Supraleiter aus "altem" Halbleitermaterial
Deutschen Forschern ist es gelungen, aus dem altbekannten Halbleiterelement Germanium ein supraleitendes Material zu erzeugen. Die in der Fachzeitschrift Physical Review Letters veröffentlichten Ergebnisse werden Auswirkungen die Nanoelektronik und auf die Entwicklung neuartiger Computer haben. Die Studie wurde teilweise durch das EuroMagNET-Projekt ("A coordinated approach to access, experimental development and scientific exploitation of European large infrastructures for high magnetic fields") finanziert, das unter dem Themenbereich "Infrastruktur" des Sechsten Rahmenprogramms (RP6) mit 3,68 Mio. EUR gefördert wurde. Halbleiter leiten den elektrischen Strom und werden zur Herstellung elektronischer Geräte wie Transistorradios bis hin zu Computerchips und Solarzellen eingesetzt. Die Supraleitung - erstmals im Jahre 1911 beobachtet - ist ein quantenmechanisches Phänomen und beschreibt die Fähigkeit eines Materials, elektrischen Strom extrem schnell und verlustfrei, also ohne jeglichen elektrischen Widerstand zu leiten. Dies geschieht normalerweise bei sehr niedrigen Temperaturen (knapp über -273 Grad Celsius bzw. 0 Kelvin) oder unter sehr hohem Druck. Die Forscher waren auf der Suche nach einem Element, das vorhersehbare, zuverlässige elektronische Eigenschaften bietet. Es sollte chemisch rein sein und eine tadellose Kristallstruktur vorweisen, da Verunreinigungen oder Fehler, selbst in kleinsten Größenordnungen, erhebliche Auswirkungen auf die Leitfähigkeit eines Materials haben können. Aus diesem Grund werden derzeit spezielle Methoden beim Wachstum und zur Reinigung des Kristalls angewandt. Silizium und Germanium sind bekanntermaßen "reine" Halbleiter bzw. Elemente, die durch die Einbringung von Fremdatomen in ihre Kristallstruktur in einem Dotierungsvorgang in leitfähige Materialien umgewandelt werden können. Am Forschungszentrum Dresden-Rossendorf (FZD) in Deutschland forschte man an Germaniumproben, die mit etwa sechs Galliumatomen pro 100 Atome Germanium dotiert wurden. Die Wissenschaftler wählten Gallium aus, weil es besser als Bor in Germanium löslich ist. Bor kam in vorhergehenden Studien mit Silizium zum Einsatz. Das Ergebnis war eine supraleitende "dotierte" Germaniumschicht von etwa 60 Nanometern Dicke. Folgeversuche und viele Experimente belegen, dass der Halbleiter Germanium reproduzierbar supraleitend wird, und dass auch die Sprungtemperatur, bei der die Supraleitfähigkeit einsetzt, in gewissen Grenzen erhöht werden kann. Der Prozess der Dotierung schadet jedoch der Gitterstruktur des Germaniumkristalls, sodass diese repariert werden muss, wenn es in der Fertigung Verwendung finden soll. Hierfür steht den Forschern eine in Rossendorf entwickelte Blitzlampen-Anlage zur Verfügung, die das zerstörte Kristallgitter durch schnelle Erhitzung der Oberfläche des behandelten Germaniums ausheilen kann, ohne jedoch die Verteilung der Fremdatome wesentlich zu verändern. Das neue Material hat ein großes Potenzial, nicht zuletzt deshalb, weil es bei einer Temperatur oberhalb des absoluten Nullpunkts supraleitend ist: Das mit Gallium dotierte Germanium wird schon bei rund 0,5 Kelvin supraleitend. Ermutigend ist, dass die Forscher davon ausgehen, dass sich diese Übergangstemperatur durch die Veränderung verschiedener Parameter während der Ionenimplantations- und Ausheilungsprozesse erhöhen lässt. Die Ergebnisse sind überraschend, weil Germanium bisher nie als ein vielversprechendes Material wie Silizium oder Diamant betrachtet wurde. Obwohl es in den ersten Transistorgeneration zum Einsatz kam, wurde es bald durch Silizium ersetzt. Das erneute Interesse an Germanium hat eine Menge mit der ständig weiter fortschreitenden Miniaturisierung von Transistoren und Mikrochips zu tun: Man benötigt heute extrem dünne Oxidschichten auf den Chips und das funktioniert in so kleinen Größenordnungen mit Siliziumoxid nicht mehr. Germanium als wiederentdecktes Grundmaterial für Computerchips könnte für schnellere Prozesse sorgen und zugleich zu einer weiteren Miniaturisierung in Mikro- und Nanoelektronik-Anwendungen führen.
Länder
Deutschland