Studie: Klimawandel nicht die Hauptursache für das Aussterben der Neandertaler
Das Verschwinden der Neandertaler ist eines der großen ungelösten Rätsel der Wissenschaft. Jetzt konnten Forscher zumindest eine weit verbreitete Theorie widerlegen, nämlich dass der Klimawandel den Untergang der Neandertaler verursacht habe. Die Ergebnisse des Forschungsprojekts, das von der EU kofinanziert wurde, wurden in der jüngsten Ausgabe der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht. Mehr als 100.000 Jahre hatten die Neandertaler in Europa und dem westlichen Asien gelebt, bevor sie vor etwa 30.000 Jahren ausstarben. Der Grund ihres Untergangs beschäftigt die Wissenschaftler, seit im 19. Jahrhundert die ersten Knochen von Neandertalern gefunden wurden. Einer Theorie zufolge starben sie infolge des Wettbewerbs mit dem modernen Menschen aus, der vor etwa 40.000 Jahren nach Europa kam. Eine andere Theorie sieht den Klimawandel als Ursache. "Es gibt drei größere Unwägbarkeiten bei der Einschätzung, welche Rolle das Klima beim Aussterben der Neandertaler gespielt haben könnte: Die Ungewissheit bezüglich des genauen Zeitpunkts, wann die Neandertaler verschwanden, Unsicherheiten bei der Übertragung von Radiokarbondaten in tatsächliche Kalenderjahre und chronologische Ungenauigkeiten bei der Aufzeichnung vergangener Klimabedingungen", erklärt Professor Chronis Tzedakis von der Universität Leeds. Eines der letzten großen Zentren der Neandertaler in Europa war die iberische Halbinsel und so konzentrierte sich ein Großteil der Forschung auf die Gorham-Höhle, von der die Wissenschaftler annehmen, dass sie wahrscheinlich einige der letzten Neandertaler beherbergte. Es gibt überzeugende Hinweise, dass die Höhle schon früher bewohnt war, vor etwa 30.000 bis 32.000 Jahren, sowie einige, wenn auch nicht gesicherte Hinweise, dass sie vor 28.000 und sogar noch vor 24.000 Jahren bewohnt war. Um sich ein besseres Bild über das Klima in diesen Zeiträumen zu verschaffen, verglichen die Forscher die Radiokarbondaten mit einem genau datierten Klimaarchiv. Sie fanden heraus, dass das Klima in Europa vor 32.000 und vor 28.000 Jahren relativ instabil war. Die Neandertaler hatten aber ähnliche Bedingungen bereits in früheren Zeiten überlebt. Vor 24.000 Jahren dagegen befand sich Europa am Rande eines massiven Klimawandels: Eisflächen und kühlere Temperaturen breiteten sich aus. Dank des warmen Wassers, das aus dem subtropischen Atlantik ins Mittelmeer floss, blieb das Klima in Gibraltar jedoch von den Klimageschehnissen weiter im Norden relativ unberührt. "Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass kein einzelnes Klimaereignis das Aussterben der Neandertaler verursacht hat", schließt Katerina Harvati vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie. "Nur das umstrittene Datum von 24.000 Radiokarbonjahren, das für das Aussterben der Neandertaler angenommen wird, deckt sich, falls es sich als richtig erweisen sollte, zeitlich mit einer bedeutenden Klimaverschiebung. Aber auch dann wäre der Beitrag des Klimas zum Aussterben des Neandertalers nur ein indirekter, indem er möglicherweise den Konkurrenzkampf mit anderen Menschengruppen beeinflusste." Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass ihr Ansatz des direkten Vergleichs von Radiokarbondaten mit Klimadaten auch in anderen Bereichen nützlich sein könnte. "Da die Methode mit jeder Radiokarbondatierung bei einer jeden Ablagerung anwendbar ist, können wir nun darüber hinaus auch die Rolle des Klimas bei der Untersuchung anderer fossiler Funde herausfinden", erklärte Konrad Hughen von der Woods Hole Oceanographic Institution. Die EU-Mittel wurden von der Marie-Curie-EVAN-Initiative (EVAN = European Virtual Anthropology Network) zur Verfügung gestellt.