Referenzmaterial zur Unterstützung von Umweltmaßnahmen
In vielen Umweltgesetzen wird der maximal zulässige Wert eines bestimmten Schadstoffs, der in der Umwelt vorkommen darf, genau definiert, und damit sichergestellt wird, dass diese Grenzen nicht überschritten werden, müssen diese Umweltdaten ständig beobachtet werden. Da unsere Gesundheit und unsere Umwelt auf dem Spiel stehen, ist es wichtig, dass die in ganz Europa angesiedelten Labore, die den Anteil dieser Substanzen in unserer Luft, im Wasser und im Boden bestimmen, genaueste Messungen durchführen. Aber auch Regierungen profitieren von der Genauigkeit dieser Daten, können doch ungenaue Messungen dazu führen, dass unnötigerweise Maßnahmen ergriffen und dadurch sowohl Industrie- als auch Steuergelder zum Fenster hinausgeworfen werden. Einen Beitrag zur Genauigkeit dieser Messungen leistet das am Rande der nordbelgischen Stadt Geel gelegene Institut für Referenzmaterialien und -messungen (IRMM) der Gemeinsamen Forschungsstelle (GFS). Als das IRMM seine Arbeit aufnahm, bestand der ursprüngliche Auftrag in der Entwicklung von Referenzmaterial für die Prüfung von Nuklearmaterial und zum Schutz der Bevölkerung. In den 1970er Jahren erkannte die GFS allerdings, dass auch Bedarf an Referenzmaterial für Umweltdaten besteht. Im Referat "Referenzmaterial" erstellt das Team um Dr. Andrea Held eine Reihe zertifizierter Referenzmaterialien, die europäischen Umweltbeobachtungsstationen helfen sollen, die Genauigkeit ihrer eigenen Messungen zu überprüfen und ihre in einer bestimmten Zeitspanne erbrachten Leistungen zu kontrollieren. "Zertifizierte Referenzmaterialien sind entscheidend", so Dr. Held gegenüber CORDIS-Nachrichten. Zu den Proben des IRMM zählen Regenwasser, mit Angaben zu dessen Bleigehalt, Ablagerungen, Bodenproben, Klärschlamm, Abfall, Pflanzenstoffe und sogar Staubproben. Darüber hinaus stehen Proben von organischen Schadstoffen zur Verfügung. Derzeit konzentrieren sich die Bemühungen am IRMM auf die Wasserrahmenrichtlinie, die eine lange Liste mit Substanzen enthält, die beobachtet werden müssen, um sicherzustellen, dass sich die Gewässer in Europa bis 2015 in einem "guten ökologischen Zustand" befinden. Referenzmaterial zu schaffen, ist ein aufwendiges Verfahren: Die Proben werden in großen Serien zusammengestellt, und es ist unerlässlich, dass die zuletzt entnommene Probe exakt die gleiche Zusammensetzung hat wie die erste. Im Fall von pulverförmigem Referenzmaterial muss z. B. dafür gesorgt werden, dass alle Partikel der Probe gleich groß sind, während eine Mischmaschine, die das Material dreidimensional schleudert, zum Erhalt eines homogenen Endprodukts eingesetzt wird. Von Zeit zu Zeit muss das IRMM neues Referenzmaterial schaffen, um sich veränderten Bedingungen anzupassen. So ist es z. B. wichtig, dass Klärschlamm, der auf Feldern verteilt wird, kein PCB (polychloriertes Biphenyl) und keine Schwermetalle enthält. Wenngleich diese Stoffe einst in relativ hoher Konzentration in Klärschlamm zu finden waren, ist es heute eine Seltenheit, dass eine Probe Klärschlamm einen messbaren Anteil an diesen gefährlichen Substanzen enthält. Das IRMM beschäftigt sich bereits seit geraumer Zeit mit Isotopen im Bereich der Kernenergie und ist nun dazu übergegangen, dieses Wissen auch auf dem Gebiet der Umwelt anzuwenden. Man weiß, dass gewisse natürliche Prozesse wie Verdunstung, Kondensation und Oxidation Auswirkungen auf die Isotopenhäufigkeit haben. Informationen über Isotope können auch genutzt werden, um die Quelle der Verschmutzung auszumachen. Dies ist von besonderem Interesse, um die Ursachen der Nitratverunreinigung in Gewässern herauszufinden. Gemäß der Nitrat-Richtlinie der EU von 1991 sind die EU-Länder verpflichtet, den Nitratgehalt ihrer Gewässer zu überwachen. Allerdings ist es nicht immer einfach zu bestimmen, wodurch eine Nitratverschmutzung verursacht wurde. Das Team des IRMM arbeitet auch mit politischen Entscheidungsträgern zusammen, um sicherzustellen, dass der Bedarf an Referenzmaterial in der Gesetzgebung berücksichtigt wird. "Das Problem ist, dass es nicht offenkundig ist, dass zur Festlegung von Grenzwerten auch Referenzmaterial benötigt wird, damit Messungen damit verglichen werden können", erklärte Dr. Held. Ihr Team arbeitet derzeit an einem Projekt, das zur Messung von Schwebstoffen in der Luft beitragen soll. Der Anteil von Partikeln ist so niedrig, dass es schwierig ist, eine Probe zu entnehmen. Nach Aussage von Dr. Held sind sich die heutigen Politiker diesen Themen in einem weit größeren Maße bewusst als früher.