raum, einfach zu viel Wärme erzeugen. Falls keine Lösung für das Überhitzungsproblem gefunden werden kann, so die Meinung einiger Analysten, wird die vom Mooreschen Gesetz definierte Anstiegsrate der Leistungsdichte ungefähr im Jahr 2020 beginnen, sich zu verlangsamen und somit den Fortschritt bei Mobiltelefonen, Computern und einer Reihe weiterer elektronischer Geräte ernsthaft behindern. "Die Lösung der thermischen Probleme ist die größte Herausforderung, die dem Trend zu immer kleineren und leistungsfähigeren Geräten im Wege steht. Neue Verfahren zur Erhöhung der Leistungsdichte wie das Einbetten von Chips und 3D-Chip-Packaging werden nur noch mehr Wärme produzieren", erklärt Afshin Ziaei, Forschungsleiter bei Thales Research & Technology in Frankreich. Ziaei koordinierte das Nanopack-Projekt ("Nano packaging technology for interconnect and heat dissipation"), dem von der Europäischen Kommission mehr als 7 Mio. EUR Finanzmittel zur Verfügung gestellt worden waren. Das Projektmanagementteam bei Thales Research & Technology arbeitete mit einem Team von Mitarbeitern von 13 anderen Unternehmen, Universitäten und Forschungsinstituten zusammen, um der Stand der Technik im Bereich Wärmemanagement und elektrische Verbindungen richtungsweisend voranzubringen. Es gibt bereits mehrere Ansätze, um die thermischen Probleme in den Griff zu bekommen: zum Beispiel den Aufbau wirkungsvollerer Kühlsysteme oder die Entwicklung von Bauteilen, die gleich von vornherein weniger Wärme erzeugen. Die wahrscheinlich effektivste und praktikabelste Lösung, bei der die größten Gewinne zu erwarten sind, ist an den thermische Schnittstellen zu erwarten. Das betrifft die Stellen, an denen ein Chip durchkontaktiert ist und die Wärme zu seiner Umgebung - dem innenliegenden Schichtaufbau und dem Gehäuse - und von dort zum Kühlsystem abgibt. "Diese zwei thermischen Schnittstellen zwischen dem Kern des Chips und dem Packaging sowie zwischen Packaging und Kühlsystem bedingen etwa 40 bis 50% des thermischen Widerstands. Schaffen wir es, diesen Widerstand zu verringern, so können wir proportional dazu die Effektivität des Kühlsystems erhöhen", erläutert Ziaei. Im Einzelnen bedeutet das, dass die Chips entweder bei höheren Temperaturen mehr Rechenleistung bringen können oder aber bei der gleichen Temperatur zuverlässiger sind. Der Schlüssel zur Reduzierung des thermischen Widerstands an den Schnittstellen sind die leitfähigeren Wärmeschnittstellenmaterialien (Thermal interface materials, TIMs) in Verbindung mit Entwürfen und Gestaltungen, die es ermöglichen, dass die Hitze schneller aus den Chips und deren Gehäusen abgeführt wird. Dank der in Europa laufenden Forschungsarbeiten könnten schon bald neue Wärmeschnittstellenmaterialien und und Prozesse kommerziell verfügbar sein. Das Projektteam konnte unter Einsatz von Mikro- und Nanotechnologien ein neues Spektrum thermisch leitfähiger Fette, Klebstoffe, Materialien, Strukturen und Prozesse entwickeln, um die thermische Verbindung der Chips mit ihren Gehäusen sowie mit den Kühlsystemen zu verbessern. Ganz nah am Markt und eine vielversprechende Zukunft "Einige der Neuentwicklungen sind sehr ausgereift und könnten schon sehr bald in die kommerzielle Nutzung übergehen, andere befinden sich noch in der Forschungs- und Entwicklungsphase, aber sehen langfristig vielversprechend aus", so Ziaei. Unter den nutzungsreiferen Materialien, die von den Projektpartnern entwickelt wurden, finden sich fortgeschrittenere Versionen traditioneller Wärmeleitpasten und Klebstoffe - ähnlich den Substanzen, die eingesetzt werden, um einen Computerprozessor mit dem Kühlkörper in einem Standard-PC zu verbinden. Die von Nanopack erbrachten Fett- und Klebstoff-Lösungen, verstärkt durch spezielle Mikrofüllstoffe, weisen jeweils eine Wärmeleitfähigkeit von rund 10 W/mK auf. Diese Eigenschaft bezeichnet das Vermögen eines Stoffes, thermische Energie mittels Wärmeleitung zu transportieren - die (spezifische) Wärmeleitfähigkeit in Watt je Kelvin und Meter ist eine temperaturabhängige Materialkonstante. Der österreichische Projektpartner Electrovac entwickelte einen Schmierstoff aus metallischen Mikrokugeln und graphitierten Kohlenstoffnanofasern in einer Silikonmatrix, dessen Leitfähigkeit sich im Einklang mit dem Stand der Technik befindet. Der von Forschern der Chalmers University of Technology in Schweden entwickelte Klebstoff geht jedoch weit darüber hinaus. "Die meisten Klebstoffe weisen eine Wärmeleitfähigkeit von rund 4 W/mK auf. Mit 10 W/mK stellt dieser Klebstoff eine wesentliche Verbesserung dar", berichtet Ziaei. "Dies konnte durch den Einbau von Silberplättchen und Mikrosilberkugeln in eine hitzebeständige doppelte Epoxidharzmatrix erreicht werden." Chalmers gründete ein Spin-off-Unternehmen in Schweden - Smart High Tech (SHT) -, um den Klebstoff zusammen mit einem anderen, im Rahmen von Nanopack entwickelten Material, einem mit einer Metall-Legierung infiltrierten Polymerglasfasernetz, zu vermarkten. Dieses einzigartige Material, das einem sehr feinen Blatt Aluminiumfolie ähnelt und die Bezeichnung SmarTIM trägt, zeigt eine äußerst effiziente thermische Leistung von 18 W/mK bis 24 W/mK, je nach eingesetzter Legierung. "Das Polymerfasernetz sorgt für eine robuste Struktur, während die Legierung eine effiziente Leitfähigkeit gewährleistet", erklärt Ziaei. Nanopack-Partner IBM verbesserte inzwischen eine bereits existierende Technologie, bekannt als "Hierarchical nested channel" (HNC), bei der Mikrostrukturen auf den Oberflächen eingesetzt werden, die sich mit den Wärmeschnittstellen verbinden, um die Leitfähigkeit zu verbessern und die Dicke der thermischen Schicht zu reduzieren. Andere im Zuge des Projekts entwickelte Technologien sind noch weiter von einer kommerziellen Nutzung entfernt, könnten aber, sobald sie ausgereift genug sind, einen starken Einfluss auf das Wärmemanagement ausüben. Eine vom Fraunhofer IZM entwickelte Neuheit besteht aus einem Gold-Nanoschwamm, bei dem in die Hohlräume des Schwamms nur einige Dutzend Nanometer groß sind. Bei einer weiteren Innovation von Thales Research and Technology kommen Kohlenstoffnanoröhren zum Einsatz: zylindrische Strukturen, die aus Kohlenstoffallotropen mit einem Durchmesser von etwa einem Nanometer bestehen, was in etwa 100.000 Mal dünner als ein menschliches Haar ist. Diese sind innerhalb einer Lösung vertikal ausgerichtet, so dass die Wärme durch die Mitte der Röhre nach oben geleitet wird. "Diese Technologien sind für die Zukunft allesamt sehr vielversprechend. Kohlenstoffnanoröhren haben zum Beispiel hervorragende thermische Eigenschaften. Die Leitfähigkeit einer einzelnen Röhre beträgt nahezu 1.000 W/mK. Man träumt davon, Materialien herzustellen, die sich diese Eigenschaft zu Nutze machen und ungefähr 100 W/mk ableiten können. Allerdings wäre es immer noch ein echter Durchbruch, wenn wir auch nur 50 W/mK erreichen", bilanziert Afshin Ziaei. Neben der Forschungsarbeit in Bezug auf Materialien und Prozesse entwickelt das Nanopack-Team außerdem hochmoderne Charakterisierungswerkzeuge, um die thermische Leistung der Materialien messen und testen zu können. Einige der Partner werden nun am EU-finanzierten "Smart Power"-Projekt teilnehmen, das den Rahmen ihrer Arbeit auf verschiedene Chip- und Gehäusegestaltungen erweitern sowie auf die in Nanopack durchgeführte Forschung zu Materialien und Prozessen aufbauen wird. Ihre Bemühungen werden das Mooresche Gesetz wohl wenigstens noch für ein paar Jahrzehnte gelten lassen. Nanopack erhielt Finanzmittel im Unterprogramm "Next-generation nanoelectronics components and electronics integration" des Siebten EU-Rahmenprogramms für Forschung (RP7). Nützliche Links: - 'Nano packaging technology for interconnect and heat dissipation' project - Nanopack-Projektdatensatz auf CORDIS Weiterführende Artikel: - Besseres Wärmemanagement verspricht preiswertere, umweltfreundlichere, kühlere Elektronik - Designer optoelectronics – quantum mechanics for new materials - Nanospheres stretch limits of hard disk storage - Pushing the limits of chip miniaturisation - EUROPRACTICE bringt Segen für Nanotechnologieforscher