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Inhalt archiviert am 2024-04-22

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Feature Stories - Cloud Computing in Echtzeit

Jedem Internetanschlussbesitzer ist durch Cloud Computing eine neue Welt von Rechenressourcen zugänglich gemacht worden. Nun konnte ein EU-finanziertes Forschungsprojekt den Weg zu einer Echtzeitnutzung dieser Ressourcen bahnen, was Unternehmen und Einzelpersonen in die Lage versetzt, durch Zusammenarbeit in der Datenwolke Zeit und Geld zu sparen.

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Cloud Computing revolutioniert heute den Zugriff auf Software, Rechenleistung und Speicherkapazität, indem IT-Ressourcen als Service und nicht als Produkt bereitgestellt werden. Wollte man früher große Datenmengen speichern oder verarbeiten, so mussten Computer, Server, Datenbanken und weitere Infrastrukturen angeschafft werden. Heute aber ermöglicht das Cloud Computing, diese zu mieten - und zwar nur so viel und so lange man sie tatsächlich braucht. Erforderlich ist lediglich ein Internetanschluss, um auf die benötigten Ressourcen zugreifen zu können - so ähnlich, wie man elektrischen Strom aus der Steckdose bekommt, ohne sich etwa um den Betrieb eines eigenen Kraftwerks kümmern zu müssen. Die Beteiligten wollen nun allerdings zunehmend innerhalb der Cloud interagieren. Es besteht der Wunsch, Anwendungen rechnerfern in der Cloud-Infrastruktur laufen zu lassen und nicht nur Daten zur Verarbeitung oder zur Speicherung zu übertragen - und das erfordert eine "serviceorientierte Infrastruktur" (SOI) mit Echtzeitfunktionalität. Dieser Frage widmete sich ein Team europäischer Forscher, das mit Finanzmitteln in Höhe von 7,9 Mio. EUR von der Europäischen Kommission unterstützt wurde. Innerhalb des IRMOS-Projekts ("Interactive real-time multimedia applications on service oriented infrastructure") konnte es Echtzeitfunktionalität in die Rechnerwolke integrieren. "In der neuen Generation von Anwendungen, die wir derzeit sehen, dreht sich alles um Interaktivität - die Menschen brauchen und darauf zugreifen wollen und damit in Echtzeit arbeiten, so dass jede Plattform, jede Umgebung auch Interaktivität ermöglichen muss", erklärt Dimosthenis Kyriazis, technischer Koordinator von IRMOS von der Nationalen Technischen Universität Athen. "Sind die Anwendungen interaktiv, so sollte die Infrastruktur, die diese bedient, diese Interaktion erleichtern." Dr. Kyriazis verweist auf das Beispiel einer an einem Projekt arbeitenden Filmsnachbearbeitungs-Crew. An dieser Anwendung konnte das IRMOS-Team die Ergebnisse seiner Forschungsarbeit demonstrieren. Verschiedene Leute an unterschiedlichen Orten, von Tontechnikern und Künstlern für Spezialeffekte bis hin zum Regisseur, müssen alle - und das oft auch noch gleichzeitig - auf Teile des Films zugreifen, ihn anschauen, bearbeiten und modifizieren können. Die Daten zum Film können an einer Location in der Cloud gespeichert werden, während die Anwendungen, die benötigt werden, um die Farbe zu bearbeiten oder Spezialeffekte einzugliedern, woanders ausgeführt werden können. Bisher musste man jeden Prozess einzeln ausführen, was mit langen Wartezeiten verbunden war, um den Effekt der Veränderungen sehen zu können - und in der Filmindustrie, wie in der Industrie generell, bedeutet Zeit bekanntlich Geld. Zeit und Geld sparen "Cloud Computing hat die Kosten für Rechenressourcen gesenkt und es vielen Menschen und Unternehmen, insbesondere den kleinen und mittleren Unternehmen, ermöglicht, Dinge zu tun, zu denen sie vorher nicht in der Lage gewesen wären. Rechnerwolken in Echtzeit haben nun noch mehr Kostenvorteile zu bieten, da sie Kollaboration in der Cloud ermöglichen und Zeit sparen", stellt IRMOS-Koordinator Stuart Smithson von Xyratex, einem Anbieter digitaler Speicherlösungen aus dem Vereinigten Königreich, klar. "Was bisher durchaus ein paar Tage in Anspruch nehmen konnte, ist nun in wenigen Sekunden erledigt." Smithson hebt jedoch hervor, dass in diesem Kontext "Echtzeit" nicht unbedingt "sofort" bedeute. "Wir reden hier über die sogenannte 'weiche' Echtzeit. Und das bedeutet, dass ein bestimmter Prozess innerhalb einer vorgegebenen Zeitdauer durchgeführt werden wird, die vielleicht ein paar Sekunden dauern kann und abhängig von der Qualität der Servicevorgaben ist", wie er erklärt. Die "Servicequalität" (Quality of service, QoS) ist ein überaus wichtiger Faktor für die Bereitstellung interaktiver Echtzeitdienste jeglicher Stufe und bildet das Herzstück des IRMOS-Projekts. Damit ein Nutzer einem solchen System vertrauen und davon profitieren kann, muss gewährleistet sein, dass die Prozesse abhängig von der Anwendung innerhalb einer vorgegebenen Frist durchgeführt werden, und dass die Resultate zwischen den verschiedenen Diensten und auch zurück zu diesen kommuniziert werden können. "Dieser Kommunikationsaspekt hatte einen direkten Einfluss auf das Design der virtuellen Systeme, die wir entwickelt haben und die diese interaktiven Systeme vorher nicht hatten. Das ist das, wonach Echtzeit-Anwendungen tatsächlich verlangen - und genau das hat IRMOS zu bieten", ergänzt Dr. Kyriazis. Um dorthin zu kommen, mussten die IRMOS-Forscher einige technische Herausforderungen meistern. Sie entwickelten Tools, um eine Anwendung zu modellieren und den Bedarf an Infrastruktur abzuschätzen. So zum Beispiel, wie viel Rechenleistung benötigt wird und für wie lange, zusammen mit Benchmarking- und Ressourcenmanagement-Tools zur Überwachung und Verwaltung von deren Verhalten in einer Echtzeit-Cloud-Umgebung. Die Forscher suchten nach dem besten Prozess zur Erstellung von Service-Level-Vereinbarungen (Service Level Agreements, SLA), die das Verhältnis zwischen den verschiedenen Anbietern in der Cloud, den Plattformanbietern, Infrastrukturanbietern und Dienstleistern einbeziehen. Und sie entwickelten eine serviceorientierte Netzwerkinfrastrukturlösung, die auf virtualisiertem Rechnen, Netzwerken und Speichern mit dynamischer Ressourcenzuweisung, QoS-Garantien und Ausfallsicherheitsmechanismen wie Redundanz und Live-Migration basiert. Besagte Tools sind quelloffen - Open Source - und stehen jedermann zur Verfügung, um Anwendungen für das Echtzeit-Cloud-Computing zu basteln. Das IRMOS-Team verwendete die Instrumente zur Erstellung von drei realen Anwendungen in den Bereichen Videonachbearbeitung, virtuelle und erweiterte Realität sowie interaktives E-Learning unter Einsatz mobiler Geräte und virtueller Welten. Im E-Learning-Szenario wurde das IRMOS-System zur Unterstützung einer virtuellen Umgebung eingesetzt, in der eine große Anzahl von Menschen mit multimedialen Inhalten interagieren, d. h. zur gleichen Zeit von verschiedenen Standorten aus auf diese zugreifen und sie verändern kann. Der Demonstrator zum Thema erweiterte Realität zeigte andererseits, wie verschiedene Teams an verschiedenen Standorten parallel mit Daten arbeiten können, die sowohl aus der realen Welt als auch einer virtuellen Simulation herstammen. Die Forscher setzen das IRMOS-System auch im Bereich Fahrzeugbau ein: An der Fahrzeugaerodynamik arbeitende verteilte Teams konnten die in einem Windkanalversuch gewonnenen experimentellen Daten visualisieren und manipulieren und sie mit einer virtuellen Simulation vergleichen. Alle Nutzer konnten unabhängig von ihrem Standort in Echtzeit mit den Hybriddaten interagieren, das Fahrzeug zum Beispiel aus verschiedenen Blickwinkeln visualisieren und die Geschwindigkeit und die Richtung des Windes verändern. "Die Demonstratoren zeigen, wie diese Technologie eingesetzt werden kann und [zeigen] die Vorteile; die potenziellen Anwendungen dafür sind allerdings schier endlos", erklärt Smithson. "Zunächst bewegen sich die nächstliegenden Anwendungen natürlich in Bereichen, die große Mengen an Echtzeit-Rechenleistung erfordern - man denke nur an multimediale Inhalte -, aber darüber hinaus gibt es reichlich andere Anwendungen." Smithson verweist unter anderem auf das Gesundheitswesen, die Bereiche Spiele, Energie und Finanzen. "Es könnte jeder davon profitieren - vor allem unter Berücksichtigung einer zunehmenden Tendenz der Umstellung weg vom Desktop hin zur Rechnerwolke." IRMOS erhielt 7,9 Mio. EUR (Gesamtbudget: 12,76 Mio. EUR) Forschungsfinanzierung im Unterprogramm "Service and software architectures, infrastructures and engineering" des Siebten EU-Rahmenprogramms (RP7). Nützliche Links: - Projekt "Interactive real-time multimedia applications on service oriented infrastructure" - IRMOS-Projektdatensatz auf CORDIS Weiterführende Artikel: - EU-Projekt arbeitet an semantischer Interoperabilität in Cloud-Plattformen - EU-Projekt ebnet Weg durch datenintensive Umgebungen - Good view from the clouds - Forschung zum Cloud Computing beflügelt Spin-off-Technologien