Niederländische Präsidentschaft schlägt vor, die europäische IKT-Agenda neu zu durchdenken
In einem neuen Bericht, der von der niederländischen EU-Präsidentschaft beauftragt wurde, wird die Überarbeitung der Strategie im Bereich Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) in Europa gefordert. Dabei wurden zehn 'Durchbrüche identifiziert, mit denen die EU die weltweit führenden IKT-Unternehmen einholen soll. In einem Vorwort des Berichts erläutert der niederländische Minister für Wirtschaft Laurens Jan Brinkhorst, dass Europa in den letzten Jahren wichtige Ergebnisse im IKT-Sektor mit verhältnismäßig einfachen Mitteln erzielt hat. Der Minister warnt aber auch, dass "wir unsere Ziele nicht erreichen werden, indem wir einfach an diesen Erfolgen anknüpfen. Der geplatzte IT-Boom, die neuen Mitgliederstaaten, neue technologische Möglichkeiten sowie das Auftreten von Wettbewerbern in Asien und Amerika - all das sind Gründe, warum wir die Sichtweise auf unsere Ziele sowie die Maßnahmen, mit denen wir diese erreichen möchten, neu überdenken sollten." Herr Brinkhorst beschreibt den vom Beratungsunternehmen PricewaterhouseCoopers erstellten Bericht als "unverbindlich und provokativ". Er soll seinen Worten zufolge dazu anregen, die Lissabon-Agenda, insbesondere aber die europäische IKT-Agenda, zu überdenken und mit neuem Leben zu erfüllen. Laurens Jan Brinkhorst fährt fort: "Es ist an der Zeit, in eine neue Phase bei der Integration von IKT in unsere Wirtschaft und Gesellschaft überzugehen. Von der Stufe der Einführung und Installation von IKT-Infrastrukturen und -Anwendungen bewegen wir uns nun auf deren Nutzung zu [.] Heutzutage sind wir besser vernetzt als je zuvor. Aber wie können wir diese Verbindungen nutzen, um unsere Ziele zu erreichen?" Der Bericht soll auch als eine Art Leitfaden dienen und schließt deshalb eine Analyse verschiedener 'Referenzstaaten ein, deren aktuelle Leistung in vielen IKT-Bereichen die Leistung der EU übertroffen hat - die USA, Japan, Indien, China und Südkorea. Diese Länder haben eine führende Position eingenommen - "sowohl auf der Angebotsseite [.] als auch auf der Nachfrageseite [.]." Im Bericht heißt es weiter: "Dabei war eine klar verständliche IKT-Strategie von Vorteil, die sich den Durchbrüchen bei wichtigen Unterscheidungsmerkmalen in jedem einzelnen Land widmet und Vision mit dem Mut, Entscheidungen zu treffen und dem Engagement für eine Realisierung verknüpft." Die indische Regierung beispielsweise hat wichtige strategische Maßnahmen für die Errichtung einer IKT-Branche ergriffen und dabei den Schwerpunkt auf die Entwicklung von Software für den Export gesetzt. Die Regierung von Südkorea hat ihre IKT-Ausgaben verdoppelt, einen Niedrigzinsfonds für Investitionen in Breitbandnetzwerke eingerichtet und einen Plan zur Unterstützung des Softwareexportes erstellt. In den USA hingegen wird der IKT-Sektor von der Regierung durch umfassende Verteidigungsverträge unterstützt. "In diesen Ländern gibt es klare Initiativen und proaktive industrielle Strategien, mit denen die Stellung im IKT-Sektor verbessert werden soll." Darauf wird im Bericht verwiesen und anschließend argumentiert, dass "auch Europa erfolgreich sein kann. Aktuelle Strategien sind sehr nützlich, aber nicht instrumentell genug, damit Europa andere Wirtschaftsmächte einholen kann. Wir müssen die bestehenden Strategien überdenken und anschließend die Punkte identifizieren, die einen weiteren Fortschritt hemmen. Außerdem müssen wir die erreichbaren Durchbrüche berücksichtigen." Die Analytiker von PricewaterhouseCoopers präsentieren zehn solcher Durchbrüche, die ihrer Meinung nach der EU helfen können, die Initiative zu ergreifen und mit ihren Wettbewerbern Schritt zu halten. Ein Vorschlag bezieht sich auf die Verbesserung der Standardisierung von IKT-Umgebungen in Europa, um so neue Geschäfte anzuregen und zu fördern. "Paneuropäische interoperable Lösungen für die elektronische Authentifizierung und für elektronische Zahlungen sind notwendig, um Innovationen zu fördern und das wirtschaftliche Wachstum beachtlich voranzutreiben", bestätigt der Bericht. Ein zweiter möglicher Durchbruch bezieht sich auf einen Punkt, der im Bericht als der wahrscheinlich am meisten diskutierte IKT-bezogene Sachverhalt bezeichnet wird - die Migration oder Auslagerung von IKT-Jobs in Niedriglohnländer. Den Aussagen des Berichts zufolge kann und soll dieser Trend nicht aufgehalten werden. Für Europa ist es aber unerlässlich, gemeinsam eine Strategie für diesen Bereich zu formulieren, mit der sichergestellt wird, dass keine Arbeitsplatzverluste durch unnötige Defizite auf dem europäischen Arbeitsmarkt verursacht werden. Außerdem ist es von besonderer Bedeutung, neue Arbeitsplätze zu schaffen, wofür wiederum Investitionen in Forschung, Innovation und Unternehmertum erforderlich sind. Zu den anderen im Bericht hervorgehobenen Durchbrüchen gehören die Neuorientierung der E-Business- und E-Government-Strategie von Konnektivität bis hin zum Einsatz von komplexen IKT-Anwendungen, die Verfolgung der globalen Plattformführung in der IKT-Branche sowie die Identifizierung von echten Lösungen für das Vertrauen und die Sicherheit der Verbraucher. Die Durchführung solcher Schritte ist eine dringliche Angelegenheit. Der Report warnt: "Es ist keine Zeit für Verluste. Wenn die EU das Erreichen der für 2010 festgesetzten Lissabon-Ziele ernstnimmt, sind strukturelle Veränderungen erforderlich. Mit halbherzigen Strategien kann niemand, auch nicht Europa, eine führende Stellung einnehmen. Die Ergebnisse, die von anderen Staaten innerhalb der letzten zehn Jahre erzielt wurden, verdeutlichen, dass es sich lohnt, Entscheidungen zu treffen und in die Zukunft von IKT zu investieren. Ohne Veränderungen und Investitionen werden in Europa keine Ergebnisse sichtbar sein." Laurens Jan Brinkhorst hofft, dass der Bericht Diskussionen über die Lissabon-Strategie und die Zukunft der europäischen IKT-Agenda anregen wird. Er richtet sich mit den folgenden Worten an seine Leser: "Ich freue mich auf die Diskussionen, die von diesem Bericht entfacht werden und hoffe aufrichtig, dass Sie zu den Gesprächsteilnehmern zählen werden."
Länder
Niederlande