Kommission startet eine Überprüfung des Systems der wissenschaftlichen Veröffentlichungen in Europa
Am 15. Juni hat die Kommission eine Untersuchung des Markts für wissenschaftliche Veröffentlichungen in Europa gestartet, um "die Bedingungen zu ermitteln, die für einen optimalen Betrieb dieses Sektors erforderlich sind". Nach der Ermittlung der Bedingungen, die den Zugang zu den veröffentlichten wissenschaftlichen Forschungen und ihren Austausch verbessern könnte, wird die Studie Wege vorschlagen, durch die die Kommission die Erreichung dieses Ziels unterstützen kann. Weltweit gibt es etwa 20.000 wissenschaftliche Zeitschriften, in denen jährlich etwa 1,5 Millionen Artikel veröffentlicht werden. Europa ist hier als Quelle für 41,3 Prozent aller wissenschaftlichen Artikel führend, aus den USA stammen vergleichsweise 31,4 Prozent. Aber Europa verzeichnet hinsichtlich der Referenzen, die als besserer Leitfaden für die Qualität der Forschung angesehen werden, einen Rückstand gegenüber seinem Hauptwettbewerber. Der EU-Kommissar für Forschung, Philippe Busquin, meinte: "Die Art und Weise der Organisation des Markts für wissenschaftliche Veröffentlichungen hat Auswirkungen. Wissenschaftliche Veröffentlichungen dienen nicht nur der Verbreitung von Forschungsergebnissen, sondern sie bilden auch ein Instrument für die Bewertung der Qualität der Forschungsteams." "Unser Ziel der Schaffung eines echten Europäischen Forschungsraums und das Ziel, das Profil der europäischen Forschung zu stärken, bedeuten, dass wir das System der wissenschaftlichen Veröffentlichungen untersuchen müssen", erklärte er. Laut der Kommission wird sich diese Untersuchung mit den Hauptthemen der derzeitigen öffentlichen Diskussion über die Veröffentlichung von Forschungsergebnissen befassen. Gemäß dem herkömmlichen Geschäftsmodell für wissenschaftliche Zeitschriften entstehen den Fortschern für die Überprüfung durch Kollegen und die Veröffentlichung ihrer Ergebnisse keine Kosten. Die Kosten für die Veröffentlichung werden vielmehr durch Abonnementsgebühren für die Institutionen und Personen gedeckt, die Zugang zu dem Material haben möchten. In den letzten Jahren jedoch tauchte das Argument auf, dass ein solches System veraltet, unnötig und ungerecht sei, und dies nicht zuletzt bezüglich der öffentlich bezuschussten Forschung, und der "offene Zugang" zu den Ergebnissen ist zu einem heißen Thema geworden. Initiativen wie diejenige der Public Library of Science (PLoS), die 2003 damit begann, online hochwertige Forschungsergebnisse kostenlos und ohne Zugangsbeschränkung zu veröffentlichen, haben die Debatte noch dringlicher gemacht. Dr. Patrick Brown von der Universtität Stanford ist einer der Mitbegründer der PLoS. Er vergleicht die Rolle der wissenschaftlichen Zeitschriften mit der einer Hebamme, die eine wichtige Rolle dabei spielt, Forschungsergebnisse "zur Welt zu bringen". "Genau wie die Hebammen, die sich ihren Lebensunterhalt verdienen können, ohne Eigentum an oder Kontrolle über die geborenen Kinder zu fordern, können und sollten die Veröffentlicher von den Sponsoren der Forschung mit einem fairen Preis dafür bezahlt werden, dass sie für die Überprüfung durch Kollegen, die Herausgabe und Verbreitung der Ergebnisse sorgen. Aber sie dürfen das Baby - unser Baby - nicht besitzen und kontrollieren." Bei der PLoS sind es die Forscher selbst, die die Kosten für die Veröffentlichung decken, oder es ist in der Regel eher die staatliche oder private Institution, die die Forschung finanziert hat. Derzeit belaufen sich die Kosten auf etwa 1.500 US-Dollar (1.200 Euro) pro Artikel. Dadurch kann die PLoS online alle Ergebnisse ohne zusätzliche Kosten zur Verfügung stellen, was ihrer Meinung nach besser die relativen geringen Kosten der Verbreitung durch Nutzung der heutigen Informationstechnologien im Vergleich zu den gedruckten Zeitschriften widerspiegelt. Doch nicht alle sind der Meinung, dass das Modell der PLoS ideal ist. Der Chefherausgeber der Zeitschrift Science, Professor Donald Kennedy, argumentiert, dass in gut unterstützten Forschungsbereichen wie beispielsweise der Biologie (derzeit Hauptschwerpunkt der PLoS) das Modell, nach dem der Autor bezahlt, plausibel ist, dies jedoch große Herausforderungen für kleinere und nicht so gut unterstützte Bereiche bedeutet. Professor Kennedy warnt auch davor, dass die PLoS mit zunehmender Etablierung mehr und mehr Beiträge erhält, und ihr Geschäftsmodell dadurch unterstützt wird. "Das liegt daran, dass es fast genau so viel kostet, einen Beitrag verantwortungsvoll zurückzuweisen, wie ihn zu akzeptieren. Je höher die Zurückweisungsquote, desto höher werden die Ausgaben, die durch die festen Einnahmen des Autorenhonorars gedeckt werden müssen." Er fügt hinzu, dass das Angebot eines Nachrichtendienstes auf der Grundlage der wissenschaftlichen Erkenntnisse für diejenigen außerhalb der Unterdisziplin, wie dies Praxis bei vielen Zeitschriften ist, zusätzliche Kosten verursachen wird. Es scheint sich jedoch eine Unterstützung für das Modell des offenen Zugangs herauszukristallisieren, und im Oktober 2003 haben Vertreter einiger führender europäischer Forschungsinstitute die "Berliner Erklärung über den offenen Zugang zu Kenntnissen in Wissenschaft und Geisteswissenschaften" verabschiedet. Durch Fragen wie "Welches sind die wichtigsten Veränderungen in Europa?", "Was und wer betreibt diese Veränderung und warum?", "Gibt es einen Widerstand gegen positive Veränderung und wenn ja, wer blockiert diese?" und "Wie sehen die Konsequenzen für die Nutzer aus?" hofft die Kommission, dass die Umfrage einen wichtigen Beitrag zur aktuellen Diskussion liefern wird. Die Ergebnisse der Studie werden für 2005 erwartet.