Neurochemische Prozesse im Belohnungs- und Bestrafungssystem
Verhaltensreaktionen auf Belohnung und Bestrafung sind Grundvoraussetzung für Lernen, Erwerb von Fähigkeiten und Sozialisation. Mittels Neuroimaging konnten bereits wichtige Informationen zum neuronalen Netzwerk ermittelt werden, das das Belohnungsverhalten steuert. Die Analysen zeigten, dass bei der Belohnung durch Essen und Non-Food-Stimuli der orbitofrontale Kortex aktiviert wird, obwohl diese appetitiven Reize bislang noch unzureichend kartiert sind. Ausgangsthese des EU-finanzierten Projekts REWARDING THE TONGUE (Carmelo M Vicario reward and punishment: what somatosensory intra-oral activity can tell about the value of goods) war daher, dass Signale an die Mittelhirnregionen als Reaktion auf Belohnung und Bestrafung von der Zunge und insbesondere den intraoralen Muskeln ausgehen. Um dies zu untersuchen, wurden die von der Zunge ausgehenden Signale bei Probanden mehrerer Gruppen aufgezeichnet, die verschiedene Belohnungs-/Bestrafungsszenarien erlebten (finanzielle Belohnung bzw. Verlust oder angenehme bzw. ekelerregende Erlebnisse). Den Ergebnissen zufolge reagiert die Zunge stark auf aversionsbedingte Ereignisse wie sozialen oder moralischen Ekel. Dies war bei Belohnung allerdings zu beobachten – außer bei Essenslust. Diese direkte Verbindung zwischen Zunge und Belohnungssystem beim Menschen ähnelt der nichtmenschlicher Primaten. Weiterhin lieferten die Projektergebnisse interessante Einblicke zur aktuellen Debatte um die Entstehung von Moral und sehen einen möglichen Zusammenhang mit der Entwicklung von sensorischem (primären) Ekel. Vor allem wurde die Existenz einer funktionalen Verknüpfung zwischen Zungenbereich und Belohnungssystem enthüllt, die von klinischer Relevanz sein und Aufschluss über Krankheiten geben könnte, die durch Störungen im Belohnungssystem entstehen wie Essstörungen, Spielsucht oder Alkoholmissbrauch.
Schlüsselbegriffe
Belohnung, Bestrafung, Zunge, orbitofrontaler Kortex, intraoraler Muskel