Erstes transgenes Medikament zugelassen
Nach einem Fehlstart im Februar wurde jetzt das erste Medikament, das mit Hilfe transgener Technologie entwickelt wurde, vom CHMP (Committee for Medicinal Products for Human Use), einem Gremium der Europäischen Arzneimittel-Agentur (European Medicines Agency - EMEA), für die Verwendung in der EU zugelassen. Das Medikament, das aus transgenen Ziegen gewonnen wird, wird bei Patienten eingesetzt, denen ein Gen zur Auflösung von Blutgerinnseln fehlt. Das Mittel mit dem Namen ATryn enthält Antithrombin alpha, das normalerweise natürlich im menschlichen Körper erzeugt wird. Der Körper löst spontan entstandene Blutgerinnsel mit Antithrombin alpha auf, bevor sie eine Gefahr darstellen können. Bei manchen Menschen jedoch fehlt das Gen, das für die Bildung von Antithrombin alpha verantwortlich ist, was die Thrombosegefahr erhöht - ein ernsthaftes Risiko bei Operationen oder während der Geburt. Menschen mit einem Antithrombinmangel erhalten normalerweise prophylaktisch oder in kritischen Situationen, wie während eines chirurgischen Eingriffs, Antithrombin alpha aus Blutplasma, um die Entstehung von Blutgerinnseln zu verhindern. Jetzt gibt es für diese Menschen eine Alternative. Der CHMP hat das Medikament zum Einsatz bei Operationen freigegeben, jedoch nicht für Schwangere. Das Herstellungsverfahren von ATryn ist neuartig. Das Antithrombin Alpha-Gen wird in die DNA von Ziegen eingeschleust. Die Ziege bildet dann das Antithrombin alpha in ihrer Milch. Die Milch wird aufgefangen, und das Antithrombin wird extrahiert. Ähnliche Techniken werden derzeit für die Herstellung zahlreicher weiterer transgener Produkte entwickelt. Die CHMP-Entscheidung ist ein Meilenstein für die Biotechnologie- und Medizinbranche. Auch wenn der Antithrombinmangel eine seltene Krankheit ist, die lediglich eine von 3.000 bis 5.000 Personen betrifft, so sind Produkte aus Blutplasma doch aufgrund der nur begrenzt zur Verfügung stehenden Blutspenden sehr teuer. Ersatzmedikamente retten Leben und mildern die Nachfrage nach Blutplasma, einer knappen Ressource. Eine einzelne transgene Ziege kann in einem Jahr die Menge Antithrombin alpha bilden, die 90.000 Blutspenden entspricht. Neue Produkte wie ATryn werden den Wettlauf um Blutplasmaprodukte entschärfen. Im Februar hatte der CHMP die Zulassung von ATryn mit Hinweis auf die unzureichende Anzahl an Probanden und die geringe Abweichung des Endprodukts von dem in den Versuchen verwendeten Medikament verweigert - das Produkt wird ein weiteres Mal gefiltert. Das Unternehmen, das ATryn vermarktet, Genzyme Europe, hat daraufhin im Namen des Herstellers, GTC Biotherapeutics, den CHMP gebeten, seine erste Entscheidung zu überprüfen. Nach dieser Überprüfung ist der CHMP zu dem Schluss gelangt, dass die Vorteile von ATryn die Risiken aufwiegen. In der Erklärung heißt es: "ATryn ist für die Prophylaxe venöser Thromboembolismen in der Chirurgie bei Patienten mit einem angeborenen Antithrombinmangel indiziert. ATryn wird normalerweise zusammen mit Heparin oder einem Heparin mit geringem Molekulargewicht verabreicht." Heparin ist ein weit verbreitetes gerinnungshemmendes Mittel. Professor Isobel Walker, Hämatologin an der Glasgow Royal Infirmary, begrüßte die Entscheidung: "Das ist ein guter Tag für europäische Patienten mit einem angeborenen Antithrombinmangel und für deren Ärzte. ATryn bietet eine Behandlungsalternative zu Antithrombin, das aus menschlichem Blutplasma gewonnen wird, und gibt damit Ärzten und Patienten mehr Wahlmöglichkeiten in der Behandlung."