Gedächtnistraining verändert die Biochemie des Gehirns
Ein aktives Training des Arbeitsgedächtnisses führt zu einer nachweisbaren Veränderung der Anzahl von Dopaminrezeptoren im Gehirn, so das Ergebnis einer neuen schwedischen Forschungsarbeit. Die im Fachmagazin Science veröffentlichte Studie zeigt erstmals, wie geistige Aktivität die Biochemie des menschlichen Gehirns beeinflussen kann. Die Erkenntnisse haben Auswirkungen auf die Behandlung von Erkrankungen wie etwa Schlaganfall und dem chronischen Müdigkeitssyndrom, bei denen das Arbeitsgedächtnis beeinträchtigt ist. Das Arbeitsgedächtnis hat die Fähigkeit, Informationen beispielsweise bei der Lösung eines Problems für eine kurze Zeitdauer zu speichern. Bei dieser Art des Gedächtnisses kommt dem Botenmolekül Dopamin eine wichtige Rolle zu. Die Aufgabe des Neurotransmitters Dopamin besteht darin, Nachrichten von einer Nervenzelle zur nächsten zu überbringen. Störungen des Dopaminsystems können dem Arbeitsgedächtnis schaden. Einer Reihe neurologischer und psychiatrischer Krankheitsbilder sowie auch die normale Alterung sind mit einem beeinträchtigten Arbeitsgedächtnis verbunden. Diese neueste Studie wurde von Professor Torkel Klingberg vom schwedischen Karolinska-Institut geleitet. Er und sein Team hatten bereits im Vorfeld gezeigt, dass intensives Training innerhalb weniger Wochen zu Verbesserungen des Arbeitsgedächtnisses führen kann. Professor Klingberg und seine Kollegen setzen die Positronenemissionstomographie (PET-Scans) ein, um Veränderungen in der Anzahl der Dopaminrezeptoren in den Gehirnen der Testpersonen zu messen. Fünf Wochen lang führten die Teilnehmer der Studie Arbeitsgedächtnisaufgaben aus, die sie bis an die Grenzen der Leistungsfähigkeit ihres Arbeitsgedächtnisses brachten. Die Freiwilligen arbeiteten jeweils etwas mehr als eine halbe Stunde pro Tag an den Aufgaben. Bei allen Teilnehmern verbesserte sich das Arbeitsgedächtnis während des Experiments auf signifikante Weise. Außerdem zeigten die PET-Scans, dass das intensive "Gehirntraining" zu ganz deutlichen Veränderungen der Anzahl der Dopaminrezeptoren in der Großhirnrinde führte. Die Forscher weisen darauf hin, dass ihre Erkenntnisse das Zusammenspiel zwischen Verhalten und der Biochemie des Gehirns betonen. "Die Biochemie des Gehirns unterstützt nicht nur einfach unsere geistige Aktivität; unsere Gedächtnisleistungen und Denkprozesse können auch die Biochemie beeinflussen", kommentierte Professor Torkel. "Diese Tatsache wurde so beim Menschen bisher noch nicht nachgewiesen und bringt eine Menge faszinierender Fragen mit sich." Eine bislang unbeantwortete Frage betrifft zum Beispiel die Art der Mechanismen, die für die Fähigkeit des Gehirns, die Anzahl der Dopaminrezeptoren in Reaktion auf das Gedächtnistraining zu verändern, verantwortlich sind. "Veränderungen in der Anzahl der Dopaminrezeptoren bei einer Person geben uns [keinen] Schlüssel zu einem schlechten Gedächtnis in die Hand", erläuterte Professor Lars Farde vom Karolinska-Institut und AstraZeneca. "Wir müssen uns gleichsam fragen, ob die Unterschiede durch einen Mangel an Gedächtnistraining oder andere Umweltfaktoren verursacht werden können." Inzwischen sind die Forscher zuversichtlich, dass ihre Erkenntnisse schließlich zu neuen Behandlungen für Menschen mit eingeschränktem Arbeitsgedächtnis führen könnten, das Folge des Alterns oder von Krankheiten wie ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung), Schlaganfällen oder dem chronischen Erschöpfungssyndrom ist. Professor Farde stellte abschließend fest: "Vielleicht können wir neue, wirksamere Behandlungen finden, bei denen Medikamente und kognitives Training kombiniert werden. Das wäre dann in der Tat ein äußerst interessantes Gebiet."
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