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Inhalt archiviert am 2023-03-07

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Grönländischer Ureinwohner stammt aus Sibirien

Bereits vor rund 4.000 Jahren siedelten Menschen an der Westküste Grönlands. Ein von der Universität Kopenhagen, Dänemark, geleitetes internationales Team konnte nun erfolgreich das Genom eines Mannes aus dieser Zeit entschlüsseln. Die in der Zeitschrift Nature veröffentlichte...

Bereits vor rund 4.000 Jahren siedelten Menschen an der Westküste Grönlands. Ein von der Universität Kopenhagen, Dänemark, geleitetes internationales Team konnte nun erfolgreich das Genom eines Mannes aus dieser Zeit entschlüsseln. Die in der Zeitschrift Nature veröffentlichten Studienergebnisse sind Teil des ECOGENE-Projekts ("Unlocking the European Union convergence region potential in genetics"), das innerhalb des Regionalprogramms des Siebten EU-Rahmenprogramms (RP7) mit 1,09 Mio. EUR finanziert wird. Der dänische Evolutionsbiologe Eske Willerslev vom Zentrum für GeoGenetics des Naturhistorischen Museums Dänemark und vom Fachbereich Biologie der Universität Kopenhagen leitete zusammen mit dem Doktoranden Morten Rasmussen ein Team von 52 Wissenschaftlern, das eine DNA(Desoxyribonukleinsäure)-Analyse eines ganz besonderen Fundes durchführte: im Permafrost Grönlands erhalten gebliebene menschliche Haare. Auf den ersten Blick glaubten die Forscher bei den für die Analyse verwendeten Haaren ein Fellbüschel eines Bären vor sich zu haben, da es so dick war. Stattdessen stellten sie fest, dass das Haarbüschel von einem urzeitlichen Eskimo stammen musste, dem sie den Namen "Inuk" gaben, was auf Grönländisch "Mensch" oder "Mann" bedeutet. Inuk entstammte den Erstbesiedlern Grönlands, der Saqqaq-Kultur, die von rund 2.500 v. Chr. bis 800 v. Chr. in West- und Südostgrönland ansässig war. Die detaillierte Rekonstruktion dieses historischen menschlichen Genoms stellt auf der Liste der bisher entschlüsselten acht vollständigen Genome lebender Menschen ein echtes Verbindungsstück dar. Die neugierige Frage lautet nun: Wie also hat Inuk ausgesehen? Den Forschern zufolge hatte er wahrscheinlich braune Augen, dichtes, dunkles Haar - leider mit Neigung zur Glatze - und Blutgruppe A-positiv. Inuk war dunkelhäutig und aß Robbenfleisch, das er mit quadratischen, "schaufelartigen" Vorderzähnen zerkaute. Er war außerdem genetisch gut an das kalte Polarklima angepasst. Bei den Nachforschungen ergab sich eine interessante Tatsache: Obwohl Inuk in Grönland lebte, ist er mit Stämmen im heutigen Sibirien enger verwandt als mit den Kalaallit, den Grönländern unserer Zeit. Diese Entdeckung wird zur Enträtselung eines Geheimnisses beitragen: Wie und warum wanderten Inuks Vorfahren, die Tschuktschen, vor etwa 5.400 Jahren die mehr als 2.000 Kilometer von Nordostsibirien nach Grönland? Nach Meinung der Forscher war diese Auswanderungsbewegung unabhängig von der Einwanderungswelle der Vorfahren der nordamerikanischen Ureinwohner und Inuit. Professor Willerslev und sein Team machten bereits 2009 Schlagzeilen, als sie die kompletten mitochondrialen Genome eines Wollhaarmammuts und eines urzeitlichen Menschen rekonstruierten. Der dänische Wissenschaftler traf eher zufällig auf das Büschel Haare, nachdem er mehrmals vergebens in Grönland Überreste von Frühmenschen zu finden versucht hatte. "Ich sprach gerade mit dem Direktor des Naturhistorischen Museums in Dänemark, Dr. Morten Meldgaard, und wir diskutierten ein bisschen über die frühe Besiedlung der Arktis", erklärt Professor Willerslev. "[Dr.] Meldgaard, der an mehreren Ausgrabungen in Grönland teilgenommen hatte, erzählte mir von einem großen Haarbüschel, das in den 1980ern bei einer Ausgrabung im Nordwesten Grönlands gefunden worden war und jetzt im Nationalmuseum in Dänemark gelagert wird." Nachdem Professor Willerslev grünes Licht vom Greenland National Museum and Archives bekommen hatte, begann das Team mit einer Analyse der Haare auf DNA. Nach Einsatz etlicher Verfahren konnten sich die Forscher sicher sein, tatsächlich Männerhaare in den Händen zu halten. "Einige Monate waren wir uns nicht sicher, ob unsere Bemühungen wirklich von Erfolg gekrönt sein würden", berichtet er weiter. "Aber durch die harte Arbeit eines großen internationalen Teams haben wir es schließlich geschafft, das erste vollständige Genom eines ausgestorbenen Menschen zu sequenzieren." "Unsere Erkenntnisse könnten von erheblichem Nutzen für Archäologen und andere Forscher sein, die wissen wollen, was mit den Menschen ausgestorbener Kulturen geschehen ist." An dieser bahnbrechenden Studie arbeiteten Forscher aus Dänemark, Estland, Frankreich, Lettland und dem Vereinigten Königreich sowie aus Australien, China, Grönland, Russland und den USA.

Länder

Australien, China, Dänemark, Estland, Frankreich, Lettland, Russland, Vereinigtes Königreich, Vereinigte Staaten

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