Erstes Gen für Körpergröße ermittelt
Erstmals haben Wissenschaftler eines der zahlreichen Gene ermittelt, die für die Körpergröße verantwortlich sind. Die Ergebnisse der Studie, die zum Teil mit EU-Geldern finanziert wurde, sind in der Online-Ausgabe der Fachzeitschrift "Nature Genetics" erschienen. Seit einiger Zeit ist bekannt, dass die Körpergröße des Menschen zu rund 90 Prozent vom Erbgut abhängt. Nur 10 Prozent der Größe werden von äußeren Einflüssen wie etwa der Ernährungsweise bestimmt. Doch wenngleich Wissenschaftler seltene Varianten von Genen entdeckt haben, die in einigen wenigen Fällen die Körpergröße bestimmen, wusste man über die Varianten von Genen, die bei der überwiegenden Zahl der Bevölkerung für die Körpergröße verantwortlich sind, bislang so gut wie nichts. Die Wissenschaftler untersuchten das Erbgut von 5 000 Probanden und richteten dabei ihr Augenmerk auf die winzigen Unterschiede zwischen dem genetischen Code großer und dem kleiner Menschen. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass die Körpergröße eines Menschen unter anderem von dem Gen HGMA2 bestimmt wird. Von HGMA2 gibt es zwei Varianten. Wie groß ein Kind wird, hängt davon ab, welche Genvarianten es in sich trägt. Dieses Ergebnis wurde in einer Folgestudie an 19 000 Menschen bestätigt. Wir alle tragen zwei HGMA2-Gene in uns, eines von der Mutter und eines vom Vater. Wie die Untersuchung ergab, sind Menschen, denen von beiden Seiten jene Variante des Gens vererbt wurde, die für eine große Körpergröße sorgt, rund einen Zentimeter größer als Menschen, die zwei Gene in sich tragen, die für eine geringe Körpergröße verantwortlich sind. Die für ein stärkeres Wachstum verantwortliche Genvariante nur einmal in sich zu tragen, macht etwa einen halben Zentimeter an Körpergröße aus. Nach Aussage der Wissenschaftler zeigen sich die Auswirkungen der beiden Genvarianten bereits im Alter von sieben Jahren. Körpergröße ist ein typisches polygenetisches Merkmal, anders gesagt, wie groß wir werden, hängt von mehreren Genen ab, erklärt Dr. Tim Frayling von der Peninsula Medical School in Exeter, UK, der die Studie gemeinsam mit anderen Forschern leitete. "Die Untersuchungsergebnisse geben allerdings keinen Aufschluss darüber, wieso manche Menschen 1,96 Meter und andere lediglich 1,24 Meter groß werden. HGMA2 ist das erste von möglicherweise mehreren hundert Genen, die die Körpergröße mitbestimmen, und die nach und nach wissenschaftlich erforscht werden sollen." Schätzungsweise rund 25 Prozent der weißen Bevölkerung in Europa sind mit zwei Exemplaren der für ein stärkeres Wachstum verantwortlichen Variante des Gens ausgestattet, während 25 Prozent zwei Genvarianten in sich tragen, die für eine geringe Körpergröße sorgen. Auf welche Art genau HGMA2 die Körpergröße beeinflusst, ist bislang noch nicht bekannt, aber die Wissenschaftler vermuten, dass das Gen für eine verstärkte Produktion von Zellen sorgt. Dieser Punkt ist insofern interessant, als große Menschen ein minimal höheres Risiko haben, an bestimmten Arten von Krebs zu erkranken und Krebs durch unregulierte Zellproduktion hervorgerufen wird. "Wir sind so gut wie sicher, dass zwischen Körpergröße und manchen Erkrankungen ein Zusammenhang besteht", so Dr. Mike Weedon von der Peninsula Medical School. "Beispielsweise scheinen kleine Menschen ein geringfügig höheres Risiko für Herzerkrankungen zu haben, während große Menschen eher an manchen Krebsarten und eventuell auch an Osteoporose erkranken." Bei Kindern kann eine geringe Körpergröße in manchen Fällen auf eine ernstzunehmende Erkrankung hindeuten. Zahlreiche Kinder werden zudem aufgrund eines zu großen oder kleinen Körperwuchses an Fachärzte überwiesen. "Wenn wir die für die Körpergröße verantwortlichen Gene kennen, werden wir eines Tages in der Lage sein, festzustellen, ob bei Kindern, die wegen ihrer Körpergröße in ärztlicher Behandlung sind, eine Erkrankung vorliegt oder ob sie sich einfach nur gemäß ihrer genetischen Vorgaben entwickeln", so Dr. Joel Hirschhorn vom Broad Institute of Harvard und MIT (Massachusetts Institute of Technology) in den USA. Anfang des Jahres waren zahlreiche Mitwirkende dieser Studie bereits an der Entdeckung eines Gens beteiligt, das mit Fettleibigkeit in Zusammenhang gebracht wird. Die EU-Fördermittel für die Studie zum Einfluss der Gene auf die Körpergröße wurden von dem Projekt EURODIA, das unter dem Sechsten Rahmenprogramm (RP6) durchgeführt wurde, und von dem Projekt GenomEUtwin, das unter dem Fünften Rahmenprogramm (RP5) finanziert wurde, bereitgestellt. Ziel des Projekts EURODIA war die Erforschung der Betazellen der Bauchspeicheldrüse und von an der Steuerung der endokrinen Bauchspeicheldrüse beteiligtem Gewebe mittels der funktionalen Genomik zum Zwecke der Prävention und Behandlung von Diabetes des Typs 2. Das Projekt GenomEUtwin befasste sich mit der Genomanalyse europäischer Zwillinge und Bevölkerungskohorten zur Ermittlung von Genen, die mit weit verbreiteten Krankheiten in Zusammenhang stehen.