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Orang-Utan-Genom könnte Sicht auf menschliche Evolution verändern Studie

Erstmals hat ein EU-finanziertes internationales Forscherkonsortium das Genom eines der nächsten Verwandten des Menschen - des Orang-Utans - vollständig sequenziert. Die im Fachblatt Nature veröffentlichte Studie demonstriert die überaus hohe genetische Vielfalt des indonesisc...

Erstmals hat ein EU-finanziertes internationales Forscherkonsortium das Genom eines der nächsten Verwandten des Menschen - des Orang-Utans - vollständig sequenziert. Die im Fachblatt Nature veröffentlichte Studie demonstriert die überaus hohe genetische Vielfalt des indonesischen Orang-Utans und liefert neuen Aufschluss zur Evolution von Menschenaffen und Mensch. Finanziert wurde die Studie zum Teil über die beiden EU-Projekte ALGGENOMES (Algorithms for analysis of genes and genomes) und BIOSEQANALYSIS (Computational methods for biological sequence analysis with application to evolution of yeast mitochondrial genomes), wobei jedes Projekt über einen Marie Curie International Re-Integration Grant (Wiedereingliederung von Forschern) mit 100.000 EUR unter dem Siebten Rahmenprogramm (RP7) bezuschusst wurde. Eine hohe genetische Vielfalt ist grundsätzlich von Vorteil für Arterhaltung und Anpassungsfähigkeit an Umweltveränderungen. Eine genauere Untersuchung der genetischen Diversität an zwei Orang-Utan-Arten auf den Inseln Sumatra und Borneo hielt unerwartete Neuigkeiten für das Konsortium parat: der Genpool der 50.000 in einem relativ begrenzten Habitat auf Borneo lebenden Orang-Utans weist eine sehr niedrige genetische Vielfalt auf, während sich Sumatra-Orang-Utans, deren Habitat recht ausgedehnt ist und wo die Anzahl der Tiere gerade einmal 7.000 beträgt, genetisch viel deutlicher voneinander unterscheiden. Das Orang-Utan-Genom sorgte aber noch für eine weitere Überraschung. Beide Spezies auf Sumatra und Borneo leben seit mindestens 21.000 Jahren physisch voneinander getrennt - nach diesem Zeitpunkt existierte keine Landbrücke mehr zwischen den beiden Inseln. In früheren Studien ging man davon aus, dass sich die Entwicklungslinie der beiden Arten vor mehr als 1 Mio. Jahren trennte, die vollständige Sequenzierung des Genoms schreibt nun aber die evolutionäre Geschichte neu: denn wie sich zeigte, passierte dies erst vor 400.000 Jahren. Unerwartete Ergebnisse lieferte auch ein Vergleich des Orang-Utan-Genoms mit dem anderer Menschenaffen. Die gemeinsame Evolution von Orang-Utan und Mensch endete bereits vor 12 bis 16 Mio. Jahren, somit veränderte sich ihr Erbgut viel langsamer als bei Schimpansen und Menschen, deren Wege sich erst vor 5 bis 6 Mio. Jahren trennten. Ein Vergleich der drei Primatengenome ergab jedoch, dass Veränderungen im Erbgut, d.h. wenn Gene hinzukommen oder wegfallen, bei Schimpansen und Menschen doppelt so häufig auftraten wie bei Orang-Utans. Koautorin Dr. Carolin Kosiol von der Universität für Veterinärmedizin Wien, Österreich, untersuchte 14.000 menschliche Gene, die auch bei Orang-Utans, Schimpansen, Makaken und Hunden vorkommen. Sie fand heraus, dass zwei Gruppen von Genen besonders stark der evolutionären Selektion ausgesetzt waren: Gene für den Sehsinn und Gene für den Stoffwechsel bestimmter Fette - so genannter Glycolipide. Insbesondere die für den Glycolipid-Stoffwechsel zuständigen Gene, die u.a. Fettmoleküle für die Energiegewinnung aufspalten, veränderten sich sehr viel schneller als angenommen. Erklären lässt sich diese Disparität möglicherweise damit, dass die unterschiedliche evolutionäre Entwicklung des Orang-Utan-Genoms die Wahrscheinlichkeit von Genmutationen als Auslöser von Krankheiten minimieren sollte. Beim Menschen werden eine Reihe erblich bedingter Nervenerkrankungen mit Störungen des Cholesterin- und Glycolipid-Stoffwechsels in Verbindung gebracht. "Veränderungen im Fettstoffwechsel könnten bei Primaten einen erheblichen Einfluss auf die Evolution des Nervensystems gehabt haben wie auch auf die Anpassung an veränderte Ernährung oder Lebensweise", erklärt Dr. Kosiol. Der Orang-Utan war die dritte Menschenaffenart nach Schimpansen und Menschen, dessen Genom vollständig sequenziert wurde. Dennoch sei "die Entschlüsselung weiterer Primatengenome für komparative Analysen dieser Art durchaus sinnvoll, um die Evolution von Primaten und vor allem auch des Menschen besser zu verstehen", fügt Dr. Kosiol hinzu. Demnächst sollen die Genome zwei weiterer Menschenaffenarten - Gorillas und Bonobos - sequenziert werden.Für weitere Informationen: Universität für Veterinärmedizin: http://www.vetmeduni.ac.at Nature: http://www.nature.com/nature/index.html

Länder

Österreich, Dänemark, Spanien, Italien, Portugal, Slowakei, Vereinigtes Königreich, Vereinigte Staaten

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