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Inhalt archiviert am 2024-04-22

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Feature Stories - Ein intelligenteres Internet aufbauen

Die Beliebtheit und die zunehmende Verbreitung von Smartphones, intelligenten Fernsehgeräten und Autos könnte dazu führen, das wir es bis zum Jahr 2020 mit 50 Milliarden Geräten zu tun bekommen, die mit dem Internet verbunden sind. EU-finanzierte Wissenschaftler arbeiten hart am Aufbau eines intelligenteren Internets, das diesem massiven Wachstum gewachsen sein soll.

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Das Internet der Dinge - Autos, Geräte und alltägliche Gegenstände verbindende Sensoren - ist schon jetzt weitaus größer als das Internet der Menschen und der damit verknüpften Seiten. Tatsächlich hatte bereits 2008 die Anzahl der mit dem Internet verbundenen Dinge die Zahl der menschlichen Erdbewohner überschritten. Und Experten prophezeien, dass die Menge dieser "vernetzten Geräte" immer weiter zunehmen wird. Das neugegründete niederländische Unternehmen Sparked rüstet beispielsweise Rinder mit drahtlosen Sensoren aus, die mit dem Internet verbunden sind. Da es heute weltweit schätzungsweise 1,3 Milliarden Rinder gibt, entsteht allein durch dieses Projekt eine gewaltige Masse an Verbindungen! Die Automobilindustrie ist ein weiterer wichtiger Anwender der Sensortechnologie: In den intelligenten Autos von morgen verbergen sich Ortsbestimmungs-, Beschleunigungs-, Orientierungs- und Annäherungssensoren, die in einem regen Datenübertragungs- und -erfassungsverkehr mit anderen in der Nähe befindlichen Fahrzeugen sowie der Straßeninfrastruktur stehen. "Das Internet wächst ganz gewiss und rasend schnell. Ständig kommen viele neue Arten von Geräten hinzu - und dieser Trend kommt genau jetzt so richtig ins Rollen", erklärt Philip Eardley, technischer Koordinator eines großen EU-finanzierten Projekts mit der Bezeichnung Trilogy, dessen Inhalt laut Projekttitel die Neugestaltung der Internetarchitektur ("Re-Architecting the internet...") sowie die Entwicklung neuer Technologien ist, die das aufstrebende Internet der Zukunft stützen sollen. "In unserer wissenschaftlichen Arbeit haben wir untersucht, wie man das gemeinschaftlich genutzte Netzwerk mit all den konkurrierenden Anforderungen verwalten kann. Wir wollten das bestmögliche Kapazitätsmanagement für das Netz finden", legt Eardley dar. Die Internettechnologien der Zukunft bilden einen Schwerpunkt auf der Forschungsagenda der Europäischen Union. Die Finanzierung zum Testen neuer Technologien steht bereit. Diese sollen das Netzwerk im Lauf der Zeit weiterentwickeln und anpassen, denn das Internet ist viel mehr als nur ein Kommunikationssystem, als welches es ursprünglich einmal vorgesehen war - es bildet heute geradezu das Rückgrat der modernen Gesellschaft. Und so sollen die Initiativen zum Internet der Zukunft gewährleisten, dass dieses Rückgrat unserer Gesellschaft nicht unter der Last der beständig steigenden Anforderungen zerbricht. Diese Unternehmung ist äußerst wichtig und deshalb konnte Trilogy einige der Toptalente aus der ganzen Welt für seine Sache gewinnen. Die BT Innovate & Design group leitete das Projekt als Koordinator des Konsortiums und wurde unterstützt von NEC Europe, Roke Manor Research und dem University College London, die alle im Vereinigten Königreich zuhause sind. Im Konsortium versammelten sich gleichfalls führende Unternehmen wie zum Beispiel Nokia, Finnland, Eurescom und Deutsche Telekom, Deutschland, zusammen mit der Université Catholique de Louvain aus Belgien, der Universidad Carlos III de Madrid aus Spanien, der Athens University of Economics and Business aus Griechenland und der Stanford Law School aus den USA. Trilogy hatte den Ehrgeiz, die Probleme mit den aktuellen Internetstandards, insbesondere mit dem Übertragungskontrollprotokoll (Transmission Control Protocol, TCP) genauer unter Lupe zu nehmen. Das TCP wurde bereits 1974 von den amerikanischen Informatikern Vint Cerf und Bob Kahn konzipiert. Es ist tatsächlich ein bemerkenswert effizientes Protokoll, das auch dann noch gute Leistungen zeigte, als das Internet explosionsartig expandierte. Aber es könnte durchaus besser sein - und hier lag der Mittelpunkt aller Anstrengungen innerhalb von Trilogy. Das richtige Gleichgewicht finden Internettechnologien müssen immerzu auf einem schmalen Grat balancieren: Gibt es zu wenig Kontrolle, kann das Netzwerk leichter ausfallen - Chaos ist die Folge. Wird zuviel eingegriffen, erstickt das zarte Pflänzchen Innovation bereits im Keim. Ein jeder, der Protokolle für das Internet zu erstellen hat, muss darauf achten, dass die erschaffene Innovation nicht doch später einmal in technologische Sackgassen führt. Einer der Beiträge von Trilogy ist Multipath TCP (MPTCP), ein Protokoll, das eine reguläre TCP-Verbindung gestattet, um mehrere Pfade gleichzeitig zu nutzen. Dadurch wird die Ausfallsicherheit des Netzes verstärkt, da die Verbindung auch dann funktioniert, wenn ein Pfad ausfällt. Das Protokoll führt überdies zu einer größeren Netzeffizienz, indem Ressourcen gebündelt werden; die Daten werden über mehrere Pfade gleichzeitig gesendet. Der Absender muss sich schnell anpassen, um einen größeren Anteil des Datenverkehrs über die leereren Pfade und eben weniger über die überlasteten Pfade zu senden. Das Multipath TCP könnte eine viel bessere Datenmobilität ermöglichen; es erfolgt eine Anpassung an den Standort des Empfängers, unabhängig vom Netzwerk. MPTCP könnte beispielsweise das Herunterladen eines Films über 3G oder 4G starten und dann auf WiFi-Kapazität zugreifen, wenn sich der Nutzer in Reichweite eines Hotspots befindet. "Multipath TCP bietet sowohl eine effizientere Ausnutzung der verfügbaren Kapazität als auch eine erhöhte Belastbarkeit, da die Daten über eine Vielzahl von Routen zu ihrem Bestimmungsort unterwegs sind", veranschaulicht Philip Eardley. Trilogy entwickelte als Bestandteil der Arbeit am MPTCP einen Überlastungsregelungsalgorithmus, der den Verkehr zwischen mehreren Pfaden ausbalanciert, indem die Datenübertragung weg von überlasteten Routen hin zu ungenutzten Kapazitäten anderswo umgelegt wird. Wider den Datenstau Überlastung stellt tatsächlich eine zentrale Frage im Internet dar und so entwickelte das Trilogy-Team zusätzlich zur Arbeit zum Thema Datenstau innerhalb des MPTCP ein spezielles Protokoll, um auch dieses Problems Herr zu werden. "Congestion Exposure" (CONEX) ist ein neues Protokoll, das allen IP-Geräten entlang eines Pfads die gesamte "End-to-End", von Anfang bis Ende, bestehende Größenordnung einer Überlastung anzeigt. CONEX hilft dem Bediener dadurch, dass die zur Verfügung stehenden Informationen detaillierter ausfallen und Bandbreitenmanagementmechanismen angeregt werden. Congestion Exposure steht auch den Endnutzern hilfreich zur Seite: Deren Betriebssystem kann so die End-to-End-Quality-of-Service optimieren - und auf diese Weise könnte beispielsweise die Videokonferenz des Nutzers in einem Zeitraum schwerer Überlastung in normaler Geschwindigkeit weiterlaufen, während ein Dateidownload angehalten wird, um die verfügbaren Ressourcen zu optimieren. Ein weiterer bedeutungsvoller Forschungsbereich waren Mechanismen zur Lösung anderer Probleme wie der Quelladressvalidierung und des Internetprotokollübergangs von IPv4 auf IPv6, der einen wichtigen Schritt für das Internet der Zukunft darstellt, da die Anzahl der verfügbaren IPv4-Adressen langsam aber sicher zur Neige geht. Dieses Problem hat seine Wurzeln in der Geburtsstunde des Internets, als ein universelles Adressierungsprotokoll entwickelt wurde, um jeglichem Computertyp eine Identifizierung im Internet zu gestatten. 1971 wurde IP konzipiert - v4 wurde 1983 eingeführt. Damals sah keiner die spätere Popularität des Internets voraus. Der britische Physiker und Informatiker Tim Berners-Lee "erfand" das World Wide Web erst 1989, als es Probleme am Kernforschungszentrum CERN gab. IPv4 war für seine Zeit ein sehr robuster Standard, der über 4 Milliarden Adressen in einem 32-Bit-Code bereitstellte. Nun bieten die 128 Bit des IPv6 erheblich mehr Adressen. Die von Trilogy entwickelten Tools werden die Umstellung auf die neue IP-Version unterstützen. Trilogy rückte die Definition und Entwicklung von Standards ganz besonders in den Vordergrund. Das Team war überaus aktiv innerhalb der Internet Engineering Task Force (IETF), dem Gremium, dessen Aufgabe die Standardisierung von Internettechnologien ist. Das Projekt war entscheidend an der Gründung von zwei neuen Arbeitsgruppen der IETF, MPTCP und CONEX, beteiligt. "Wir haben mehr als 50 verschiedene Entwürfe eingereicht, von denen einige jetzt als 'Requests for Comments' [RFC, dt.: Bitte um Kommentare] genehmigt sind, und es befinden sich weitere in Vorbereitung. Wir haben außerdem weit über 60 wissenschaftliche Publikationen veröffentlicht", merkt Eardley an. Ein RFC ist ein Standarddokument oder ein beratendes Dokument, dem vom IETF formal zugestimmt wurde. Innerhalb des Trilogy-Projekt wurde sorgfältig überprüft, auf welche Weise die entwickelten Protokolle zum Einsatz gebracht werden können. Ziel dabei ist die schrittweise Übernahme. "Wir haben eine Linux-Implementierung des Multipath TCP-Protokolls entwickelt und sind zuversichtlich, dass sie einen Teil des Linux-Systemkerns bilden wird", bekräftigt Philip Eardley. Die Erfahrung mit neuen Internetentwicklungen hat bereits gezeigt, dass nur ein paar der führenden Gruppen der Vorteile dieser neuen Technologien für sich gewahr werden müssen - dann sind die Startschwierigkeiten schnell überwunden. Das Trilogy-Projekt erhielt im Unterprogramm "The network of the future" des Siebten EU-Rahmenprogramms (RP7) eine Forschungsfinanzierung in Höhe von 5,82 Mio. EUR (Gesamtbudget 9,82 Mio. EUR). Nützliche Links: - "Re-Architecting the internet. An hourglass control architecture for the internet, supporting extremes of commercial, social and technical control" - Trilogy-Projektdatensatz auf CORDIS Weiterführende Artikel: - Kommission setzt Ziele für die Einführung des IPv6 - Europäer machen Kommunikation intelligenter Geräte noch einfacher - Making sure the internet delivers - See-through networks - The Network of Everything