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Inhalt archiviert am 2023-03-07

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Prähistorische Menschen waren sehr geschickte Werkzeugmacher

Einer neuen Forschungsarbeit zufolge verfügte der moderne Mensch schon viel früher über ein anspruchsvolles Repertoire an Techniken für die Werkzeugherstellung als bisher angenommen. Die Studie wurde teilweise durch das Projekt TRACSYMBOLS ("Tracing the evolution of symbolical...

Einer neuen Forschungsarbeit zufolge verfügte der moderne Mensch schon viel früher über ein anspruchsvolles Repertoire an Techniken für die Werkzeugherstellung als bisher angenommen. Die Studie wurde teilweise durch das Projekt TRACSYMBOLS ("Tracing the evolution of symbolically mediated behaviours within variable environments in Europe and southern Africa") finanziert, das aus dem Siebten Rahmenprogramm (RP7) eine Beihilfe des Europäischen Forschungsrats (European Research Council, ERC) für etablierte Forscher in Höhe von 2,5 Mio. EUR erhalten hat und seine Ergebnisse kürzlich in der Fachzeitschrift Science veröffentlichte. Die Wissenschaftler entdeckten, dass Steinzeitmenschen vor mindestens 75.000 Jahren eine äußerst geschickte und feine Methode zum Schärfen und Schaben von Steinartefakten entwickelt haben, mehr als 50.000 Jahre früher als bisher angenommen. Sie fanden heraus, dass die als Pressure-Flaking bezeichnete Methode während der mittleren Steinzeit von anatomisch modernen Menschen in der Nähe der Blombos-Höhle in Südafrika entstand. Bei dem Verfahren wurde das für die Werkzeugherstellung verwendete Silcrete - in Silizium zementierte Quarzkörner - erwärmt. Vor dieser Entdeckung stammten die ältesten Zeugnisse für Pressure-Flaking aus dem Jungpaläolithikum von der Solutréen-Kultur in Frankreich und Spanien vor rund 20.000 Jahren. Bei der besagten Technik werden zuvor mit einem harten Steinwerkzeug behauene und durch weichere Schläge mit Holz oder Knochen weiterbearbeitete Werkstücke an den Rändern sorgfältig verfeinert, indem man mit der Spitze eines Tierknochens auf dem Steinwerkzeug Druck ausübt. Mithilfe dieser Technik konnten Eigenschaften wie Schärfe, Dicke und die allgemeine Form zweiseitiger Werkzeuge wie Speerspitzen und Steinmesser besser kontrolliert werden, sagt Paola Villa, Kuratorin am Museum für Naturgeschichte der Universität von Colorado in den USA und eine der Autorinnen der Studie. Dr. Villa: "Diese Ergebnisse sind wichtig, weil sie zeigen, dass die modernen Menschen in Südafrika bereits sehr früh ein komplexes Repertoire an Herstellungstechniken für ihre Werkzeuge besaßen. Diese Innovation ist ein klares Beispiel für eine Tendenz, neue funktionelle Ideen und Techniken zu entwickeln, die allgemein als typisch für fortschrittliches oder modernes Verhalten angesehen werden." "Pressure-Flaking ermöglichte es den Werkzeugmachern, die endgültige Form und Dünne sehr gut zu kontrollieren... und so schmalere und schärfere Werkzeugspitzen herzustellen." Bei den zweiseitigen Spitzen aus der sogenannten Still Bay-Kultur handelt es sich wahrscheinlich um Speerspitzen. Mit Ausnahme von Obsidian, Jaspis und einigen hochwertigen Feuersteinen können einige Steinmaterialien mittels Pressure-Flaking ohne vorheriges Erhitzen bearbeitet werden, erklärt Dr. Villa. Zwar gibt es aus den Pinnacle-Point-Höhlen in Südafrika Hinweise auf das Erhitzen von Silcrete vor rund 164.000 Jahren, der Forscherin zufolge stellen die Artefakte aus der Blombos-Höhle aber den erste eindeutigen Beleg für das geschickte Pressure-Flaking dar, mit dem Werkzeuge geformt, verfeinert und geschliffen wurden. Weiter sagt Dr. Villa, dass es mehrere Möglichkeiten gibt, um festzustellen, ob Silcrete erhitzt wurde. Am Pinnacle Point in Südafrika verwendeten die Archäologen zwei Methoden mit den Bezeichnungen Thermolumineszenz und Archäomagnetismus, bei denen Proben der Steinwerkzeuge zerstört werden müssen, sowie ein nicht-destruktives Verfahren durch Messung des maximalen Glanzes. Für die Artefakte aus der Blombos-Höhle verwendete das dortige Team eine visuelle Analysemethode, die auf dem durch ein Mikroskop bei geringer Vergrößerung beobachteten Kontrast zwischen erhitzten und nicht erhitzten Werkzeugoberflächen beruht. Das Absplittern durch Pressure-Flaking bei nicht erhitztem Silcrete führt zu rauen und spröden "Narben", während die Oberflächen bei vorher erhitztem Silcrete glatt und glänzend waren, sagte Dr. Villa. "Das Pressure-Flaking erweitert das Repertoire an technologischen Fortschritten der Still-Bay-Periode und trägt zu deren Bild als eine Zeit dar, in der neue Ideen rasch eingeführt wurden", schreiben die Autoren. "Diese flexible Herangehensweise in Bezug auf Technologie könnte den Gruppen des Homo sapiens, die vor rund 60.000 Jahren aus Afrika auswanderten, einen Vorteil verschafft haben." Beiträge zu dieser Studie kamen außerdem von Experten aus Frankreich und Norwegen.

Länder

Frankreich, Norwegen, Vereinigte Staaten, Südafrika

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