Das Schweigen der Gene
Das von der EU finanzierte und kürzlich gestartete Projekt SIROCCO untersucht die Frage, wie das RNA-Silencing (etwa: Verstummen durch die RNA) - das Abstellen von Genen - für die Behandlung lebensbedrohlicher Krankheiten genutzt werden könnte. RNA-Silencing, auch RNA-Interferenz genannt, ist die natürliche Fähigkeit der Zellen, jedes unserer Gene abzustellen. Bis in die 1990er Jahre war den Biowissenschaftlern diese Eigenschaft der Ribonukleinsäure unbekannt. Sie dachten, sie wüssten alles über die Prinzipien der Genregulation und müssten nur noch die Details ausarbeiten. Das RNA-Silencing wurde von Forschern bei dem Versuch entdeckt, die Farben von Petunien zu ändern. Seitdem wurde dieser Mechanismus des Gen-Silencing in allen Arten von Organismen gefunden: von der Hefezelle bis zum Menschen. Man nimmt an, dass das RNA-Silencing sich als Abwehrmechanismus gegen Viren entwickelt hat. In primitiven Zellen stellte es eine Art Immunsystem dar, das virale Gene erkennen und dann abschalten konnte. Im späteren Verlauf der Evolution wurde dieser Mechanismus dafür eingesetzt, um Gene abzuschalten, die am normalen Zellwachstum und an Stressreaktionen beteiligt waren. "Bis vor einigen Jahren war es noch unbekannt, aber jetzt ist das RNA-Silencing eines der stärksten Werkzeuge für die Forscher. Wir können es zum Verständnis der Genfunktionen und der Zellregulation einsetzen", sagt Professor David Baulcombe vom Sainsbury Laboratory am John Innes Centre, dem leitenden Partner von SIROCCO. Indem sie einem Organismus spezielle 'abschaltende' RNA hinzufügen, könnten Wissenschaftler theoretisch Moleküle so programmieren, dass sie einen Virus wie HIV oder sogar defekte, Krebs verursachende Gene abschalten, sodass die gesunden Gene intakt bleiben. "Wir können [...] es als Diagnoseinstrument für Krebs und andere Krankheiten einsetzen. RNA-Silencing könnte in der Zukunft möglicherweise auch als Grundlage für neue Therapien für verschiedene Krankheiten, von der Vogelgrippe bis zu Krebs, genutzt werden." Trotz des schnellen Fortschritts im Verständnis des RNA-Silencing muss noch viel getan werden, bevor der Mechanismus dazu genutzt werden kann, Leben zu retten. Das SIROCCO-Konsortium hofft, durch die Verknüpfung von 17 Spitzenlaboratorien und Unternehmen aus neun europäischen Ländern, wichtige Fortschritte bei der Untersuchung dieser revolutionären Methode machen zu können. "Zum Beispiel müssen wir sicherstellen, dass eine auf Gen x abzielende RNA nur das entsprechende Gen x ausschaltet und keine anderen. Wenn uns das gelingt, sind wir in der Lage, RNA als Arzneimittel ohne Nebenwirkungen einzusetzen. Wir müssen auch mehr über die Rolle von 'abschaltenden' Ribonukleinsäuren für das normale Wachstum und die Entwicklung herausfinden. Diese Informationen werden uns dann ermöglichen, durch die Anwesenheit von 'abschaltenden' RNA die Krankheitsstadien von Zellen zu diagnostizieren", erklärt Professor Baulcombe.