EU-Projekt macht tragbare Technologie möglich
Die Ablösung der Schreibmaschine durch den Computer hat unser Leben revolutioniert. Einen weiteren Meilenstein könnte die Einführung von Computern darstellen, die in die Kleidung eingearbeitet werden und mit denen wir im Alltag interagieren. Ein solches Zukunftsszenario ist Forschungsgegenstand des EU-geförderten Projekts WearIT@work. Die Projektwissenschaftler haben zahlreiche Anwendungen untersucht, bei denen tragbare Technologien eine neue Form der Interaktion zwischen Mensch und Computer ermöglichen. Diese Anwendungen könnten zu einer deutlichen Steigerung der Produktivität von Arbeitern beitragen und sogar Leben retten. "Für Desktop-Anwendungen werden grundsätzlich ein Bildschirm, eine Tastatur und ein Rechenwerk benötigt. Tragbare Computerlösungen können sich jedoch aus ganz anderen Elementen zusammensetzen", erläutert Dr. Michael Lawo, Koordinator des WearIT@work-Projekts von der Universität Bremen. "Beispielsweise kann ein und dieselbe Anwendung entweder über Sprach- oder über Gestensteuerung bedient werden", fügt Dr. Lawo hinzu. Gemeinsam mit Partnern aus einigen der weltweit renommiertesten IT-Unternehmen hat Dr. Lawo ein offenes System tragbarer Computer (Open Wearable Computing Framework) entwickelt, das eine zentrale, leicht zu tragende und hardwareunabhängige Recheneinheit umfasst, die dem Nutzer Zugang zu einer IKT-Umgebung (Informations- und Kommunikationstechnologie) verschafft. Basiskomponenten dieses Systems sind u. a. drahtlose Kommunikation, Ortungssysteme, Spracherkennung, Geräteschnittstellen sowie systemnahe Softwareplattformen oder -toolboxes, die dafür sorgen, dass die einzelnen Funktionen nahtlos ineinandergreifen. Das EU-geförderte Projekt umfasst gleichermaßen Anwendungen wie Technologie. Die Wissenschaftler verbinden zahlreiche handelsübliche Fertigkomponenten zu einem neuartigen Instrument, das unsere Arbeitsweise revolutionieren könnte. "Tragbare Datenverarbeitung schafft ein völlig neues Arbeitskonzept", so Dr. Lawo. "Es handelt sich um eine Technologie, die den Arbeitenden in einer bestimmten Umgebung unterstützt. Anstatt auf den Computer zurückzugreifen, kann man durch Nutzung dieser Technologie auf direktem Wege Hilfestellung erhalten. Das Ganze ist mit einem Navigationssystem vergleichbar, das den Fahrer durch Informationen bei seiner Aufgabe unterstützt." Die Anwendungen von WearIT@work, dem größten Projekt für tragbare Datenverarbeitung für den Zivilgebrauch, werden derzeit in vier verschiedenen Bereichen getestet: Flugzeugwartung, Notfallhilfe, Automobilproduktion und Gesundheitswesen. Auf den Gebieten Buschfeuerprävention, E-Integration und Kulturerbe wurden kürzlich ebenfalls Pilotprojekte gestartet. Die Technologie wird hauptsächlich bei Menschen getestet, die am Arbeitsplatz in der Regel keinen Computer nutzen, beispielsweise Arbeiter. "Die Grundidee bestand darin, den Arbeitern diese Technologie zur Verfügung zu stellen und auf diese Weise gezielt ihre Produktivität zu erhöhen", erklärt Dr. Lawo. "Unsere Technologie richtet sich an Bereiche, in denen es zurzeit noch keine Anwendungen dieser Art gibt. Schauen wir uns beispielsweise die Arbeit eines Flugzeugmechanikers an. Zunächst muss eine Bürokraft die entsprechende technische Dokumentation, einschließlich Flugzeugwartungshandbuch und Ersatzteilkatalog auf einem Computer suchen und zusammenstellen und anschließend ausdrucken. Diese Dokumente werden an den Mechaniker weitergeleitet, der diese bei seiner Arbeit am Flugzeug benötigt. Anschließend muss der Mechaniker handschriftlich einen Bericht verfassen. So laufen die Dinge heutzutage. Durch die neue Technologie bieten wir dem Arbeiter Unterstützung, indem wir ihm von seinem Arbeitsplatz aus einen unmittelbaren Zugang zum IKT-System ermöglichen. Dadurch wird der Ausdruck von Dokumenten überflüssig", so Dr. Lawo. Von all den möglichen Anwendungen stellt der Einsatz der Technologie in der Notfallhilfe (in diesem Fall bei der Pariser Feuerwehr) die Projektmitarbeiter vor die größte Herausforderung. Die Technologie unterstützt die Rettungskräfte bei Kommunikation, Zusammenarbeit und Informationsprozessen. Die Effizienz und Sicherheit von Feuerwehrleuten kann durch eine Reihe von leichten, benutzerfreundlichen und widerstandsfähigen Geräten erhöht werden, beispielsweise durch Biosensoren, die die körperliche Verfassung der Einsatzkräfte überwachen, sowie durch eine verbesserte Lokalisierung von Gefahrenherden, Notfallpersonal und Fluchtwegen. Laut Dr. Lawo waren die Reaktionen der Testpersonen größtenteils positiv. "Sie sind sich bewusst, dass diese neue Technologie der Kontrolle von Arbeitsabläufen dient und machen dennoch bereitwillig von ihr Gebrauch, weil sie sehen, welche Vorzüge die Technologie bietet", betont er. An WearIT@work sind bereits 42 Partner beteiligt, u. a. die IT-Riesen Microsoft, Hewlett-Packard und Siemens. Laut Dr. Lawo sind neue Projektpartner jedoch stets willkommen. "Die Forschungsarbeiten an Komponenten und Ortungssystemen werden fortgeführt. Natürlich bleibt noch viel zu erforschen, aber im Prinzip sind Anwendungen und Technologie in ihrem jetzigen Stadium bereits einsatzbereit", so Dr. Lawo. Die Tests sollen bis Mitte 2008 fortgesetzt werden. Darauf folgt zunächst eine zwölfmonatige Phase, in der der Schwerpunkt auf Technologietransfer und kommerzieller Nutzung liegt. "Wir haben uns zum Ziel gesetzt, dieses System in den alltäglichen Arbeitsablauf zu integrieren", verkündet Dr. Lawo abschließend. Das ehrgeizige Projekt wird im Bereich "Technologien der Informationsgesellschaft" des Sechsten EU-Rahmenprogramms (RP6) gefördert und mit 23 Mio. EUR unterstützt.
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