Skip to main content
Weiter zur Homepage der Europäischen Kommission (öffnet in neuem Fenster)
Deutsch Deutsch
CORDIS - Forschungsergebnisse der EU
CORDIS

Article Category

Inhalt archiviert am 2023-03-01

Article available in the following languages:

Feuerameisen vermeiden Sex zum Schutz ihrer Gene

Sexuelle Fortpflanzung kann zwischen den Geschlechtern und innerhalb der Genome zu enormen Konflikten führen. Eine neue Untersuchung, die in der jüngsten Ausgabe des Magazins Nature erschienen ist, berichtet von einem extremen Fall eines solchen Konflikts bei der kleinen Feuer...

Sexuelle Fortpflanzung kann zwischen den Geschlechtern und innerhalb der Genome zu enormen Konflikten führen. Eine neue Untersuchung, die in der jüngsten Ausgabe des Magazins Nature erschienen ist, berichtet von einem extremen Fall eines solchen Konflikts bei der kleinen Feuerameise Wasmannia auropunctata, die in den Tropen als eingeschleppter Schädling gilt. Ein Forscherteam aus Belgien, Frankreich, der Schweiz, Japan und Neukaledonien hat bei der Ameise ein besonderes Fortpflanzungssystem entdeckt, das wohl einmalig im Tierreich ist: Die Königinnen und die männlichen Tiere vermehren sich durch klonale Reproduktion. Nur die Arbeiterinnen entstammen einer normalen geschlechtlichen Fortpflanzung zwischen den Königinnen und den männlichen Tieren. Diese Arbeiterinnen sind allerdings unfruchtbar. Die geschlechtliche Fortpflanzung ist die im Tier- und Pflanzenreich am weitesten verbreitete Form der Vermehrung. Sie kann jedoch zu Konflikten zwischen den Geschlechtern führen. Charakteristika, die den Fortpflanzungserfolg eines Geschlechts verbessern, können den des anderen Geschlechts verringern. So müssen ungeschlechtliche Weibchen keine Männchen erzeugen, um die künftige Vermehrung sicherzustellen. Bei den meisten Ameisenarten entstehen die Weibchen aus geschlechtlicher Fortpflanzung, die Männchen dagegen aus unbefruchteten Eiern. Klonale oder ungeschlechtliche Fortpflanzung gibt es nicht nur bei der kleinen Feuerameise. So erzeugen manche Eidechsenarten weibliche Nachkommen ungeschlechtlich aus weiblichen erwachsenen Tieren. Einzigartig bei dieser Ameise ist jedoch die Tatsache, dass nicht nur Weibchen sondern auch Männchen ungeschlechtlich entstehen. Genetische Analysen haben ergeben, dass sich die männlichen Tiere als Reaktion auf diesen Konflikt zwischen den Geschlechtern klonal vermehren. Es scheint, dass das Sperma der männlichen Ameise die weibliche DNS in einer befruchteten Eizelle zerstören kann, wodurch ein männliches Tier entsteht, das ein Klon seines Vaters ist. Daher produzieren die Königinnen der kleinen Feuerameise zwei Arten von Eizellen: Eine Art, die den gesamten Satz der mütterlichen Gene trägt und aus der sich ohne Befruchtung die künftigen Klone der Königin entwickeln, und eine andere Art, die nur einen Chromosomensatz trägt und mit dem Samen eines Männchens befruchtet wird. Aus der zweiten Gruppe der Eier entstehen zumeist unfruchtbare Arbeiterinnen. In manchen befruchteten Eizellen werden jedoch die mütterlichen Gene zerstört, sodass sie sich zu geklonten männlichen Ameisen entwickeln. Die klonale Produktion von männlichen Tieren und Königinnen aus Tieren desselben Geschlechts bedeutet eine völlige Trennung der männlichen und weiblichen Genpools. Das heißt, männliche und weibliche Tiere haben voneinander unabhängige Genpools. Demzufolge könnte man argumentieren, dass jedes Geschlecht als eigene Art klassifiziert werden sollte. "Im evolutionären Kampf der Geschlechter geben die Königinnen alle ihre Gene an die fortpflanzungsfähigen Weibchen weiter, die Männchen jedoch machen den Königinnen einen Strich durch die Rechnung, indem sie während der geschlechtlichen Brutentwicklung das weibliche Genom zerstören", erklärte der Leiter des Forschungsprojekts, Denis Fournier von der Freien Universität Brüssel (ULB), Belgien. Die ungewöhnliche Fortpflanzungsstrategie der Ameisen entstand wahrscheinlich aus dem Versuch der Königinnen, ihre eigenen Gene durch ungeschlechtliche Fortpflanzung zu schützen und geschlechtliche Fortpflanzung nur zur Erzeugung von Arbeiterinnen zu nutzen. Eine selbstsüchtige Strategie der Weibchen, bei der die Königinnen ihr Genom komplett weitergeben und die männlichen Tiere für die Entwicklung der Art überflüssig sind. Genetisch sind die Männchen nur an der Erzeugung der unfruchtbaren Arbeiterinnen beteiligt. Aber die Feuerameisenmännchen fügen sich anscheinend nicht widerstandslos in ihre Rolle als reine Zuschauer der Evolution: Sie schlagen zurück, indem sie sich ungeschlechtlich fortpflanzen und somit ihre eigene genetische Vererbungslinie bilden. Das biologische System behielt die männlichen Tiere bei, so dass zahlreiche geschlechtliche Arbeiterinnen produziert werden konnten. Dies gab den Männchen anscheinend die Zeit und die Mittel, einen Gegenangriff zu entwickeln, der einige der Arbeiterinnen in Männchen verwandelte. Eine Hypothese der Wissenschaftler geht davon aus, dass die genetische Diversität in einer Ameisenkolonie wichtig ist, um sich gegen Parasiten wehren und an Veränderungen der Umweltbedingungen anpassen zu können. "Vom Standpunkt der Evolution aus weist diese Entdeckung konkret darauf hin, dass genetische Variabilität der größte Vorteil geschlechtlicher Fortpflanzung ist. Und sie zeigt den außergewöhnlichen Einfallsreichtum der Natur, oder der männlichen Ameisen, diese Strategie der Weibchen zu durchkreuzen", erklärte Fournier. Männliche und weibliche Tiere sind zwar durch die gemeinsame Erzeugung der Arbeiterinnen weiterhin miteinander verbunden, der Geschlechterkonflikt der beiden könnte jedoch am Ende dazu führen, dass jedes Geschlecht zu seiner eigenen Art wird. Das System könnte auch dazu beitragen, dass die Arbeiterinnen die höchstmögliche genetische Diversität beibehalten, da ihre Gene aus zwei Pools stammen, die sich nicht von Generation zu Generation vermischen.

Mein Booklet 0 0