EU finanziert Integriertes Projekt zur Erforschung der Genetik der Sucht
Obgleich seit einiger Zeit anerkannt wird, dass genetische Faktoren bei der Suchtanfälligkeit eines Menschen eine Rolle spielen, stellt die Isolierung der beteiligten Gene aufgrund der Komplexität von Suchterkrankungen sowie des Einflusses anderer externer Faktoren eine enorme Forschungsherausforderung dar. Um diese Herausforderung zu bewältigen, stellt die Europäische Union 8,1 Millionen Euro für das Integrierte Projekt GENADDICT bereit, an dem acht führende öffentliche und private Forschungseinrichtungen, koordiniert von Professor Ian Kitchen von der Universität Surrey, Großbritannien, beteiligt sind. Das Projekt wird unter dem vorrangigen Themenbereich 'Biowissenschaften, Genomik und Biotechnologie im Dienste der Gesundheit' des Sechsten Rahmenprogramms (RP6) finanziert. Professor Kitchen erklärte gegenüber CORDIS News, dass das Projekt aus zwei Hauptkomponenten bestehe: 'Zunächst einmal ist da die humangenetische Komponente, für die ein isländisches Biopharmaunternehmen namens deCODE genetics zuständig ist. Was deCODE genetics von anderen Unternehmen unterscheidet, ist die Fähigkeit, eine bevölkerungsbasierte, genomweite Forschungsarbeit durchzuführen, bei der die an der Sucht beteiligten Gene herausgegriffen werden können, genau wie bei allen anderen Krankheitsphänotypen, bei denen das Unternehmen bisher erfolgreich war.' In Zusammenarbeit mit dem isländischen National Centre of Addiction Medicine wird deCODE genetics die Genotypisierung von Individuen mit einer Alkohol-, Nikotin-, Kokain- oder anderen Sucht durchführen, um ihre Erbanlagen zu charakterisieren. Anschließend wird die Familiengeschichte studiert, um die Gene identifizieren zu können, die mit einer Sucht in Verbindung stehen. Bei der zweiten Komponente des Projekts werden gentechnisch manipulierte Versuchsmäuse eingesetzt, um zu untersuchen, welche Gene Einfluss auf das Suchtverhalten haben könnten. Professor Kitchen erklärte, dass Mäuse und Menschen in sehr ähnlicher Weise von Suchtverhalten betroffen sind. Durch die Entfernung einzelner Gene bei Versuchsmäusen und die Analyse der anschließenden Auswirkung auf die Sucht hofft das Team, Anhaltspunkte dafür zu erhalten, welche menschlichen Gene genauer analysiert werden sollten. Als Ergebnis dieser einander ergänzenden Ansätze hofft das GENADDICT-Team, sowohl Gene identifizieren zu können, die bei allen Suchtprozessen vorkommen, als auch Gene, die möglicherweise für bestimmte Suchtkrankheiten spezifisch sind, wie z.B. Alkoholsucht. Professor Kitchen betont jedoch, dass das Team nicht erwartet, ein einzelnes 'Suchtgen' zu identifizieren, sondern eher Gruppen von Genen, die die Suchtprädisposition eines Menschen beeinflussen. Sollte das Projekt erfolgreich verlaufen, nennt Professor Kitchen zwei klare sich daraus ergebende Anwendungsmöglichkeiten: 'Kurzfristig könnte dies zur Identifizierung von Menschen führen, die zur Sucht neigen, und langfristig könnte unsere Forschungsarbeit dazu beitragen, neue Ziele für Pharmaunternehmen zu bestimmen, damit diese Behandlungsmethoden entwickeln können, mit denen Drogensucht und Rückfälle bekämpft werden können.' Professor Kitchen ist sich der Tatsache bewusst, dass genau wie bei der äußerst erfolgreichen Genforschung einige wichtige ethische Fragen aufgeworfen werden könnten, insbesondere in Bezug auf einen diagnostischen Prädispositionstest, sollte das GENADDICT-Projekt alle Ziele erreichen. 'Wenn wir erfolgreich sind, muss die Gesellschaft gemeinsam die durch unsere Arbeit aufgeworfenen ethischen Fragen klären', erklärte er. Für den Moment ist Professor Kitchen jedoch einfach froh, dass es mithilfe der EU-Fördermittel möglich war, die für die Durchführung einer solchen Studie erforderliche kritische Masse an Wissenschaftlern zusammenzubringen. 'Es ist sehr aufregend, wenn man die Fähigkeiten von acht führenden Forschungsgruppen in ganz Europa vereinen kann', schloss er seine Ausführungen.