Verlaufen? Sie gehen im Kreis
Haben Sie sich jemals verlaufen und dabei das Gefühl gehabt, im Kreis zu gehen? Nun, Sie sind nicht der Einzige und es ist auch keine Einbildung. Jetzt hat ein internationales Wissenschaftlerteam erste empirische Beweise dafür vorgelegt, dass man tatsächlich im Kreis geht, wenn man eine Gegend nicht kennt und niemand einem den Weg weisen kann. Die Ergebnisse wurden jüngst im Fachjournal Current Biology veröffentlicht. Die Forscher aus Deutschland, Frankreich und Kanada fanden heraus, dass fehlende verlässliche Hinweise zur Bestimmung der Gehrichtung einen dazu zwingen, im Kreis zu gehen. Dem Team ist es gelungen, das nachzuweisen, was Forscher und Laien bereits seit langem vermutet haben. Dr. Jan Souman und Dr. Marc Ernst von der selbstständigen Nachwuchsgruppe Multisensorische Wahrnehmung und Handlung des Max-Planck-Instituts für biologische Kybernetik in Deutschland leiteten die Studie, mit der die Laufwege von Probanden untersucht wurden, die mehrere Stunden durch ein Versuchsgebiet im Bienwald (Rheinland-Pfalz) in Deutschland und in der Sahara in Tunesien laufen mussten. Die Laufwege wurden mithilfe eines Positionierungssystems (GPS) aufgezeichnet. Die Ergebnisse zeigen, dass die Probanden einen geraden Weg gehen konnten, wenn sie Sonne oder Mond zur Orientierung hatten. Doch sobald Sonne oder Mond hinter den Wolken verschwanden, waren die Teilnehmer orientierungslos und liefen im Kreis. In Deutschland wanderten sechs Probanden mehrere Stunden lang durch einen großen hügellosen Wald. Vier wanderten bei wolkenverhangenem Himmel, ohne Sonne. Alle vier liefen im Kreis und drei merkten nicht einmal, dass sie ihren eigenen Pfad kreuzten. Die anderen zwei Teilnehmer wanderten bei Sonnenschein und liefen quasi perfekt geradeaus. In Tunesien mussten drei Probanden durch die Sahara laufen. Zwei liefen bei Sonnenschein und der Dritte bei Vollmond in der Nacht. Obwohl die "Tagwanderer" vom Kurs leicht abkamen, liefen sie nicht im Kreis. Der "Nachtwanderer" beschrieb, sobald der Mond hinter den Wolken verschwand, ein paar scharfe Kurven, die ihn zu seiner Ausgangsposition zurückbrachten. "Die Geschichten von Menschen, die orientierungslos im Kreis gehen, sind wahr", erklärte Dr. Souman. "Menschen können nicht ganz geradeaus laufen, wenn sie sich nicht an festen Dingen orientieren können, beispielsweise an Türmen oder Bergen in der Ferne, oder an Sonne und Mond, und deshalb laufen sie schließlich im Kreis." Die Studie demonstriert, dass das Laufen im Kreis nur selten ein System aufweist. Dr. Souman betonte, dass dieselbe Person mal nach links mal nach rechts geht, um sich schließlich in der Ausgangsposition wiederzufinden. "In der Vergangenheit wurde dies unter anderem damit erklärt, dass bei den meisten Menschen ein Bein länger oder kräftiger ist als das andere, wodurch eine Richtung systematisch vorgezogen werden würde", erläuterte Dr. Souman. "Um diese Erklärung zu testen, ließen wir die Probanden mit verdeckten Augen geradeaus laufen. Die meisten Probanden liefen dabei in Kreisen, manchmal in extrem kleinen mit einem Durchmesser von weniger als 20 Metern." Aus seiner Sicht sagte Dr. Ernst: "Unter anderem zeigen diese Versuche, dass selbst wenn man davon überzeugt ist, geradeaus zu gehen, dieser Eindruck nicht immer zutrifft. Der Mensch braucht für seine Laufwege zuverlässige Sinneseindrücke aus seiner Umgebung, wie etwa die Position der Sonne." Dr. Souman und Dr. Ernst wollen in weiteren Experimenten herausfinden, welche Rolle diese Sinneseindrücke und Orientierungshilfen spielen. Dazu werden sie moderne Computertechnik benutzen, wie etwa ein Laufband, das sich in alle Richtungen bewegen kann und auf dem der Proband virtuelle Umgebungen durchwandern kann. Die Wissenschaftler glauben, dass sie dadurch die für die Probanden bestimmten Informationen gezielter steuern und damit die Testergebnisse besser interpretieren können.
Länder
Kanada, Deutschland, Frankreich