Seismische Einblicke in das Erdinnere
Die seismische Tomographie kann mit der von Ärzten verwendeten computergestützten Tomographie verglichen werden, welche zur Untersuchung von Organen im menschlichen Körper genutzt wird, um eine Operation zu umgehen. Anstelle von Röntgenstrahlen erstellen die Wissenschaftler basierend auf Geschwindigkeitsveränderungen seismischer Wellen, welche sich durch die Erde bis zur Oberfläche schaffen, Bilder des Erduntergrunds. Seismometer können Bodenbewegungen von oben nach unten und von links nach rechts erkennen, die 1.000 Mal geringer als die Breite eines Menschenhaares sind. Über Fördermittel des JIBSA-Projekts verwendeten Geowissenschaftler digitale Erdbebenaufzeichnungen von mehreren hundert Seismometern in ganz Europa, um hochauflösende Bilder des kontinentalen Erduntergrunds zu erstellen. So wie es viele Möglichkeiten gibt, den Körper eines Patienten bildlich zu erfassen (Röntgen-, Ultraschall- und Magnetresonanzbilderzeugungen), gibt es viele Möglichkeiten, eine seismische Tomographie durchzuführen. Eine Methode setzt damit an, dass bestimmte Teile von Seismogrammen wie etwa die ersten Druckwellen oder die ersten Scherwellen ausgewählt werden, um die tektonischen Platten und den Erdmantel abzubilden. Über moderne Bodenbewegungsmessungen können allerdings größere Datensätze erstellt werden. Die JIBSA-Wissenschaftler nutzen ein weitaus breiteres Spektrum des seismischen Wellenfelds, um eine detailliertere Ansicht des Erdinneren zu erhalten. Die neu entwickelte Toolbox ObspyDMT(öffnet in neuem Fenster) ermöglichte eine Reduzierung der für die Identifizierung einer Vielzahl von Wellenformen erforderlichen Berechnungen. Über Seismogramme abgerufene Wellendaten wurden daraufhin in das europäische Mantelmodell eingespeist, welches jede Welle, die sich vom Epizentrum des Erdbebens entfernt, simuliert. Identifizierte Unterschiede (über einen Vergleich der „künstlichen“ Seismogramme mit echten Seismogrammen) wurden wieder in das System eingespeist. Bis zum Abschluss des JIBSA-Projekts hatten die Wissenschaftler unter Verwendung ergänzender Informationen zu Oberflächenwellen, welche sich ihren Weg durch die Kruste bahnen, eine Studie zur unterirdischen Erdstruktur Europas fertiggestellt. Es wurde angenommen, dass sich aus Signalgeschwindigkeit und Phasengeschwindigkeit von Love-Wellen und Rayleigh-Wellen das radiale und azimutale Profil ableitet. Die seismische Tomographie zeigte Geowissenschaftlern, dass das Erdinnere eine größere Komplexität aufweist, als eine einfache Sphäre mit Schichten, die in Kruste, Mantel und Kern unterteilt ist. Das neue Set an Bildern, das den unter tektonischen Platten subduzierten Mantel und Schichten ansteigenden heißen Magmas zeigt, wird das geowissenschaftliche Verständnis über das Funktionieren der Erde verändern.
Schlüsselbegriffe
Erdinnere, seismische Tomographie, Seismogramme, Lithosphäre, Mantel