Nahrungsmittelsicherheit: Europäische Verbraucher sind in guten Händen
Schlagzeilen über gentechnisch veränderte Lebensmittel, die verbotenerweise nach Europa importiert wurden, sowie über die krebserregende Substanz Acrylamid und andere schädliche Substanzen in Lebensmitteln verunsichern die Verbraucher in Europa und führen dazu, dass sie im Supermarkt vor den Regalen stehen und sich fragen, was man heutzutage überhaupt noch guten Gewissens essen kann. Wenn derartige Bedenken auftreten, geraten Politik und Wissenschaft häufig als erste ins Kreuzfeuer der Kritik, da die Öffentlichkeit ihnen vorwirft, sie arbeiteten nicht effizient genug und setzten die Verbraucher unnötigen Risiken aus. Dr. Elke Ankam, Vorsitzende des Instituts für Gesundheit und Verbraucherschutz der Gemeinsamen Forschungsstelle (GFS) der Europäischen Kommission, rät jedoch zu mehr Gelassenheit und bittet die Verbraucher um mehr Vertrauen in die Mitgliedstaaten und die EU. Zusammen, so Ankam, haben diese einen Mechanismus zur wissenschaftlichen Bewertung von Sicherheit und Qualität entwickelt, der sich derzeit als wirksam bei der Bekämpfung und Vorbeugung potenzieller Sicherheits- und Qualitätsrisiken im Bereich Lebensmittel erweist. In einem Interview mit CORDIS-Nachrichten betont sie, welch wichtige Rolle der Europäischen Kommission, d. h. der Gemeinsamen Forschungsstelle und weiteren EU-Behörden, hierbei zukommt, und nimmt Stellung zu Fragen der Lebensmittelsicherheit und -qualität, die derzeit die Gemüter erhitzen. Die GFS bietet wissenschaftliche und technische Unterstützung bei der Ausarbeitung, Entwicklung, Umsetzung und Überwachung von politischen Maßnahmen der EU. Die GFS umfasst sieben Institute, die in Bereichen, die für die EU-Bürger und die europäische Industrie unmittelbar von Belang sind, intensive Forschung betreiben. Insbesondere zwei Institute, nämlich das Institut für Referenzmaterialien und -messungen (IRMM) in Geel, Belgien, und das Institut für Gesundheit und Verbraucherschutz (IHCP) in Ispra, Italien, befassen sich unmittelbar mit Lebensmittelqualität und -sicherheit. Das IRMM legt zertifizierte Referenzmethoden und -instrumente zur Qualitätssicherung von Lebens- und Futtermittelzusätzen fest, während sich das IHCP unter anderem mit den technischen Aspekten der Probennahme, dem Nachweis und der Identifizierung gentechnisch veränderter Organismen (GVO) befasst. Aufgabe der beiden Institute, die selbst keine Qualitätskontrollen bei Lebensmitteln durchführen, ist es, in Zusammenarbeit sicherzustellen, dass europaweit dieselben Referenzmaterialien und Methoden zur Qualitätsbeurteilung zum Einsatz kommen. "Ich möchte an dieser Stelle noch einmal betonen, dass wir keine routinemäßigen Qualitätskontrollen bei Lebensmitteln durchführen, da dies in die Verantwortlichkeit der Mitgliedstaaten fällt", so Dr. Anklam. "Wir sind für die Harmonisierung der Kontrollmethoden und -instrumente verantwortlich und sorgen so für eine angemessene analytische Vorgehensweise in der gesamten EU." Die beiden Institute arbeiten eng mit der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zusammen, die für die Risikobewertung aller Aspekte der Lebens- und Futtermittelsicherheit zuständig ist. "Wir verstehen uns als Ergänzung zur EFSA. Die EFSA führt Toxizitätsuntersuchungen durch und beurteilt die Sicherheit von Lebensmitteln, insbesondere im Hinblick auf deren Zulassung, während wir uns auf die Entwicklung von Nachweismethoden konzentrieren", erklärt Dr. Anklam. Wenn die Industrie beispielsweise einen neuen Futtermittelzusatz entwickelt, muss das betreffende Unternehmen die Erlaubnis einholen, das Produkt in Europa vermarkten zu dürfen. Daraufhin wird eine Akte erstellt, die zunächst an die Kommission gesandt und anschließend an die EFSA weitergeleitet wird. Die EFSA untersucht den Zusatz auf seine Toxizität und prüft, bis zu welcher Menge eine Substanz für den Verbraucher unbedenklich ist. "Die GFS hat dabei die Aufgabe, die Analysemethoden zu bewerten und zu untersuchen, ob der Zusatz im Futtermittel in der zugelassene Menge nachgewiesen werden kann", erklärt Dr. Anklam. Stoßen die EFSA oder die GFS bei den Untersuchungen in ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereichen auf Probleme, dann wird dem Futtermittelzusatz die Zulassung verwehrt. Methoden zu entwickeln, mit denen sich bestimmte Substanzen nachweisen lassen, ist indessen nicht einfach, insbesondere im Falle von gentechnisch veränderten Lebensmitteln. Diese müssen auf der Verpackung vermerkt sein, sobald mehr als 0,9 Prozent der Zutaten, die bei der Herstellung zum Einsatz kommen, gentechnisch veränderte Organismen (GVO) enthalten. Das Verfahren zum Nachweis von GVO kommt angesichts dieses niedrigen zugelassenen Schwellenwerts der Suche nach einer Nadel in einem Heuhaufen gleich. Im Falle von nicht zugelassenen GVO drängt sich sogar der Vergleich mit der Suche nach einer unsichtbaren Nadel auf, da der GVO-Anteil hier unter Umständen bei lediglich 0,01 % liegen kann. Die Untersuchungsmethoden müssen folglich präzise genug sein, um die Menge der vorhandenen GVO zu bestimmen. Wenn dies der Fall ist, werden sie in sämtlichen EU-Mitgliedstaaten zu Kontrollzwecken angewandt. Seit einiger Zeit befasst sich die GFS nun schon mit der Validierung von Analysemethoden zum Nachweis und zur Quantifizierung von GVO in unverarbeiteten und verarbeiteten Lebensmitteln. Mitgliedstaaten sind mit der Bitte an die GFS herangetreten, ein Netzwerk von nationalen Referenzlaboren zum Nachweis von GVO aufzubauen. Die GFS hat ferner zertifizierte GVO-Referenzmaterialien entwickelt, die für die Erstellung angemessener Protokolle für den Nachweis von GVO unerlässlich sind. "Wir fungieren als Gemeinschaftsreferenzlabor für den Nachweis von GVO und arbeiten eng mit einem großen Netzwerk von GVO-Laboren zusammen", erklärt Dr. Anklam. Die Nachweis- und Referenzmethoden des Instituts zur Identifizierung von GVO wurden jüngst einer Feuerprobe unterzogen, als eine Schiffsladung Reis aus den USA in Rotterdam abgefangen wurde. Die Behörden hatten festgestellt, dass diese Ladung mit der nicht zugelassenen gentechnisch veränderten Reissorte LL Rice 601 vermischt worden war. "Nachdem wir über das Vorhandensein des gentechnisch veränderten Reises in Kenntnis gesetzt worden waren, leiteten wir Schritte ein, um zu überprüfen, ob die Testmethoden [der niederländischen Behörden] tauglich waren, da wir mit den in Europa angewandten Methoden zu einem positiven Ergebnis gelangten, während der Reis in den USA negativ getestet worden war", erläutert Dr. Anklam. Aufgrund dieses Vorfalls wurde deutlich, wie wichtig es in Zukunft sein würde, die Zusammenarbeit zwischen der EU und den USA zu verstärken und die Testmethoden und die Probennahme zum Nachweis von GVO zu vereinheitlichen. Die GFS befasst sich zurzeit mit Berichten der Organisation Greenpeace, die angibt, den illegalen GVO-Reis in Deutschland in Proben aus chinesischen Supermärkten und Restaurants nachgewiesen zu haben. Zur Harmonisierung der Messmethoden in der EU bedarf es weiterer Anstrengungen, um zu verhindern, dass solche Produkte im Einkaufswagen ahnungsloser Kunden landen. "Ganz gleich, ob dieser Reis eine Gefahr für die Verbraucher in der EU darstellt oder nicht, der Punkt ist, dass Produkte auf dem europäischen Markt auch europäischem Recht unterliegen, und laut europäischer Gesetzgebung ist gentechnisch veränderter Reis nun einmal illegal", so Dr. Anklam. Allerdings ist sie der Ansicht, dass Verbraucher sich nicht allzu große Sorgen über gentechnisch veränderte Produkte machen sollten. "Ich habe volles Vertrauen in die EFSA und die Fachleute, die mit ihrem Urteil über die Zulassung oder Nicht-Zulassung gentechnisch veränderter Erzeugnisse entscheiden. Daher würde ich ohne Bedenken in Europa zugelassene gentechnisch veränderte Lebensmittel verzehren. Diese Produkte sind sicher. Ich für meinen Teil mache mir weniger Sorgen darüber, dass andere [nicht zugelassene] gentechnisch veränderte Lebensmittel in Verkehr gebracht werden könnten, als vielmehr um eine ganze Reihe anderer Probleme auf dem Gebiet der Lebensmittelsicherheit, über die bei Weitem nicht soviel diskutiert wird. Ich denke da etwa an Lebensmittelmikrobiologie, um nur ein Beispiel zu nennen. Wenn z. B. Rohmilchkäse mit Mikroben verseucht ist, könnte der Verzehr bei vielen Menschen zum Tod führen." Die GFS entwickelt nicht nur Nachweismethoden für GVO, sondern gewährleistet auch, dass zum Schutz der unaufhaltsam wachsenden Zahl von Lebensmittelallergikern wirksame Testmethoden angewandt werden. "Wir überprüfen die Tauglichkeit von Tests zum Nachweis von Inhaltsstoffen, die für den Verbraucher eine Gefahr darstellen könnten. So gibt es etwa sehr schwere Fälle von Allergien, insbesondere Allergien gegen Nüsse, wo bereits winzigste Mengen von Erdnüssen in Schokolade oder Keksen zum Tod führen können." "Es ist wichtig, dass unsere Methoden zur Prüfung dieser Tests alle verarbeiteten Lebensmittel berücksichtigen, in denen das entsprechende Allergen auftreten kann. Auch hier erstellen wir Referenzmaterial und entwickeln Methoden der Qualitätssicherung bzw. eine Testmethode, wenn noch keine existiert", so Dr. Anklam weiter. Ein weiteres zentrales Thema, mit dem sich die GFS befasst, ist Acrylamid, ein Stoff, der sich bildet, wenn kohlenhydrathaltige Lebensmittel bei hohen Temperaturen zubereitet werden, und von dem angenommen wird, dass er krebserregend ist. "Wir sind für die Pflege und Aktualisierung der Forschungsdatenbank für Acrylamid in Lebensmitteln zuständig, die Daten zur Acrylamidkonzentration in Lebensmitteln enthält. Belastungsstudien sind wichtig, um abzuschätzen, welche Mengen der Substanz der Durchschnittsverbraucher seinem Körper täglich zuführt. Anhand dieser Studien können Experten dann festlegen, welche Mengen an Acrylamid in fertigen Lebensmitteln bzw. bei der Zubereitung von Mahlzeiten zuhause als unbedenklich eingestuft werden können. Die GFS ist jedoch in Fragen der Lebensmittelsicherheit noch in vielen anderen Bereichen tätig. Beispielsweise entwickelt die GFS für die Gemeinschaft Referenzinstrumente zu Mykotoxinen (natürlich vorkommende Stoffwechselprodukte von Schimmelpilzen) und zu Rückständen aus Lebensmittelverpackungen. Außerdem verwaltet sie eine Datenbank über authentische europäische Weine, um zu gewährleisten, dass, wo Burgunderwein draufsteht, auch wirklich Burgunderwein drin ist, und untersucht seit kurzem Nanopartikel in Lebensmittelzusätzen. Auf die Frage, ob sie eine Botschaft für die europäischen Verbraucher habe, betonte Dr. Anklam, wie wichtig es sei, Essen zu genießen und den EU-Behörden Vertrauen zu schenken, da diese sich für strenge Sicherheits- und Qualitätsstandards bei Lebensmitteln stark machen. Ferner mahnte sie, Verbraucher müssten verantwortungsbewusster im Umgang mit Nahrungsmitteln sein, Lebensmittel angemessen lagern und sich ausgewogener ernähren.