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Inhalt archiviert am 2023-03-07

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Britische Küste Heimat der ältesten Nordeuropäer

Nordeuropa war bereits vor 780.000 Jahren von Menschen besiedelt, viel früher als bisher angenommen, heißt es in einem Forschungsartikel in der Fachzeitschrift Nature. Den Nachweis für diese Frühmenschen liefern mehr als 70 Werkzeuge und Reste aus Feuerstein bei Happisburgh, e...

Nordeuropa war bereits vor 780.000 Jahren von Menschen besiedelt, viel früher als bisher angenommen, heißt es in einem Forschungsartikel in der Fachzeitschrift Nature. Den Nachweis für diese Frühmenschen liefern mehr als 70 Werkzeuge und Reste aus Feuerstein bei Happisburgh, einem kleinen Dorf an der nordöstlichen Küste von Norfolk im Vereinigten Königreich. Anhand dieser Erkenntnisse muss man nicht nur den Zeitpunkt der frühesten bekannten Besiedlung Großbritanniens vordatieren, sie bieten auch die ersten Hinweise auf Frühmenschen, die in einem relativ rauen Klima überlebten. Die Forschung könnte damit zu einer Neubewertung der Besiedlungsgeschichte Europas und der Anpassungsfähigkeit von Frühmenschen an raue Umgebungsbedingungen führen. Die Menschen fingen vor rund 1,8 Millionen Jahren an, ihre angestammte afrikanische Heimat zu verlassen, und breiteten sich auf der ganzen Welt bis nach Indonesien im Osten und der Iberischen Halbinsel im Westen aus. Allerdings schien es bis heute, dass diese Frühmenschen wärmere Gefilde bevorzugten und sich selten weiter nördlich der Alpen verirrten. In den seltenen Fällen, in denen sie weiter nach Norden gewandert waren, war das Klima viel wärmer als das heutige. Zum Beispiel gibt es Hinweise darauf, dass vor rund 700.000 Jahren Menschen nach Großbritannien kamen, als in der Region ein mediterranes Klima herrschte. Dagegen war das Klima in Happisburgh vor 780.000 Jahren vergleichbar mit den heutigen Bedingungen in Südskandinavien. Diese Briten der Frühzeit lebten im Winter bei durchschnittlichen Temperaturen von um die -3°C und die wenigen Stunden Tageslicht im Winter ließen ihnen nicht viel Zeit für die Nahrungssuche oder die Jagd. Zu dieser Zeit war Nordeuropa größtenteils von Nadelwäldern bedeckt, wodurch die Auswahl an Nahrung recht beschränkt war, die Landschaft rund um Happisburgh bot diesen frühen Nordeuropäern allerdings einige Vorteile. Damals war Britannien durch eine große Landbrücke mit dem europäischen Kontinent verbunden, und die Themse floss bei Happisburgh in die Nordsee. Dadurch entstand eine Mischung verschiedener Lebensräume wie Süßwasserseen, Sümpfe, Küstengebiete und Grasländer. Diese könnten den Frühmenschen wichtige Lebensmittel im Winter geliefert haben, beispielsweise Wurzeln und Knollen, Muscheln, Seetang und große Weidetiere. Simon Parfitt vom University College London im Vereinigten Königreich malt ein buntes Bild der Umgebung. "Die Flussaue war wahrscheinlich mit Gras bedeckt gewesen und hätte einem breiten Spektrum von Pflanzenfressern wie Mammuts, Nashörnern und Pferden Nahrung geboten", erklärt er. "Zu den Raubtieren hätten Hyänen, Säbelzahntiger und natürlich die Menschen gezählt." Die Forschungsarbeit wirft die Frage nach der Identität dieser Nordeuropäer auf. Bisher wurden noch keine fossilen menschlichen Überreste auf dem Gelände gefunden. "Die Hersteller dieser Werkzeuge in Happisburgh können mit großer Wahrscheinlichkeit mit Menschen aus der gleichen Periode in Atapuerca in Spanien verwandt gewesen sein, die der Spezies Homo antecessor ("Pioniermenschen") zugeordnet werden", spekuliert Chris Stringer vom Natural History Museum des Vereinigten Königreichs. Fragen bestehen auch zu der Art und Weise, wie diese Frühmenschen mit dem kalten Klima dieser Periode zurechtkamen. "Es bleibt unklar, ob die Expansion in nördliche Breiten mit niedrigeren Wintertemperaturen eine körperliche Anpassung des Menschen, saisonale Wanderung oder technologische Entwicklungen wie etwa für die Jagd, für Kleidung, die Verwendung von Schutzräumen oder die Beherrschung des Feuers erforderte", schreibt das Team. Mit Blick auf die Zukunft, fragen sich die Forscher, ob der Strand bei Happisburgh noch mehr Geheimnisse birgt. Die Küste von Norfolk ist sehr erosionsanfällig, sodass ständig neue Fundstätten aus der Frühzeit durch das Meer aufgedeckt werden. "Die Sedimente stellen eine weitgehend unerforschte archäologische Quelle dar, die sich über 80 km entlang der Küste erstreckt und eine wichtige Phase der Frühgeschichte des Menschen umfasst", heben die Wissenschaftler hervor. "Weitere Untersuchungen in dieser Region werden sich auf diese Sedimente und die Möglichkeit konzentrieren, Beweise für eine noch frühere menschliche Besiedelung Nordeuropas zu finden."

Länder

Australien, Niederlande, Vereinigtes Königreich

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