Neue Hoffnung für die Behandlung von Querschnittsgelähmten
Forschern in den USA ist ein Aufsehen erregender Durchbruch in der Behandlung von Querschnittsgelähmten gelungen. Ein Sensor wurde direkt an das Hirn eines Querschnittsgelähmten angeschlossen, der dann nur Kraft seiner Gedanken Objekte in seiner Umgebung steuern konnte. Die Autoren der Untersuchung, die in der Zeitschrift Nature veröffentlicht wurde, schlossen bei dem Patienten Matt Nagle 96 winzige Elektroden in das Hirnareal an, das für die Gehirnfunktion verantwortlich ist, den so genannten Motorkortex. Das so genannte BrainGate Neural Interface System wurde am Massachusetts General Hospital in Boston, USA, getestet. Der 25-jährige Patient war in Folge eines Messerangriffs im Jahr 2001, bei dem sein Rückenmark durchtrennt worden war, vom Hals abwärts gelähmt. Nagle kann zwar weder Arme noch Beine bewegen, aber die Gedanken, die Bewegungen auslösen, entstehen weiterhin in seinem Hirn. Die Bewegung selbst kann nicht durchgeführt werden, weil die Rückenmarksnerven durchtrennt oder beschädigt sind, so dass der Befehl des Gehirns die Gliedmaßen nicht erreicht. "Wir gehen der Frage nach, ob ein Querschnittsgelähmter die Aktivität seines Motorkortex nutzen kann, um ein externes Gerät zu steuern", erklärte der leitende Autor Leigh Hochberg. "Es ist unklar, wie sich die Funktion des Kortex eventuell ändert, nachdem er durch eine Rückenmarksverletzung vom Körper getrennt wurde." "Wirklich interessant ist das Folgende: Die Kortexaktivität eines Menschen mit einer Rückenmarksverletzung, durch die er ein Gerät allein durch den Bewegungswillen steuert, ähnelt sehr der Hirnaktivität, die man in vorklinischen Studien bei Affen beobachtet hat, die tatsächlich ihre Arme bewegen. Ganz gleich, ob es sich um eine echte oder eine beabsichtigte Bewegung handelt, die Neuronen scheinen identische Feuerungsmuster zu zeigen", so Dr. Hochberg. "Wir haben herausgefunden, dass sogar noch Jahre nach der Rückenmarksverletzung dieselben Signale, die die Gliedmaßen steuern, vorhanden sind und genutzt werden können." Den Autoren zufolge könnte dies der erste Schritt in Richtung einer so genannten neuromotorischen Prothese (NMP) sein, die die Signale des Hirns um das geschädigte Rückenmark herum an Spezialgeräte weiterleitet, um bestimmte Aufgaben zu erfüllen. Theoretisch könnten damit Prothesen gesteuert werden oder Geräte, die Menschen mit einem geschädigten Nervensystem mehr Freiheit geben, so wie dies gerade am UCL in London untersucht wird. Nagle nahm an einer 57 Experimente umfassenden Versuchsreihe teil, die testen sollte, wie weit BrainGate funktioniert. Die Wissenschaftler mussten zunächst die Signale in Nagles Motorkortex finden und baten ihn dann, eine bestimmte Aufgabe auszuführen. Nagles Körper konnte aufgrund der Verletzungen nicht reagieren, aber sein Hirn reagierte. Das Team zeichnete die Reaktionsmuster in Nagles Hirn auf und stellte den Computer so ein, dass er die beabsichtigte Bewegung des Patienten interpretieren konnte. "Dieses System gibt uns zum ersten Mal die Möglichkeit, die Feuerungsmuster von Gruppen individueller Neuronen im menschlichen Hirn über längere Zeit zu beobachten. Wir hoffen, dass das Wissen, das wir mit dieser Arbeit gesammelt haben, die Entwicklung von Systemen ermöglicht, die Gelähmten eine besser Kommunikation und eine bessere Steuerung ihrer Umwelt erlaubt - und später in Zusammenarbeit mit neuromuskulären Stimulatoren auch die Kontrolle über die Gliedmaßen wieder herstellt", so Dr. Hochberg. John Donoghue, leitender Wissenschaftler bei Cyberkinetics, wo die BrainGate-Technologie entwickelt wurde, sagte: "Was uns auch ermutigt, ist die unmittelbare Reaktion des Hirns. Wenn wir die Patienten baten, 'links' oder 'rechts' zu denken, konnten sie ihre neuralen Aktivitäten sofort ändern. Und ihre Nutzung des Geräts scheint problemlos zu sein. Die Patienten können einen Computercursor steuern und sich gleichzeitig unterhalten, genau wie wir auch gleichzeitig sprechen und unseren Computer bedienen können." Die spektakulären Erfolge mit Nagle, der Videospiele spielen, einen Computercursor bewegen, die Hand eines Roboters öffnen und schließen und einen Roboterarm bewegen und greifen konnte, alles Kraft seiner Gedanken, konnten jedoch an einem zweiten und älteren Patienten nicht in gleichem Maße wiederholt werden. Dem Team zufolge hatte es Probleme mit dem winzigen Sensor gegeben, aber es wird auch spekuliert, dass die Signale des Gehirns schwächer werden, je länger sie von der eigentlichen Bewegung getrennt sind. Mit weiteren Tests will man den Fakten auf die Spur kommen. In der Zwischenzeit jedoch gibt diese Forschung all denen, die an einer Schädigung des Nervensystems leiden, neue Hoffnung auf mehr Bewegungsfreiheit und Unabhängigkeit.
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