Ein neuer Code für Möglichkeiten der Entbindung
Die letzten Jahre verzeichnen eine zunehmende Medikalisierung bzw. Technisierung unter der Entbindung, vor allem bei den immer häufigeren Kaiserschnitten. Dies in Kombination mit der starken Einflussnahme auf die Geburtswehen gab den Anstoß für die vorliegende Studie und die Suche nach Alternativen. Das EU-finanzierte Projekt CODEONBIRTH (An intercultural and ethical code on birth. A dialogue between institutional directives and women's needs) untersuchte in drei europäischen Ländern die Praxis bei Entbindungen außerhalb des Krankenhauses (Hausgeburt und Geburtshaus). Der Schwerpunkt lag dabei auf der Diskrepanz zwischen Bedürfnissen und Erwartungen der Frauen und den tatsächlichen Gegebenheiten der medizinischen Versorgung. Die Studie analysierte den offiziellen medizinischen, geburtshilflichen und gesundheitspolitischen Diskurs, verglich geburtshilfliche Maßnahmen und Praktiken bei Entbindungen außerhalb des Krankenhauses und dokumentierte Erfahrungen und Einstellungen von Hebammen und Frauen im Zusammenhang mit Hausgeburten und Geburtshäusern. Hierfür wurden mehrere Studien der Weltgesundheitsorganisation und Fallstudien zu Geburtshäusern und häuslicher Hebammenhilfe in Italien, Spanien und den Niederlanden gesichtet. Zudem fanden in den drei Ländern ausführliche Interviews mit Frauen statt, die zuhause entbunden hatten, sowie mit Schwangeren, die die Entbindung im Krankenhaus vorziehen. Unter den insgesamt 81 Beteiligten waren u.a. Gesundheitsexperten, Hebammen und Gynäkologen. Dabei stellte sich das Konzept Achtung und Respekt als wichtigster Einflussfaktor bei den unterschiedlichen Herangehensweisen an Körper, Gesundheit und Geburt dar. Auch wurde die Kommunikation zwischen Hebammen, Medizinern und Frauen, die sich für eine Hausgeburt entscheiden, als mangelhaft bewertet. Bei Frauen mit niedrigem Komplikationsrisiko gilt die Krankenhausentbindung nicht als sicherste Alternative, vor allem wegen der vielen unnötigen medikamentösen Interventionen und der befürchteten unpersönlichen und achtlosen Krankenhausumgebung. Die wichtigste Schlussfolgerung lautet, dass die Erfahrungen von Hebammen und jenen Frauen, die nicht im Krankenhaus entbunden hatten, dazu beitragen können, dass auch im Krankenhaus ein physiologischer und respektvollerer Umgang mit Entbindung möglich ist. Hierfür muss allerdings ein Umdenken in der Geburtshilfe stattfinden, indem der Fokus stärker auf die Bedürfnisse von Frauen und Neugeborenen gerichtet wird. Die vorliegende Studie kann damit die gesellschaftliche Wahrnehmung von Risiken und Vorteilen aller Entbindungsalternativen wie auch die Kommunikation zwischen Institutionen und Bürgern fördern.
Schlüsselbegriffe
Geburt, Kaiserschnitt, Hausgeburt, Geburtshaus, Hebammen, Schwangere