Untersuchung der Forschung - wie das Rahmenprogramm funktioniert - Teil 1
Jetzt, wo das Siebte Rahmenprogramm (RP7) planmässig Anfang 2007 starten kann, hat CORDIS-Nachrichten einige Leute befragt, die im Rahmen des Programms tätig und für seine Entwicklung verantwortlich sind. In den nachfolgenden Teilen werden wir untersuchen, wie die Teilnehmer auf die Aufrufe reagiert und ihre Forschung weiterentwickelt haben, und wie die Programme bewertet werden und wie diese Informationen in künftige Rahmenprogramme oder in Technologie, Produkte oder Innovation, die die Welt um uns herum beeinflussen, einfliessen. Aber zu Beginn betrachten wir die Entwicklung des Programms selbst. Wie entstehen Ideen für Forschung überhaupt? Um dies zu beantworten, sprach CORDIS-Nachrichten mit Graham Stroud, Referatsleiter für die Unterstützung bei der Durchführung der Forschungsprogramme - Teil der GD Forschung der Kommission. "Der Ausgangspunkt sind immer die früheren Rahmenprogramme und die Ergebnisse und Bewertungen der Outputs", sagt er. "Ergebnisse können noch lange nach Abschluss des Projekts entstehen, vielleicht noch drei bis fünf Jahre oder noch länger. Daher ist das Gesamtbild möglicherweise eine gewisse Zeit lang nicht zu sehen." Dieser interne Prozess erfolgt zeitgleich mit der Beurteilung der Ansichten der europäischen Forscher und der Industrie auf Veranstaltungen und Konferenzen. Der erste Kontakt, den das neue Rahmenprogramm mit der Aussenwelt hat, erfolgt durch eine umfangreiche öffentliche Konsultation. "Ein allgemeines Orientierungsdokument wurde zur öffentlichen Konsultation von Juli bis Oktober 2004 herausgegeben und eine zweite Konsultation zum thematischen Inhalt des RP7 wurde im November und Dezember 2004 eröffnet", sagt er. An dieser Stelle können Unternehmen, Institutionen oder Einzelpersonen beschliessen, dass es Forschungslücken gibt, die geschlossen werden müssen. Wenn Sie der Meinung sind, dass Europa in einem bestimmten Bereich zurückbleibt, dann ist dies der rechte Zeitpunkt, sich Gehör zu verschaffen. Natürlich sind die Forscher möglicherweise der Ansicht, dass Forschungslücken in ihren eigenen Fachbereichen bestehen. Dies ist nicht zwangsläufig ein Problem", so Stroud. "Man hat wahrscheinlich mehr Einfluss, wenn man sich mit einer grösseren Gruppe zusammenschliessen kann, die eine einheitliche Ansicht präsentieren kann. Eine Ansicht der EU ist erforderlich. Diese wird den grössten Einfluss haben. Einige Forschungsinstitutionen decken sehr umfassende Forschungsbereiche ab wie beispielsweise die Max-Planck-Institute oder das CNRS. Sie bevorzugen es üblicherweise, die Ansicht ihrer Organisation zu dem gesamten Forschungsprogramm anstatt nur zu einem oder zwei begrenzten Bereichen vorzustellen. Natürlich sind diese und ähnliche Organisationen grosse und einflussreiche Gremien in der europäischen Wissenschaft. Daher werden ihre Ansichten genau betrachtet", so Stroud. Sobald sie vollständig sind, komprimiert die Kommission die Informationen, die sie aus der öffentlichen Konsultation zu den Rahmenprogrammvorschlägen erhält, die intern bewertet werden und zu denen eine "interne, dienststellenübergreifende Konsultation" innerhalb der Kommission erfolgt. "Alle GD dürfen mitreden", sagt Stroud. "Es ist kein linearer oder konsekutiver Prozess; alles erfolgt gleichzeitig. Die Ideen werden spontan eingebracht, aber es gibt immer formale Konsultationen. Die Diskussion mit den Programmausschüssen ist wichtig." Die Programmausschüsse werden aus Experten aus den Mitgliedstaaten und Vertretern aus den assoziierten Ländern gebildet. Sie spielen eine formale Rolle - sie stimmen über die Programmverwaltung der Kommission ab und müssen sich darauf einigen. "Die Beziehung zwischen den Ausschüssen und der Kommission wird häufig als Komitologie bezeichnet", erklärt Stroud. "Der Programmausschuss prüft, wie die Kommission das Programm verwaltet, und bringt Ideen und Vorschläge ein. Dieses System der Checks und Balances ist wichtig für die Kommission, aber es muss ein Kompromiss zwischen Überregulierung und Unterregulierung erzielt werden. Wir versuchen zu vermeiden, dass die Programmausschüsse zu viel Mikromanagement betreiben wollen", sagt er. Die Vorschläge der Kommission müssen jetzt bewertet werden und gehen in die Expertenberatergruppen der Kommission, die eine objektive Meinung abgeben. In dieser Phase führt die Kommission ausserdem eine Folgenabschätzung durch. "Hierbei verwenden wir ökonometrische Modelle, um zu ermitteln, welche Auswirkungen unsere Vorschläge auf die Wirtschaft haben würden. Für das RP7 war die umfassende Folgenabschätzung ein grosses Stück Arbeit. Ein gesamtes Referat ist mit der Durchführung der Folgenabschätzungen beschäftigt, wobei verschiedene Szenarien und Sondierungseffekte betrachtet werden", sagt er. Diese gesamte Beratung bildet die Grundlage für den Text des Rahmenprogramms - der als politischer Rahmen bekannt ist. Der politische Rahmen für das RP7 wurde im April 2005 vorgestellt. Er musste anschliessend ein politisches Verfahren zur Genehmigung durchlaufen, das im Europäischen Parlament beginnt. "Dies kann bis zu 18 Monaten dauern, und wir haben jetzt [im Juni 2006] etwa 15 Monate dieses Prozesses hinter uns." Sind die Ideen der Kommission für das RP7 besser als die des Europäischen Parlaments? "Nun sie sind es möglicherweise nicht. Daher muss die Kommission ihre Vorschläge rechtfertigen", so Stroud. "Aber die Ansichten des Parlaments müssen respektiert werden, während man versucht, das, was man für richtig hält, zu vertreten. Warum sollte das Parlament keine guten Ideen haben? Dies ist ein echter Dialog, bei dem jede Institution in den Debatten und Ausschusssitzungen ihren Standpunkt und ihre Ansichten vertritt." Das Parlament legt Änderungsanträge zum Text vor - seine eigenen Ideen und wie das fertige Rahmenprogramm aussehen sollte. Die Zahl der Änderungsanträge kann schnell ansteigen. Für das RP7 gab es 1.700. "Wir können eine grosse Zahl von Änderungsanträgen annehmen, da häufig dieselben Ideen in verschiedenen Änderungsanträgen vorgeschlagen werden. Die Kommission hat mehr Schwierigkeiten, wenn in den Änderungsanträgen die Hinzufügung von Bereichen gefordert wird, wodurch die Gefahr einer zu grossen Aufteilung des Haushalts besteht, oder wenn sich die Änderungsanträge auf etwas beziehen, das sich nicht im Rahmen dessen, was der Vertrag für das RP erlaubt, befindet", sagt er. Es finden parallele Diskussionen mit Ratsvertretern statt, die ebenfalls Änderungsanträge zum Text des Rahmenprogramms vorschlagen. Beide Pakete von Änderungsanträgen gehen für eine formale erste Lesung ins Europäische Parlament. Hier nimmt der Rat seinen "Gemeinsamen Standpunkt" an. Falls es eine uneingeschränkte Zustimmung gibt, wird das Rahmenprogramm angenommen. Normalerweise gibt es jedoch eine zweite Runde von Diskussionen und Änderungsanträgen, bevor eine Einigung erzielt wird. Der Rat kann entscheiden, dass er die Ansichten des Parlaments ignorieren will. Dies kann ein Problem sein, und der Vorschlag muss möglicherweise ins Vermittlungsverfahren gehen. "Der Rat und das Parlament müssen sich der Ansichten der anderen Seite voll und ganz bewusst sein", so Stroud. "Letzten Endes tragen all diese Änderungsanträge zur Verbesserung des Texts des Rahmenprogramms bei. Gewählten Vertretern sollte Beachtung geschenkt werden", sagt er. Sobald sich Rat und Parlament einig sind, ist das Rahmenprogramm genehmigt. Die spezifischen Programme - die detaillierten Forschungsprogramme - werden gleichzeitig debattiert und angenommen. "Für die spezifischen Programme gibt es eine einzige parlamentarische Konsultation und anschliessend erfolgt die Annahme durch den Rat", so der Referatsleiter. Die spezifischen Programme geben der Kommission die Befugnis, Geld auszugeben. Der Rat und das Parlament müssen ausserdem die Teilnahmevorschriften annehmen, in denen die grundlegenden Vorschriften für den Ablauf der Forschungsprogramme aufgeführt sind - wer teilnehmen kann und unter welchen Bedingungen. Jetzt müssen die spezifischen Arbeitsprogramme festgelegt werden. In den Arbeitsprogrammen "ist die Art von Projekten, die wir anstreben, sehr detailliert erklärt", so Stroud. "Sie werden immer in Konsultation mit externen Beratergruppen und anderen GD sowie den Programmausschüssen, die immer zustimmen müssen, erstellt." Die Arbeitsprogramme können erst angenommen werden, wenn der Programmausschuss eine positive Stellungnahme mit qualifizierter Mehrheit abgibt. Wie bei allen Rechtstexten werden die Arbeitsprogramme zwar später angenommen, aber gleichzeitig mit dem Text des Rahmenprogramms vorbereitet. "Eine negative Stellungnahme des Programmausschusses ist eine Katastrophe. Die Entscheidung geht zur Annahme zurück auf die Ratsebene - der Rat hat mindestens drei Monate Zeit, die Angelegenheit in Ordnung zu bringen", sagt er. "Glücklicherweise ist dies in der Geschichte des Rahmenprogramms erst einmal vorgekommen." Sobald eine Einigung erzielt ist und die Arbeitsprogramme von der Kommission angenommen wurden, beginnt das Rahmenprogramm und es können Aufrufe veröffentlicht werden. Die ersten Aufrufe für das RP7 werden höchstwahrscheinlich Anfang 2007 veröffentlicht. Im nächsten Teil werden wir sehen, wie die Zeitpläne für die Aufrufe erstellt werden, wie die Vorschläge bewertet werden und wie die Kommission entscheidet, wer Fördermittel erhält.