CORDIS - Forschungsergebnisse der EU
CORDIS

Article Category

Nachrichten
Inhalt archiviert am 2023-03-09

Article available in the following languages:

Grammatikregeln sind uns in die Wiege gelegt

Neue, von der EU geförderte Forschungsarbeiten zeigen, dass Säuglinge bereits im Alter von vier Monaten in der Lage sind, Grammatikregeln einer ihnen unbekannten Sprache zu erkennen. Die in der Zeitschrift PLoS ONE veröffentlichte Studie leistet einen wichtigen Beitrag zum Ver...

Neue, von der EU geförderte Forschungsarbeiten zeigen, dass Säuglinge bereits im Alter von vier Monaten in der Lage sind, Grammatikregeln einer ihnen unbekannten Sprache zu erkennen. Die in der Zeitschrift PLoS ONE veröffentlichte Studie leistet einen wichtigen Beitrag zum Verständnis des Spracherwerbs von Babys. Die Studie wurde von der EU über das Projekt CALACEI ("Universal and specific properties of a uniquely human competence. Tools to study language acquisition in early infancy: Brain and behavioural studies") gefördert, für das Mittel in Höhe von 15 Mio. EUR unter der Haushaltslinie "New and emerging science and technologies" (NEST) im Rahmen des Sechsten Rahmenprogramms (RP6) bereitgestellt wurden. Säuglinge lernen Sprachen in einem Tempo und mit einer scheinbaren Leichtigkeit, die Eltern und Sprachforscher immer wieder verblüfft. Untersuchungen haben ergeben, dass selbst Neugeborene zwischen unterschiedlichen Phonemen innerhalb von Silben unterscheiden können. Außerdem scheinen Säuglinge die Beziehungen zwischen benachbarten Silben, die häufig zusammen auftreten, erkennen zu können. Oft kommt es jedoch vor, dass in einem Satz grammatisch verbundene Elemente nicht nebeneinander stehen; zum Beispiel in der englischen Wendung "is singing" ist "is" von "-ing" durch den Stamm "sing-" getrennt. "Die Beziehungen zwischen diesen auseinander stehenden Silben zu lernen ist viel schwieriger als das Erlernen von Beziehungen zwischen benachbarten Silben", so die Forscher. Bisher glaubte man, dass sich das Verständnis dieser Regularitäten erst im 17. oder 18. Lebensmonat entwickelt. "Das erschien mir immer reichlich spät", kommentierte Prof. Angela Friederici, Leiterin der Abteilung für Neuropsychologie am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Deutschland. In der vorliegenden Studie versuchten Prof. Friederici und ihre Kollegen herauszufinden, ob das Verständnis für weit auseinander stehende Satzelemente bereits im Alter von vier Monaten entwickelt ist. Säuglinge dieses Alters wurden deshalb gewählt, weil ihnen die Forschung ein verbales Gedächtnis sowie phonologische Unterscheidungsfähigkeit zuschreibt. Zuerst konfrontierten die Forscher vier Monate alte deutsche Säuglinge mit einfachen italienischen Sätzen. In etwa drei Minuten langen Lernphasen hörten die Babys italienische Sätze, die zwei einfache syntaktische Konstellationen enthielten. Zum einen handelte es sich um die Konstruktion "sta X-ando" (entsprechend dem englischen "is X-ing"); ein Beispiel für diesen Typus ist "[il fratello] sta cantando", d. h. "[Der Bruder] singt gerade". Die zweite Wendung war nach dem Muster "può X-are" (d. h. "kann X") konstruiert; Beispiel: "[la sorella] può cantare" - "[Die Schwester] kann singen". Die Säuglinge hörten in etwa drei Minuten langen Lernphasen nach diesen Mustern geformte korrekte Sätze, denen jeweils ein kurzer Test folgte, bei dem ihnen richtige und falsche Sätze vorgespielt wurden. Bei den falschen Sätzen wurden die Konstruktionen durcheinandergebracht, z. B. "la sorella può cantando" ("Die Schwester kann singt") oder "il fratello sta cantare" ("Der Bruder ist singen") Diesen Vorgang wiederholten die Forscher vier Mal. Die Babys hörten dabei 256 korrekte Sätze, ihre Lernzeit betrug insgesamt etwas mehr als 13 Minuten. Während des Experiments wurde die Hirnaktivität der Säuglinge gemessen. Zu Beginn der Testphasen gab es bei der Verarbeitung falscher italienischer Sätze kaum Unterschiede der Aktivitätsmuster. Im vierten Durchgang jedoch führten die Satztypen zu stark unterschiedlichen Aktivierungen, denn die Säuglinge hatten mittlerweile gelernt, dass "sta" und "-ando" sowie "può" und "-are" zusammengehören. "Die vorliegenden Daten zeigen, dass vier Monate alte Säuglinge in einer für sie fremden Sprache nach kurzer Zeit Zusammenhänge zwischen auseinander liegenden Satzelementen erkennen können", so das Fazit der Forscher. "Durch ihre Sensitivität gegenüber grammatischen Regelmäßigkeiten können bereits Säuglinge aus den in den Lernphasen gehörten korrekten Sätzen Zusammenhänge zwischen zwei nicht benachbarten Elementen (d. h. den Hilfsverben und den entsprechenden Verbsuffixen) herleiten." "In diesem Alter werden natürlich keine inhaltlichen Fehler registriert", erklärte Prof. Friederici. "Lange vor dem semantischen Verständnis erkennen und generalisieren Babys aber schon Regelmäßigkeiten an der Lautoberfläche." Den Forschern zufolge ähnelten die Hirnaktivierungsmuster vier Monate alter deutscher Säuglinge beim Hören sprachlich falscher Sätze denjenigen von erwachsenen italienischen Muttersprachlern. Interessanterweise unterscheidet sich der frühkindliche Spracherwerb deutlich von der Art und Weise, wie deutsche Muttersprachler eine fremde Sprache lernen. "[Dies] deutet darauf hin, dass während der menschlichen Entwicklung nur ein begrenztes Zeitfenster für den Spracherwerb zur Verfügung steht", so die Sprachforscher.Weitere Informationen hierzu finden Sie unter: Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften: http://www.cbs.mpg.de/index.html PLoS ONE: http://www.plosone.org

Länder

Deutschland

Verwandte Artikel