SCATTER-Projekt schließt mit Empfehlungen zur Bekämpfung der Ausbreitung der Stadtgebiete ab
Nach Meinung von Experten stellen Nachhaltigkeit, Smart Growth (Intelligentes Wachstum) und eine sektorübergreifende integrierte Strategie Schlüsselgedanken in der europäischen Debatte über die Ausbreitung der Stadtgebiete dar. Beim Abschlussseminar des unter dem Fünften Rahmenprogramm (RP5) finanzierten Projekts SCATTER (Sprawling Cities and Transport: from Evaluation to Recommendations) wurden vier politische Maßnahmen zur Bekämpfung der negativen Folgen der Ausbreitung der Stadtgebiete vorgestellt. Diese umfassen steuerliche Maßnahmen zur Kontrolle der Raumnutzung, genauer eine Steuer auf vorstädtischen Wohn- und Büroraum erhoben, Straßennutzungsgebühren, Preisregulierungsmaßnahmen im Transportwesen sowie Maßnahmen, mit denen die Immobilienpreise kontrolliert und der Bau kleinerer Mehrfamilienhäuser gefördert werden sollen. Die Ausbreitung der Stadtgebiete ist in Europa ein weitverbreitetes Phänomen. Um die dadurch entstehenden Nachteile - Staus, Luftverschmutzung, Energieverbrauch - zu bekämpfen, führen viele europäische Städte öffentliche Transportsysteme wie Heavy Rail- oder Light Rail-Systeme in den Vororten ein. Es besteht jedoch das Risiko, dass die durch diese öffentliche Verkehrsanbindung bedingte bessere Erreichbarkeit der Vororte einen neuen Anreiz darstellt und so eine weitere Ausbreitung des Stadtgebiets erfolgt. "Ziel des SCATTER-Projekts", so Projektkoordinatorin Sylvie Gayda, "ist daher die Prüfung, ob neue Verkehrspolitiken auch eine neue Welle der Zersiedelung auslösen, und wenn ja, die Erarbeitung eines Vorschlags für Begleitmaßnahmen zur Bekämpfung der negativen Folgen." Das SCATTER-Projekt, an dem acht Partner aus sechs europäischen Ländern beteiligt waren, endete am 30. September. Im Rahmen des Projekts wurden sechs europäische Fallbeispiele untersucht (Brüssel, Bristol, Rennes, Mailand, Stuttgart und Helsinki) und auf der Grundlage der gemachten Beobachtungen eine Reihe von Empfehlungen formuliert. "Wir entfernen uns immer mehr von den Stadtzentren", erklärte Mike Beatty vom University College London. "Beim Phänomen des Städtewachstums handelt es sich um ein uraltes Konzept, das immer bestehen wird. Zersiedelung ist jedoch spezifischer als Wachstum. Sie wird definiert als unkoordiniertes Wachstum, d.h. die Ausbreitung einer Gemeinschaft ohne Rücksicht auf Konsequenzen oder Umweltauswirkungen", fügte Professor Beatty hinzu. Die Zersiedelung werde als eine Beraubung der Landschaft betrachtet, erklärte Professor Beatty, und sei außerdem für die Gesellschaft insgesamt kostspielig aufgrund von hohen Infrastruktur- und Betriebskosten. Weitere negative Auswirkungen der Ausbreitung der Stadtgebiete seien die Verlängerung der Entfernung zwischen Arbeitsplatz und Wohnort, die vermehrte Nutzung von Kraftfahrzeugen, längere Staus auf Ausfallstraßen, höhere Emissionen wie z.B. Treibhausgase und Schadstoffe, soziale Ausgrenzung, der Verlust von wertvollem freien Raum und landwirtschaftlich nutzbarem Land sowie die Abnahme der Artenvielfalt, fügte Fr. Gayda hinzu. Um die Auswirkungen der Zersiedelung zu vermindern, haben die Projektpartner daher vier zentrale politische Maßnahmen vorgeschlagen. Die erste Maßnahme zielt darauf ab, die Raumnutzung zu kontrollieren, und umfasst eine Steuer auf den vorstädtischen Wohnungsbau (in den USA sog. Umweltgebühr) bei gleichzeitigen Steuersenkungen in städtischen Gebieten. Darüber hinaus soll eine Bürosteuer eingeführt werden, im Rahmen derer Büros in schlecht an das Verkehrsnetz angebundenen Gegenden eine jährliche Umweltgebühr pro Mitarbeiter entrichten müssen. Mithilfe von Straßennutzungsgebühren sollen die Kosten für die Kraftfahrzeugnutzung durch die Einführung einer neuen Stausteuer erhöht werden. Im Rahmen dieser Steuer ist für Fahrzeuge, die während der Hauptverkehrszeiten in einem Ballungsraum genutzt werden, eine Gebühr zu entrichten. Die dritte Maßnahme umfasst die Senkung der Fahrpreise für öffentliche Verkehrsmittel. Allerdings, erklärten die Partner, sei es für eine positive Auswirkung einer solchen Maßnahme wichtig, dass die Fahrpreissenkung nur für das Stadtzentrum gelte, damit eine Ausbreitung der Stadtgebiete verhindert werde. Als vierte Maßnahme wurde die Kontrolle der Immobilienpreise durch lokale Behörden über eine Beschränkung der Raumnutzung und eine Preisregulierung für Grundstücke vorgeschlagen. Dieses Bodenmanagement vonseiten der öffentlichen Hand, das sog. Land Banking, stellt ein Beispiel für eine öffentlich-private Partnerschaft (Behörden verhandeln mit Städteplanern und Landwirten) dar und ist in Rennes bereits gut entwickelt. Neben dieser Maßnahme soll der Bau von kleineren Mehrfamilienhäusern gefördert, d.h. ein Mittelweg zwischen großen Mehrfamilien- und Einfamilienhäusern gefunden werden. "Die Kombination aller Maßnahmen funktioniert gut", erklärte Kari Lautso von LT Consultants in Finnland, der das Fallbeispiel Helsinki vorstellte. "Sämtliche Dimensionen der Nachhaltigkeit werden verbessert und die Zersiedelung wird wirksam bekämpft." "Es ist wichtig, dass die Politiken in einer sektorübergreifenden Strategie kombiniert werden", fügte Fr. Gayda hinzu. Symbolische Aktionen wie z.B. weiche Maßnahmen müssen umgesetzt werden, um ein Bewusstsein und eine gemeinsame Kultur zu schaffen sowie die interinstitutionelle Zusammenarbeit zu fördern", erklärte sie. "Mit einer guten Kombination von Politiken ist es möglich, die Menge der CO2-Emissionen signifikant zu verringern", schloss der für das Projekt zuständige Vertreter der Europäischen Kommission Eric Ponthieu. "In einer Zeit, in der die Kommission eine Post-Kyoto-Politik entwickelt, ist dies von ausschlaggebender Bedeutung." Die Europäische Kommission überlegt derzeit, ob sie für Städte ab einer bestimmten Größe die Einführung verbindlicher Maßnahmen zur Entwicklung von nachhaltigen Städtebauplänen vorschlagen soll.