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Biotechnologie-Strategie: Halbzeitüberprüfung und Einladung zur Stellungnahme

Vor vier Jahren hat die Europäische Kommission ihren Aktionsplan "Biowissenschaften und Biotechnologie - eine Strategie für Europa" vorgestellt. Nach der Hälfte der achtjährigen Laufzeit wird die Strategie jetzt überprüft. Stellungnahmen zu den im Jahr 2002 veröffentlichten ...

Vor vier Jahren hat die Europäische Kommission ihren Aktionsplan "Biowissenschaften und Biotechnologie - eine Strategie für Europa" vorgestellt. Nach der Hälfte der achtjährigen Laufzeit wird die Strategie jetzt überprüft. Stellungnahmen zu den im Jahr 2002 veröffentlichten Biotechnologievorschlägen müssen bis zum 30. September 2006 eingereicht werden. Dieses Konsultationsverfahren steht allen Bürgerinnen und Bürgern offen. Nachdem im Mai der erste Teil der Meinungsumfrage zu Biotechnologie veröffentlicht wurde, hat Eurobarometer jetzt den zweiten Teil der Erhebung herausgegeben. In allen 25 Mitgliedstaaten wurden dazu je etwa 1.000 Personen detailliert zu ihrer Meinung über Biotechnologie befragt. Im Jahr 2002 hat sich die EU mit ihrem 30-Punkte-Aktionsplan zur Förderung der Biotechnologie verpflichtet. Dazu gehörten sowohl Aufklärungskampagnen über Biotechnologie als auch die Ausbildung von Arbeitnehmern. Darüber hinaus sollten erfahrene Forscher angeworben bzw. gehalten werden. Der Aktionsplan sah auch den Ausbau der Biotechnologie-Infrastruktur vor. So sollte zum Beispiel vordringlich sichergestellt werden, dass es ausreichend Juristen mit Fachkenntnissen im Bereich Biotechnologie gibt und dass die Regierungen auf diesem Gebiet aktiv sind. Systeme für geistige Eigentumsrechte sollten entwickelt und Mittel für Start-ups zur Verfügung gestellt werden. Gezielte Maßnahmen zu genetisch veränderten Organismen (GVO) sollten die korrekte Kennzeichnung und Erforschung der GVO gewährleisten. Darüber hinaus sollte untersucht werden, wie die Biotechnologie den Entwicklungsländern helfen kann. Nach vier Jahren wurden einige der Ziele des Aktionsplans erreicht, manche Maßnahmen wurden noch nicht begonnen und andere sind noch nicht abgeschlossen. Der Fortschritt wird jetzt im Rahmen einer Konsultation öffentlich zur Diskussion gestellt. Eurobarometer, die Statistikgruppe der EU, hat jetzt den zweiten Teil der EU-weiten Meinungsumfrage zu Biotechnologie veröffentlicht, was einen ungefähren Anhaltspunkt gibt, in welche Richtung die Stellungnahmen gehen könnten. Frühere Erhebungen wurden in den Jahren 1991, 1993, 1996, 1999 und 2002 durchgeführt. Die aktuelle Umfrage bezieht sich auf das Jahr 2005. Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Biotechnologie zunehmend positiv gesehen wird. Die EU-Bürger fühlen sich besser informiert und haben mehr Vertrauen in die Biotech-Industrie. Wenn technologische Innovationen einen sichtbaren Nutzen bieten, sind die Bürger durchaus bereit, damit ein Risiko einzugehen. Die Ethik-Frage ist jedoch noch nicht vollständig beantwortet. "Auch wenn die Mehrheit bereit ist, die Verantwortung für neue Technologien an Experten zu delegieren, deren Entscheidungen auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen, so möchte doch eine signifikante Minderheit, dass moralischen und ethischen Erwägungen bei den Entscheidungen über Wissenschaft und Technologie und den Stimmen der Öffentlichkeit mehr Bedeutung beigemessen wird", heißt es in dem Bericht. Biotechnologie in Medizin und Industrie findet breite Unterstützung. Dasselbe gilt jedoch nicht für alle Bereiche der Landwirtschaft, wo GVO nach wie vor als problematisch angesehen werden. Die Menschen möchten mehr über die Risiken und Möglichkeiten der Stammzellenforschung wissen. Laut Bericht "basiert die allgemein positive Haltung gegenüber dieser Technologie auf einem rein nutzenorientierten Ansatz". % Im Großen und Ganzen sind die Bürger der Meinung, dass der Nutzen der GVO noch nicht erwiesen ist, aber eine Ablehnung der GVO bedeutet keine grundsätzliche Ablehnung von Wissenschaft und Technologie - ganz im Gegenteil. Im Rahmen der Umfrage wurden vier unterschiedliche Technologien verglichen: Nanotechnologie, Pharmakogenetik, Gentherapie und genetisch veränderte Nahrungsmittel. Am meisten Unterstützung fand die Nanotechnologie, gefolgt von der Pharmakogenetik. Positiv - wenn auch mit Risiken behaftet - wird die Gentherapie gesehen. Als negativ und risikoreich schließlich gelten genetisch veränderte Lebensmittel. Die Menschen lehnen im Allgemeinen den Kauf von genetisch veränderten Nahrungsmitteln ab. Aber auch hier sind die Ansichten innerhalb der EU nicht monolithisch. Nur in Spanien, Portugal, Irland, Italien, Malta, der Tschechischen Republik und Litauen sind die Befürworter genetisch veränderter Lebensmittel in der Überzahl. Die Lage ist jedoch hoch komplex. "Ist eine Mindestakzeptanzschwelle erreicht", so der Bericht, "tendieren die Menschen anscheinend dazu, zahlreiche Gründe zu finden, warum der Kauf von genetisch veränderten Lebensmitteln akzeptabel ist". Die Unterstützung der industriellen Biotechnologie war im Allgemeinen hoch: Mehr als 70 Prozent der Menschen sprachen sich für die Entwicklung von Bio-Brennstoffen oder Bio-Kunststoffen aus. Ähnlich breit ist die Unterstützung der Stammzellenforschung (65 Prozent). Die Bejahung der umstrittenen embryonalen Stammzellenforschung liegt bei 59 Prozent. Interessanterweise antwortete in den Ländern mit der niedrigsten Akzeptanzrate für embryonale Stammzellenforschung - die baltischen Staaten, Slowenien, Malta, Irland und Portugal - ein Drittel der Befragten mit "Ich weiß nicht". Die europäischen Bürger möchten mehr über die Folgen der Stammzellenforschung erfahren - also darüber, was diese Forschung für die Gesellschaft bedeuten könnte - als über die Forschung selbst. Die Mehrheit der Europäer ist gerne bereit, Experten entscheiden zu lassen, wie Wissenschaft und Technologie am besten reguliert werden sollen, das heißt, sie bringen den Forschern ein hohes Maß an Vertrauen entgegen. Im Vergleich zur früheren Umfrage im Jahr 2002 fühlten sich die Befragten besser über Wissenschaft und Technologie informiert und konnten in einem Wissenschafts- und Technologiequiz mehr Fragen korrekt beantworten. Im direkten Vergleich schnitten Wissenschaft und Technologie als geringfügig uninteressanter als Politik ab, obwohl zwischen den beiden Themen eine Verbindung besteht. Die Umfrage ermittelte vier Typen von europäischen Bürgern: "aktiv", "aufmerksam", "Zuschauer" und "nicht interessiert". Die "aktiven" Europäer (zwölf Prozent der Bevölkerung) suchen bewusst Informationen über Biotechnologie und haben vielleicht schon einmal eine öffentliche Veranstaltung zu diesem Thema besucht. Die "aufmerksamen" Europäer (14 Prozent) verfolgen interessiert die Berichterstattung in den Medien und haben unter Umständen gewisse Hintergrundkenntnisse. Die "Zuschauer" (33 Prozent) verfolgen eventuell die Berichterstattung und haben schon mit anderen über das Thema Biotechnologie gesprochen. Und schließlich verfolgen die "nicht interessierten" Europäer (41 Prozent) das Thema nicht in den Medien, haben noch nichts über bestimmte Fragen gehört und verfügen auch nicht über entsprechendes Hintergrundwissen. Die jungen Menschen haben andere Ansichten als die älteren: In der Gruppe der 15-25-Jährigen verzehrt man auch genetisch veränderte Lebensmittel, spricht weniger über Politik und ist weniger gesundheitsbewusst. Frauen erzielen in der Regel ein geringfügig niedrigeres Testergebnis als Männer - außer in Fragen der Schwangerschaft. Frauen mit einem höheren Bildungsniveau gehören jedoch weniger häufig der Gruppe der "aufmerksamen" oder "aktiven" Menschen an. Warum dies so ist, ist unklar und muss noch weiter erforscht werden. Und schließlich: In Europa, den USA und Kanada sind die Ansichten erstaunlich ähnlich. Europäer haben etwas mehr Vertrauen in die Nanotechnologie als die US-Amerikaner oder Kanadier. Die Europäer und die Kanadier zeigen sich jedoch wesentlich weniger begeistert über genetisch veränderte Lebensmittel als die Bürger der USA. "Biowissenschaften und Biotechnologie - eine Strategie für Europa" sollte Europa helfen, den Übergang zwischen Grenz- und angewandter Forschung auszuloten. Europa, so sagt man, stehe kurz vor einer Biotechnologie-Revolution - und die Strategie soll uns zu dieser Revolution führen. Funktioniert das? Sollte sich der Schwerpunkt ändern? Sie können zu dieser Strategie Stellung nehmen. Ihre Stimme wird gehört.

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