Kommission drängt übrige Mitgliedstaaten zur Umsetzung der Richtlinie über den Schutz biotechnologischer Erfindungen
Die Europäische Kommission hat in Gesprächen mit Vertretern der Mitgliedstaaten versucht, die Anstrengungen zur Umsetzung der Richtlinie 98/44 über den Schutz biotechnologischer Erfindungen sowie die Bemühungen in Bezug auf die Arbeit einer neuen Expertengruppe zu bewerten. Die Sitzung, die am 28. Januar mit Blick auf ein Vertragsverletzungsverfahren stattfand, war die dritte Gelegenheit für die Mitgliedstaaten, die politischen und technischen Hindernisse zu erläutern, die der Umsetzung der Richtlinie in nationale Gesetze und Verordnungen noch im Wege stehen. Derzeit haben nur sechs Mitgliedstaaten die Frist vom 30. Juli 2000 eingehalten und die Richtlinie umgesetzt. Im Dezember 2002 forderte die Kommission Deutschland, Österreich, Belgien, Frankreich, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Portugal und Schweden förmlich auf, Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie zu ergreifen, da sie andernfalls den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften anrufen müsste. "Solange die Richtlinie aus dem Jahr 1998 nicht vollständig umgesetzt ist, sind dem europäischen Biotechnologiesektor die Hände gebunden; er wird folglich immer weiter zurückfallen", kommentierte Binnenmarktkommissar Frits Bolkestein. Forschungskommissar Philippe Busquin erkannte die Schwierigkeit der Aufgabe an, betonte jedoch auch die Notwendigkeit einer schnellen Umsetzung der Richtlinie. "Damit Europa Spitzenleistungen in der Biotechnologie erbringen kann, brauchen wir ein robustes europäisches System zum Schutz biotechnologischer Erfindungen." Während der Sitzung begrüßten die Mitgliedstaaten die Orientierungslinien eines Berichts der Kommission mit dem Titel "Entwicklung und Auswirkungen des Patentrechts im Bereich der Biotechnologie und der Gentechnik". Die Diskussionen konzentrierten sich auf die zentralen Kapitel des Berichts: Patentierbarkeit von Pflanzen und Tieren, Patentierbarkeit von isolierten Bestandteilen des menschlichen Körpers sowie Ausnahmen von der Patentierbarkeit. Während es von größter Bedeutung sei, die Richtlinie rasch umzusetzen, wies Kommissar Bolkestein erneut auf die Notwendigkeit hin, "ein waches Auge auf dieses dynamische Fachgebiet zu halten und sicherzustellen, dass die europäischen Rechtsgrundlagen mit den technischen und rechtlichen Entwicklungen Schritt halten". Vor diesem Hintergrund informierte die Kommission die Vertreter auf der Sitzung über die Ergebnisse der ersten Sitzung der Expertengruppe: Die Kommission hat diese Gruppe kürzlich eingerichtet, um sich wesentlichen Fragen im Zusammenhang mit biotechnologischen Erfindungen zuzuwenden. Sie wird die Aufgabe haben, die Kommission bei der Erstellung künftiger Jahresberichte über die Entwicklung und die Auswirkungen des Patentrechts im Bereich der Bio- und Gentechnologie zu unterstützen. Die Gruppe setzt sich aus namhaften Experten zusammen. Unter ihren Mitgliedern finden sich Fachleute des Patentwesens und der Patentpraxis, ferner Rechtssachverständige, Wissenschaftler sowie Vertreter des Europäischen Patentamts und der Weltorganisation für geistiges Eigentum. Die gemischte Zusammensetzung der Gruppe soll gewährleisten, dass alle wesentlichen Aspekte behandelt und die einzelnen damit zusammenhängenden Politikbereiche sowie die Anliegen der verschiedenen Interessenträger berücksichtigt werden. Die Kommission betont, dass die Gruppe sich nicht mit Ethikfragen befassen werde, wofür die Europäische Ethikgruppe zuständig sei, sondern mit rechtlichen und technischen Aspekten und der Frage, wie sich die Rechtsgrundlagen zum einen und der Europäische Forschungs- und Innovationsraum zum anderen gegenseitig beeinflussen. Die Expertengruppe soll in den kommenden Monaten über den Schutzumfang von Gensequenzen bzw. Teilsequenzen, die aus dem menschlichen Körper isoliert wurden, sowie über die Patentierbarkeit von menschlichen Stammzellen bzw. daraus hergestellten Zellreihen diskutieren. Die Berichte über die Sitzungen werden der Kommission zur weiteren Diskussion vorgelegt und gegen Ende des Jahres zusammen mit dem Anwendungsbericht 2003 der Kommission veröffentlicht. "Ich vertraue darauf, dass wir und die Mitgliedstaaten mit Unterstützung der Expertengruppe sicherstellen können, dass die Richtlinie der Forschung, der Innovation und dem öffentlichen Interesse dient und nicht etwa gegen sie arbeitet", sagte Busquin abschließend.