Estland: Gedanken eines Beitrittskandidaten zur zukünftigen europäischen Forschungspolitik
Estlands Reaktionen auf die Mitteilung der Europäischen Kommission zum Europäischen Forschungsraum (EFR) sowie auf deren Vorschlag, diesen durch das nächste Rahmenprogramm für Forschung zu verwirklichen, sind jetzt veröffentlicht. Als Beitrittskandidat zur Europäischen Union fügt Estlands Bewertung der Pläne der Kommission, die Forschung in Europa zu öffnen und besser zu integrieren, zu den bisher von den EU-Mitgliedstaaten erhaltenen Reaktionen eine weitere Perspektive hinzu. "Eine Verbesserung der Integration der Beitrittskandidaten in den Europäischen Forschungsraum erfordert . eine stärkere Beteiligung [der] Beitrittskandidaten an dem Entscheidungsfindungsprozess", heißt es in den Reaktionen Estlands. Ein Schritt in diese Richtung könnte die Öffnung der CREST-Treffen für Beobachter aus den Beitrittsländern sowie sonstiger konsultativer Bereiche sein, so ein Vorschlag. Es wird bekundet, dass das Land bisher eine weitgehend positive Erfahrung mit dem EU-Rahmenprogramm gemacht hat. "Wir verweisen insbesondere auf eine problemlose Anpassung unserer Forscher für die spezialisierten Programme des Typs PECO-Copernicus an die Vollbeteiligung an dem Fünften Rahmenprogramm (RP5). Zudem wurden Maßnahmen ergriffen, um eine erheblich höhere Beteiligung unserer KMU zu erreichen...die Entwicklung von Innovationstätigkeiten und die Förderung technologieorientierter KMU und einer besseren Infrastruktur für nationale und internationale Zusammenarbeit "sind von besonderem Interesse für die Wirtschaft Estlands". Estlands Hauptsorge gilt jedoch den Beschäftigten. "Die wichtigste Grundlage für eine FTE-Entwicklung in Estland ist die Präsenz von qualifizierten Humanressourcen", so Estland. "Beim Fünften Rahmenprogramm gab es gewisse Beschränkungen für Forscher aus Beitrittskandidaten, die im nächsten Rahmenprogramm beseitigt werden müssten". Maßnahmen wie beispielsweise Marie-Curie-Gaststipendien sollten nach Ansicht Estlands auch für Organisationen aus Beitrittskandidaten geöffnet werden und die Marie-Curie-Gaststipendien für Entwicklung sollten ebenfalls auf diese Regionen ausgedehnt werden. "Auch im Hinblick auf die einzelnen Marie-Curie-Stipendien sollten sich junge Forscher aus assoziierten Ländern bewerben können, wenn die gastgebende Organisation in einem anderen assoziierten Land ansässig ist", wird in der Stellungnahme hinzugefügt. "Durch die derzeitigen Beschränkungen der Mobilität zwischen assoziierten Ländern selbst fällt die Hälfte der [Möglichkeiten] für Stipendiaten aus assoziierten Ländern weg, was nicht angemessen erscheint". Die Hauptaktivitäten des Rahmenprogramms hätten eine bedeutende Auswirkung auf die Integration der eigenen Forschung Estlands in die im RP5 festgelegten Prioritäten gehabt. "Jedoch sind nach unserer Meinung die in den thematischen Programmen dargelegten Prioritäten zu eng gefasst und nicht flexibel genug, um neuen Herausforderungen zu begegnen. Estland heißt eine allgemeine Politik zur Verstärkung der Auswirkungen der Grundlagenforschung im RP6 (das nächste Rahmenprogramm) willkommen, da sie die Nachhaltigkeit einer innovativen und nach Neuheiten strebenden Atmosphäre verbessert, die in den europäischen FTE-Unternehmen im Allgemeinen erheblich gefördert werden muss". Im Sinne des EFR ist Estland bereit, konkretere Schritte zur Öffnung seiner eigenen horizontalen Forschungsprogramme zu unternehmen. "Wir sind daran interessiert, mit der Kommission darüber zu diskutieren,...was die besten Möglichkeiten wären, das estnische Programm "Gene Heritage" für Forscher aus den Mitgliedstaaten (und Dritte im Allgemeinen) zu öffnen", wird beispielsweise angeführt. Estland begrüßt die Entscheidung der Kommission, mehr Nachdruck auf mehr langfristige und ehrgeizige Großprojekte zu legen, und macht folgenden Vorschlag: "Die Auswahl von eindeutig gerechtfertigten Prioritäten für Großprojekte und die Durchführung von Großprojekten sollten so organisiert sein, dass sie keine innovativen Aktivitäten untergraben und nach Neuheiten auf einer Ebene von Forschungsgruppen suchen... Es ist sehr wichtig, dass die Initiierung von Großprojekten nicht die [...] Bedeutung von kleinen und mittleren Projekten gefährdet". Nach Ansicht Estlands müssen großangelegte Infrastrukturen wie GRID zentral umgesetzt werden. Jedoch zum Aufbau horizontaler Zusammenarbeit "[bietet] ein regionaler Ansatz wahrscheinlich einen natürlichen Anfang und bringt aller Wahrscheinlichkeit nach schneller konkrete Ergebnisse". Estland begrüßt auch die Pläne, Spitzenforschungsnetze zu entwickeln, und teilt mit, dass es dieses Konzept auch in seine nationalen FTE-Organisations- und Finanzsysteme integriert hat. "Was die Forschungsinfrastrukturen anbelangt", fährt es fort, "möchten wir, dass die Kommission ihre führende Rolle beim Aufbau europäischer Informationsnetze für Forschung beibehält. GRID-ähnliche Konzepte sollten schnell entwickelt werden". Es fügt insbesondere hinzu, dass Estland großen Nutzen in der Förderung virtueller Spitzenforschungszentren sieht. "Ein schneller Aufbau eines gemeinsamen europäischen Bildungs- und Forschungsnetzes sollte als eine der Top-Prioritäten angesehen werden", so Estland. "Der Kernpunkt stellt dabei eine schnelle Verbesserung der Netzqualität... zu einem angemessenen Preis dar. Estland ist bereit und gewillt, die entsprechende Finanzierung zu diskutieren, und erwartet, dass bei der langfristigen Planung die Kommission die Führung bei diesem essentiellen Punkt übernimmt". Bezüglich des Themas der Vernetzung der Spitzenforschung wies Estland weiterhin darauf hin, dass eindeutige Verfahren und Kriterien zur Unterscheidung zwischen einem gemeinsamen Forschungsprojekt unter einem Rahmenprogramm und einem Projekt eines Spitzenforschungszentrums benötigt werden. Für kleine Länder wie Estland sei eine koordinierte Durchführung von nationalen und europäischen Forschungsprogrammen besonders wichtig. "Das Hauptproblem liegt in der Verwendung von nationalen öffentlichen Ressourcen für länderübergreifende Finanzierungen". Estland drängt darauf, dass dieses Problem angegangen wird. Als Beitrittskandidat begrüßt Estland die Vorschläge der Kommission, die Strukturfonds mit den von den Rahmenprogrammen bereitgestellten FuE-Fonds zu kombinieren. Gleichwohl bittet das Land die Kommission, "bei der Förderung von Regierungen, diese Fonds in Richtung Entwicklung von Forschungs- und Entwicklungskapazitäten und Innovation im Allgemeinen zu lenken, flexibel... und pro-aktiver zu sein". "Oder aber ein SRIDE-ähnliches Programm könnte eine Diskussion wert sein, da durch ein spezialisiertes Instrument wie dieses Programm eine verbesserte Modernisierung der FuE-Infrastrukturen ermöglicht würde, ohne dass man mit vielen ihrer Bedürfnisse in Konflikt und im direkten Wettbewerb steht". Die estnische Regierung hat eine eigene interne Debatte über die Rolle der technologischen Entwicklung für die Zukunft des Landes angefacht und dazu aufgefordert, den Anteil von FTE an seinem BIP zu erhöhen und die Zielsetzungen stärker zu bündeln. "Estland sieht, dass auf von der Kommission und der EU im Allgemeinen ergriffene Maßnahmen eine geeignete schrittweise Reaktion folgen muss, und zwar hier in Estland". "Der reelle EFR ist kein Abstraktum", schlussfolgert Estland. "Bei der Entwicklung des EFR müssen viele gleichbedeutende Aspekte unter einen Hut gebracht werden".