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Inhalt archiviert am 2024-04-23

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Feature Stories - Kristall-Quantenspeicher für die Quantenkommunikation

Die Erforschung eines seltsamen Phänomens mit der Bezeichnung Quantenverschränkung, das einmal von Albert Einstein als "spukhaft" beschrieben wurde, könnte die IKT in den kommenden Jahren revolutionieren. Ultraschnelle Rechenleistungen und absolut sichere Langstreckenkommunikation rücken somit in den Bereich des Machbaren. Von der EU finanzierte Forscher arbeiten an vorderster Front an der Entwicklung von Quantentechnologien. Dabei erzielte ein Team kürzlich einen wesentlichen Durchbruch bei der Erweiterung des Bereichs der Quantenkommunikation.

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Im Wesentlichen tritt eine Quantenverschränkung dann auf, wenn Teilchen wie Photonen oder Elektronen physikalisch interagieren und dann getrennt werden, aber trotzdem eng miteinander verbunden bleiben, auch wenn sie Tausende von Kilometern voneinander entfernt sind. Das Phänomen stellt zwar den gesunden Menschenverstand und unsere Erfahrung der physikalischen Welt auf eine harte Probe, aber ein Teilchen in Tokio, das von einem Beobachter dort gemessen würde, würde genau dieselben Eigenschaften wie sein verschränkter Gegenpart in Brüssel aufweisen. Ein Paar Quantensysteme, das Photonen in einem verschränkten Zustand verwendet, kann als Quanteninformationskanal zur Durchführung von Rechen-, Kommunikations- und kryptographischen Aufgaben verwendet werden, die mit herkömmlichen Systeme unmöglich wären. Und was für Kommunikationszwecke entscheidend ist: Da die Photonen-Paare auf Engste miteinander verbunden sind, bieten sie absolute Sicherheit und Genauigkeit - so dass, wenn ein Photon gemessen wird, es mit absoluter Sicherheit zeigt, was das andere Photon zeigen würde, wenn es gemessen werden würde. Wenn darüber hinaus das Signal von einem Dritten abgefangen würde, würde dies sofort erkannt werden, da dafür die Verschränkung unterbrochen werden müsste. Ist die Verschränkung einmal unterbrochen, kann sie nicht wieder hergestellt werden. Diese Eigenschaften eröffnen ein ganzes neues Universum an Einsatzmöglichkeiten. "Die Anwendungen für Quantentechnologien stecken noch in den Kinderschuhen. Daher ist es wahrscheinlich, dass wir uns die meisten zukünftigen Anwendungen noch gar nicht vorstellen können", meint Professor Nicolas Gisin von der Gruppe für angewandte Physik an der Universität Genf in der Schweiz. "Diese zukünftigen Anwendungen der Quantentechnologie würden sich für heutige Menschen wahrscheinlich wie reine Zauberei ausnehmen." Quanten-Computing könnte es uns erlauben, eine Anfrage - z. B. zum Knacken von Codes - zu lösen, indem alle Eingabekombinationen gleichzeitig überprüft werden. Während ein aktueller Rechner Jahre benötigen würde, um jede mögliche Kombination zu überprüfen, werden vom Quantenrechner alle Kombinationen gleichzeitig getestet. Und mit Quantenverschränkung wäre eventuell eine sofortige Kommunikation möglich oder sogar die Teleportation von festen Gegenständen von einem Ort an einen anderen. Prof. Gisin und ein Team von Forschern aus vier europäischen Ländern - Frankreich, Deutschland, Schweden und Schweiz - haben einen wichtigen Schritt hin zur Verwirklichung dieser Zauberei getan. Es wird erwartet, dass ihre Arbeit zur Entwicklung kommerzieller Anwendungen für die Quantenkommunikationstechnologie innerhalb der nächsten zehn Jahre beiträgt. Mit der Arbeit am QUREP-Projekt (Quantum repeaters for long distance fibre-based quantum communication), das mit 1,9 Mio. EUR von der Europäischen Kommission finanziert wird, gelangen dem Konsortium wichtige Schritte in Richtung eines Quantenrepeaters, der Quantensignale über größere Distanzen verbreitet, so dass die Langstrecken-Quantenkommunikation ein Stück näher an die Realität rückt. Dass Quantenkommunikation über kurze Distanzen möglich ist, wurde bereits nachgewiesen, aber die Möglichkeiten, verschränkte Photonen zuverlässig über größere Entfernungen zu trennen hatten bis jetzt gefehlt. Die QUREP Forscher haben durch die Entwicklung von Schlüsselkomponenten eines Quantenrepeaters wichtige Schritte zur Lösung des Problems bewältigt. Ein Quantenrepeater ist vergleichbar mit den heute in der herkömmlichen Kommunikation verwendeten Repeatern, er soll ein eingehendes Signal verstärken und auf der anderen Seite wiederholen, so dass das Signal auf seinem Weg nicht an Stärke verliert. "Quantenrepeater sind die elementaren Bausteine einer Langstrecken-Quantenkommunikation. Sie erfordern die Fähigkeit, eine Verschränkung über Dutzende von Kilometern zu verteilen, Quantenspeicher und -verschränkungsaustausch durch gemeinsame Messungen an zwei Photonen. Wir konzentrierten uns auf die Quantenspeicher, sie stellen die größte Herausforderung dar", erklärt Prof. Gisin. "Die Ergebnisse sind sehr ermutigend, obwohl feststeht, dass noch viel Arbeit vor uns liegt, bevor diese Technologie eine für die Industrialisierung geeignete Reife erreicht." Das Team entwickelte Festkörper-Quantenspeicher aus mit Ionen seltener Erden dotierten Kristallen, die ein Photon auf der Eingangsseite des Signals absorbieren und ein neues Photon mit identischen Verschränkungseigenschaften auf der anderen Seite emittieren. "Die Bandbreite von Quantenspeichern stellt eine große Herausforderung dar", so Prof. Gisin weiter. "Unsere Quantenspeicher haben, verglichen mit alternativen Ansätzen, eine relativ große Bandbreite. Trotzdem sind sie auf ein paar Hundert Megahertz (MHz) beschränkt. Daher war die Entwicklung von Quellen verschränkter Photonen mit kompatiblen Bandbreiten und hoher Stabilität eine unserer Herausforderungen. Indem wir diese überwanden, konnten wir die Verschränkung von zwei unserer Quantenspeicher zeigen." Bei Tests war das Team in der Lage, ein Signalphoton zum Speichern an den Kristall zu senden, während das spätere Photon zurückbehalten wurde. Das Signalphoton konnte dann in einem 50 Meter von der Gruppe für Angewandte Physik entfernten Labor erkannt werden; bei einer Messung zeigte sich mit absoluter Sicherheit das Messergebnis des späteren Photons. "Die Verwendung großer Gruppen von Ionen vereinfacht die Kopplung zwischen Photonen und Speicher sowohl zur Speicherung als auch zum Abruf beträchtlich. Und wir arbeiten bei etwa 3 Kelvin, eine Temperatur die mit den besten supraleitenden Single-Photonen-Detektoren relativ leicht erreichbar ist", erklärt Prof. Gisin. "Es gibt nicht viele Projekte, die die gesamte Technologie und das Knowhow vereinen, das erforderlich ist, um Quantenrepeater zu demonstrieren. Das QUREP-Projekt hat das auf jeden Fall geschafft." Aber bevor diese Technologie den Schritt aus dem Labor hin zu realen Anwendungen tun kann, müssen noch wichtige Herausforderungen bewältigt werden. "Es werden noch längere Speicherzeiten (bis zu einer Sekunde), eine höhere Effizienz (bis zu 80 %) und noch bessere Signalquellen benötigt. Aber selbst dann müssen noch die technischen Schwierigkeiten bewältigt werden, damit alles zusammen funktioniert", räumt Prof. Gisin ein. Mitglieder des Konsortiums, unter denen sich führende Forschungsinstitute und Unternehmen befinden, beabsichtigen, ihre Forschungstätigkeit im Bereich Quantenrepeater fortzusetzen um ggf. ihre Arbeit später kommerziell nutzen zu können. Um kommerzielle Anwendungen zu ermöglichen, sind nach dem QUREP-Koordinator eine Durchführbarkeitsdemonstration eines Quantenrepeaters zur direkten Kommunikation, sowie eine Feinanalyse für Vereinfachungen und die industrielle Umsetzung sowie niedrigere Entwicklungs- und Herstellungskosten erforderlich. "Ich denke, das ist alles machbar, aber die Physiker werden noch eine Weile brauchen", so Gisin weiter. "Die Kluft zwischen akademischer Forschung und industrieller Umsetzung ist enorm. Wir haben sicher einen großen Schritt zur Überbrückung dieser Kluft getan, aber es ist noch ein ähnlich großer Schritt erforderlich, bevor in einem technischen Projekt ein Produkt entwickelt werden kann. Beim ersten Schritt, den wir während des QUREP-Projekts bewältigt haben, haben wir die Herausforderungen genau erkannt, die noch überwunden werden müssen und hierfür erfolgversprechende Wege ermittelt." QUREP erhielt eine Forschungsförderung im Rahmen des Siebten Rahmenprogramms (RP7) der EU. Link zum Projekt auf CORDIS: - RP7 auf CORDIS - Datenblatt zum QUREP-Projekt auf CORDIS Link zur Projektwebsite: - Website des Projekts "Quantum repeaters for long distance fibre-based quantum communication" Weitere Links: - Website er Europäischen Kommission zur Digitalen Agenda