Prozesse im Sprachverständnis bei türkischsprachigen Kindern
Es ist bekannt, dass Kinder bis zum Alter von vier bis fünf Jahren mit wenig Mühe das meiste verstehen können, was ihnen gesagt wird. Nicht viel bekannt ist darüber, auf welche Weise die Kinder das schaffen. In den letzten 15 Jahren sind Verfahren für die Untersuchung des Moment-zu-Moment-Verständnisses bei Kleinkindern erschaffen worden. Eine derartige Technik ist das Visual World Eye-Tracking. Die Position des Auges bietet einen Index für den Aufmerksamkeitsgrad in Hinsicht auf den visuellen Kontext und die gesprochene sprachliche Anregung. Diese Methode funktioniert bei Tests mit Kindern gut, da bei ihr als Maß ein spontanes Verhalten eingesetzt wird. Das von der EU finanzierte Projekt DEV LANG COMPRHNSN (Development of spoken language comprehension processes in a verb-final language: Incremental interpretation of case marking cues in Turkish speaking children) war die erste Untersuchung, bei der man das Visual World Eye-Tracking-Paradigma mit türkischsprachigen Kindern anwendete. Das Team prüfte, ob Kinder morphosyntaktische Hinweise schrittweise interpretieren können. Das gestattet die Erfassung des Punkts, an dem ein bestimmter Hinweis durch die Verwendung natürlicher Sätze gedeutet wird. Es wurden etliche experimentelle Studien durchgeführt, um zu untersuchen, wie ein Kleinkind, das eine Verb-Endsprache wie Türkisch oder Deutsch erlernt, gesprochene Äußerungen mit verschiedenen Strukturen interpretiert. In den anfänglichen Versuchen wurde betrachtet, ob Türkisch oder Deutsch lernende Vierjährige Fallmarkierungsstichwörter deuten können, die das Verb als Satzendelement lokalisieren. Gemäß den Resultaten früherer Studien können Kinder bis zur späten Kindheit keine Fallmarker in Sätzen mit einleitendem Objekt deuten. Mit türkischsprachigen Kindern wurden drei weitere Versuche durchgeführt, um festzustellen, ob sie den Gegensatz zwischen den Fallmarkern deuten können. Im Einzelnen wollte die Studie überprüfen, ob Vorschulkinder in der Lage sind, Bedeutungsbeschränkungen zu interpretieren, die durch den Akkusativ- und den Ablativfall auferlegt werden. DEV LANG COMPRHNSN erkundete zudem, ob Kinder mündliche Morpheme unabhängig von der Identität der Substantive und unabhängig von den Fallmarkierungsmerkmalen von Kleinkindern inkrementell deuten. Die Erkenntnisse können für Kognitionswissenschaftler, theoretische Linguisten, Computerlinguisten, Entwicklungspsychologen, Lehrkräfte, Erzieher, pädagogische Therapeuten, klinische Wissenschaftler, Eltern und politische Entscheidungsträger von Nutzen sein.
Schlüsselbegriffe
Sprachverständnis, Kinder, Blickregistrierung, Eye-Tracking, DEV LANG COMPRHNSN, Verb-Endsprache