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Inhalt archiviert am 2022-12-02

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CORDIS-Interview mit Philippe Busquin

Schon sein kräftiger Händedruck zeugt von der konkreten Begeisterung, die von Philippe Busquin, dem neuen EU-Kommissar für Forschung, ausgeht. Er sieht jünger aus als 58 Jahre, und der Eifer, mit dem er seine neue Aufgabe angegangen ist, macht ihn sympathisch. Nach sieben schw...

Schon sein kräftiger Händedruck zeugt von der konkreten Begeisterung, die von Philippe Busquin, dem neuen EU-Kommissar für Forschung, ausgeht. Er sieht jünger aus als 58 Jahre, und der Eifer, mit dem er seine neue Aufgabe angegangen ist, macht ihn sympathisch. Nach sieben schwierigen Jahren als Vorsitzender der belgischen frankophonen Sozialisten scheint Herr Busquin die Herausforderung bei der EU offensichtlich zu genießen. Philippe Busquin bleiben zwar nur noch wenige Monate, um sich in sein Fachgebiet einzuarbeiten, doch er hat bereits mehrere Gebiete ausgemacht, in denen er sich engagieren will. In erster Linie ist dies die Einrichtung eines gemeinsamen Forschungsbereichs in Europa, der den Austausch von Informationen und Forschern fördern soll. "Was ich persönlich erreichen will, ist die Schaffung eines gemeinsamen Bereiches für die Forschung", so Herr Busquin. "Dies ist eine Möglichkeit, um das Forschungspotential zu erhöhen, und zwar nicht nur auf Kommissionsebene, sondern auch auf der Ebene der Mitgliedstaaten." "Forscher sollten die Möglichkeit haben, sich in anderen Ländern niederzulassen und dort zu arbeiten. Diesbezüglich bestehen jedoch Probleme aufgrund der unterschiedlichen Finanz-, Steuer- und Bildungssysteme. Wir müssen sehen, wie wir die Bedingungen schaffen, damit gute Forscher überall in Europa verfügbar sind." "In bestimmten Bereichen können wir z.B. Spitzentechnologie-Zentren einsetzen und sicherstellen, daß die europäischen Forscher innerhalb Europas mobiler sind. Wenn Forscher die Wahl zwischen zwei gleichwertigen Spitzentechnologie-Zentren haben, entscheiden sie sich sehr oft für ein Spitzentechnologie-Zentrum in den Vereinigten Staaten statt für eins in Europa. Wir müssen herausfinden, warum dies so ist, und wie wir dieses Problem lösen können." Eine Herangehensweise an dieses Problem ist laut Herrn Busquin, eine bessere Information der Öffentlichkeit über die Forschung sicherzustellen. "Ich glaube, daß die europäische Öffentlichkeit sich der Bedeutung der Forschung noch nicht ganz bewußt ist, und dies gilt für alle Mitgliedstaaten. Hier liegt eine der Aufgaben von CORDIS - CORDIS und neue Technologien wie das Internet können in allen Ländern eingesetzt werden, um sicherzustellen, daß die Menschen Informationen erhalten, z.B. über KMU, Universitäten und Spitzentechnologie-Zentren." Nur vier Prozent der europäischen Forschungsmittel werden auf EU-Ebene vergeben, und der EU-Kommissar für Forschung ist sich bewußt, daß die Möglichkeiten der Kommission begrenzt sind. Er sagte dazu: "Die Kommission alleine schafft dies nicht. Wir müssen auf europäischer Ebene zusammenarbeiten, z.B. mit Universitäten und anderen Beteiligten." "Wenn die Europäische Kommission die Aufgaben der Mitgliedstaaten übernehmen würde, würde das deren Qualität vermindern, wohingegen wir diese Qualität verbessern müssen. Die Kommission verleiht der Forschung einen Mehrwert, sie darf aber nicht die Aufgaben einzelner Mitgliedstaaten übernehmen. Dies ist das Prinzip der Subsidiarität. Die Aufgabe der Kommission ist, die verschiedenen Ebenen zusammenzubringen und die Kooperation untereinander zu fördern." Europa muß bei Forschungsprojekten zusammenarbeiten, wenn es den Wettbewerb mit den USA aufnehmen will, die hier gewöhnlich einen Vorsprung haben. Neben den verstärkten Bemühungen für Partnerschaften beabsichtigt Herr Busquin, die Anzahl der Wissenschaftler je 1.000 Einwohner zu erhöhen sowie die Abwanderung von Wissenschaftlern in die USA einzudämmen. Er räumt ein, daß dazu der Status der Wissenschaftler verbessert werden müsse. Zudem müßten Probleme wie die Arbeitsbedingungen und das geistige Eigentumsrecht gelöst werden. "Die Humanressourcen und das menschliche Forschungspotential sind vorhanden. Wir haben gute Wissenschaftler an unseren Universitäten, aber die Menschen sind sich dieses Potentials nicht bewußt, und es wird nicht genutzt. Die Vereinigten Staaten hingegen sind sich ihrer Stärken bewußt." Dies ist eine Aufgabe, die alle europäischen Institutionen übernehmen müssen; Herr Busquin hat wiederholt versichert, mit dem Parlament und dem Rat zusammenzuarbeiten. "Die Forschung besitzt auch eine politische Dimension, und dies muß in Gesprächen mit dem Parlament und dem Ministerrat zur Sprache kommen." Ein weiteres Hauptanliegen sieht der Forschungskommissar in der Förderung der Attraktivität der Wissenschaft für Jugendliche. Schüler und Studenten sollten nach seiner Auffassung mehr wissenschaftliche Fächer an ihrer Lehranstalt belegen; darüber hinaus wünscht Herr Busquin sich ein besseres allgemeines Verständnis. "Wir müssen darauf hinarbeiten, daß Europa Geschmack an den Wissenschaften bekommt", sagte er. "Meine Generation zeigte in den späten 50er und frühen 60er Jahren echte Bereitschaft für eine Forscherkarriere. Heutzutage hat die Wissenschaft sehr oft einen schlechten Beigeschmack, da überall nur vom Rückgang der Ozonschicht, Lebensmitteltests, Klimaveränderungen, der Umwelt usw. die Rede ist. Ich finde, daß wir der Wissenschaft wieder zu ihrem positiven Image verhelfen müssen, da meiner Meinung nach Wissen gleichbedeutend mit mehr Demokratie ist." "Ich begrüße solche Initiativen wie den Wettbewerb für junge Wissenschaftler, der kürzlich in Thessaloniki (Griechenland) stattfand. Dort haben junge Wissenschaftler sich getroffen, um ihre Forschungsprojekte vorzustellen", sagte er. Zu diesem Zeitpunkt überwältigte ihn sein Enthusiasmus, und er begann eine lange, ausführliche Beschreibung des Wettbewerbs und der daraus hervorgegangen, positiven Ergebnisse. Er kann zwar auf eine zwanzigjährige Karriere in der Politik zurückblicken, doch Herrn Busquins Wurzeln liegen in der Wissenschaft, so daß er von sich behauptet, in all diesen Jahren die Forschung aufmerksam beobachtet zu haben. "Ich bin sowohl Wissenschaftler als auch Politiker", wie er sagt. Er wurde in Feluy bei Nivelles geboren und studierte Physik an der Freien Universität Brüssel (ULB); danach absolvierte er ein Aufbaustudium in Philosophie und Umweltwissenschaften. Er war neun Jahre lang an der ULB als naturwissenschaftlicher Dozent tätig und wurde zum Fachmann der Sozialistischen Partei für Wissenschaftsfragen. Als EU-Kommissar für Forschung tritt Philippe Busquin in die Fußstapfen seines belgischen Landsmanns Etienne Davignon, der das Erste Rahmenprogramm einführte. Da sie aus einem relativ kleinen Land stammen, sind sich beide der Vorteile bewußt, die aus der Zusammenarbeit mit anderen europäischen Nationen entstehen, und in diesem europäischen Bewußtsein sieht Herr Busquin eine seiner wichtigsten Qualitäten für seine Aufgabe. "In erster Linie bedarf es eines starken europäischen Willens", so Philippe Busquin. "Man muß darauf achten, daß man über seine nationale Perspektive hinausblickt. Dies bedeutet nicht, daß man sie vernachlässigt, sondern darüber hinausgeht."

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