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Inhalt archiviert am 2023-03-02

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Europäische Wissenschaftler entwickeln Modell zur möglichen Ausbreitung einer Grippepandemie

Europäische Wissenschaftler haben ein Modell entwickelt, mit dem sich die weltweite Ausbreitung einer möglichen Grippepandemie über den Flugverkehr prognostizieren lässt. Die Studie "Modelling the Worldwide Spread of Pandemic Influenza: Baseline Case and Containment Interven...

Europäische Wissenschaftler haben ein Modell entwickelt, mit dem sich die weltweite Ausbreitung einer möglichen Grippepandemie über den Flugverkehr prognostizieren lässt. Die Studie "Modelling the Worldwide Spread of Pandemic Influenza: Baseline Case and Containment Intervention" wurde vom Sechsten Rahmenprogramm (RP6) der EU und der US-amerikanischen National Science Foundation (NSF) kofinanziert. Bei diesem Modell handelt es sich um die weltweit umfangreichste Simulation einer Epidemie in dieser Form, das in der Januar-Ausgabe der Fachzeitschrift "PLoS Medicine" vorgestellt wird. Obwohl der Erreger H5N1 der Geflügelpest oder Vogelgrippe, wie sie allgemein genannt wird, bisher noch nicht zu einer Pandemie geführt hat, da das Virus nicht von Mensch zu Mensch übertragbar ist, sind die öffentlichen Gesundheitsbehörden besorgt, dass sich aus dem H5N1-Virus ein für den Menschen gefährlicher Grippestamm entwickeln könnte. "Die Gefahr einer Pandemie veranlasst die internationale Gemeinschaft zur Diskussion über mögliche Szenarios und zur Entwicklung angemessener Vorsorgemaßnahmen", so Vittoria Colizza, eine an dem Projekt beteiligte Forscherin. "Wir müssen uns über die mögliche Ausbreitung einer Pandemie im Klaren sein, um angemessene Interventionsmaßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung und Reduzierung der Auswirkungen auf die Bevölkerung zu entwickeln und zu testen." Das Forscherteam hat ein mathematisches Modell entwickelt, bei dem es sich auf Passagierflugdaten der Internationalen Flug-Transport-Vereinigung sowie auf Erhebungen von mehr als 3 000 Ballungsgebieten und 220 Ländern weltweit stützte. Mittels fortschrittlicher Computerinstrumente waren die Forscher in der Lage zu simulieren, wie sich eine Grippepandemie sowohl im Verlauf der Zeit als auch in geografischer Hinsicht ausbreiten würde. Außerdem werden Vorhersagen zu unterschiedlichen Szenarios getroffen. Eines der möglichen Szenarios prognostiziert ein in Hanoi, Vietnam, entstehendes Grippevirus, das eine Reproduktionszahl von 1,1 (die Reproduktionszahl gibt an, wie viele sekundäre Infektionen im Schnitt von einer bereits infizierten Peson ausgelöst werden) hat und von dem nur eine recht geringe weltweite Gefahr ausgeht. Erhöht man die Reproduktionszahl auf 1,5, so könnten 50 Prozent der Bevölkerung in über 100 Ländern mit dem Virus infiziert werden. In diesem Fall wären Interventionsmaßnahmen nötig. Die Forscher haben zwei Schlüsse aus ihrer Studie gezogen. Erstens: Strenge Reisebeschränkungen würden eine weltweite Grippeausbreitung nur bedingt verhindern. Zweitens: Mit dem Einsatz antiviraler Medikamente kann eine weltweite Grippepandemie deutlich eingedämmt werden, wenn jedes Land weltweit über ausreichende Medikamentenvorräte zur Behandlung von fünf bis zehn Prozent seiner Bevölkerung verfügt. Die Studie konzentrierte sich anschließend auf realistische Szenarios, d. h. eine ungleiche Verteilung antiviraler Medikamente in armen und reichen Ländern. Es wurden zwei unterschiedliche Strategien verglichen: eine "eigennützige" Strategie, in der jedes Land auf seine eigenen Medikamentenvorräte angewiesen ist, und eine "kooperative" Strategie, in der auf eine Pandemie vorbereitete Länder einen Teil ihrer Ressourcen für einen weltweiten Einsatz zur Verfügung stellen. "Überraschenderweise scheint die kooperative Strategie wirksamer im Hinblick auf die Verzögerung einer Pandemie und die Milderung ihrer Auswirkungen auf die Bevölkerung sowohl der Geber- als auch der Empfängerländer zu sein", so Alessandro Vespignani, Professor für Informatik an der Indiana University. Die Schlussfolgerung der Verfasser der Studie lautet somit: Die kooperative Strategie mit der gemeinsamen Nutzung von Ressourcen, die von der Weltgesundheitsorganisation organisiert und geleitet werden könnte, ist der "eigennützigen" Strategie vorzuziehen, da es sich hierbei um die wirksamste Maßnahme für den Umgang mit einer aufkommenden Grippepandemie handeln würde, solange noch keine Impfstoffe entwickelt sind. Die Forschung wurde von der Complex Networks Collaboratory CX-NETS durchgeführt, einer virtuellen Zusammenarbeit von Forscherteams, die dieselbe Forschungsagenda im Bereich komplexe Netzwerke und Systeme, Epidemiemodellierung und Statistische Physik im Nichtgleichgewicht verfolgen.