CORDIS - Forschungsergebnisse der EU
CORDIS

Article Category

Nachrichten
Inhalt archiviert am 2023-03-09

Article available in the following languages:

Neugierige Schmetterlinge sind genetisch anders

Die für Veränderungen von Lebenslaufparametern elementaren Mechanismen zu verstehen, ist entscheidend für unser Wissen über Adaption durch natürliche Selektion. Während die Forschungen auf diesem Gebiet besser wurden, haben funktionelle Genomikstudien zu Anpassungen von Lebens...

Die für Veränderungen von Lebenslaufparametern elementaren Mechanismen zu verstehen, ist entscheidend für unser Wissen über Adaption durch natürliche Selektion. Während die Forschungen auf diesem Gebiet besser wurden, haben funktionelle Genomikstudien zu Anpassungen von Lebensstrategien gerade erst angefangen. Ein Team von Wissenschaftlern aus Finnland und den Vereinigten Staaten treibt diese Forschungen voran. Sie fanden heraus, dass sich Abkömmlinge "explorativer" Schmetterlinge, die neue Lebensräume besiedeln, genetisch von ihren Vettern unterscheiden, die lieber dort bleiben, wo sie sind. Diese in der Fachzeitschrift Molecular Ecology vorgestellte Studie wurde teilweise durch das Projekt SPATIALDYNAMICS ("Ecological, molecular, and evolutionary spatial dynamics") finanziert, das unter dem Siebten Rahmenprogramm der EU (RP7) ein Stipendium des Europäischen Forschungsrats in Höhe von 2,48 Mio. EUR erhielt. Zum Forscherteam gehören auch Professor Ilkka Hanski von der Universität Helsinki in Finnland sowie Professor James Marden und Dr. Christopher Wheat von der Pennsylvania State (Penn State) in den Vereinigten Staaten. Sie entdeckten bei den Nachkommen der exploratorischen Schmetterlinge genetische Grundlagen für schnellere Eireife, bessere Flugfähigkeiten und erhöhter Energiestoffwechsel. Diese Merkmale verschafften diese wanderenden Schmetterlingen einen Vorteil. Nach Ansicht der Wissenschaftler könnten diese Erkenntnisse zu einem besseren Verstehen darüber führen, wie die natürliche Auslese bei Spezies funktioniert, die räumlich voneinander getrennte Gebietsflecken besiedeln. Professor Ilkka Hanski untersuchte Wegerich-Scheckenfalter auf den Ålandinseln in Finnland mithilfe einer neuen Gensequenztechnologie, um so Tausende von Protein codierenden Genen zu charakterisieren. Professor Hanskis Arbeit mit den Schmetterlingen wurde mit dem diesjährigen Craaford-Preis ausgezeichnet, den Experten als die Ökologie-Version des Nobelpreises betrachten. "Das Wegerich-Scheckenfalter-Projekt in Finnland startete im Jahre 1991 und spielte eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung der Metapopulationsbiologie", so Professor Hanski. "Die Schmetterlinge bevölkern ein weites Netzwerk von 4.000 kleineren Wiesen. Es gibt keine großen Populationen, und auf regionaler Ebene hängt ihr Fortbestand somit von einem Gleichgewicht zwischen lokaler Auslöschung und der Wiederbesiedlung freier Flächen ab. Eine Reihe von Studien belegte, dass weibliche Tiere, die neue lokale Populationen gründen, dispersiver sind als das durchschnittliche Weibchen in der Metapopulation und dass es noch weitere Unterschiede in den Lebensgeschichten zwischen den Schmetterlingen einer neu gegründeten und denen alter Bestände gibt. Professor Marden erklärt dazu: "Schmetterlinge sind wie viele andere Spezies Spezialisten. Sie sind wählerisch, was ihren Lebensraum angeht. Dieses Wählerische führt zu dem, was Ökologen eine gruppen- oder fleckenhafte Verteilung nennen. In einer fleckenförmigen Umgebung haben die einzelnen Organismen nur eine grundsätzliche Wahl: Entweder sie bleiben auf ihrem gewohnten Fleck, oder sie riskieren etwas und suchen sich einen anderen Fleck als passenden Lebensraum. Zu bleiben ist sicherer für das unmittelbare Überleben, kann für die Nachkommen jedoch Überpopulation und Parasiten bedeuten, während das Aufbrechen zu neuen Flecken zwar gefährlich ist, doch lohnenswert, wenn ein größerer, unbewohnter Fleck gefunden wird. "Wir wollten die Gene und die Physiologie besser verstehen, die sesshafte von exploratorischen Zügen unterscheiden", fügt Professor Marden hinzu. "Evolutionsbiologen sind fasziniert von Kosten-Nutzen-Fragen, zum Beispiel wieso die natürliche Selektion sowohl sesshafte als auch risikofreudige Varianten innerhalb einer Spezies schafft und erhält." Nach Aussage der Experten spielt die Dichotomie "sesshaft gegen risikofreudig" eine wesentliche Rolle in der Ökologie, da Veränderungen der Lebensräume, wie auch zufällige Ereignisse oder Krankheiten, die lokale Verbreitung kleinerer Populationen auf einzelne Flecken zur Folge hat. "Der Fortbestand einer Spezies auf regionaler Ebene erfordert, dass die Rate der Gründungen neuer Populationen mindestens so hoch sein muss wie die Rate des Aussterbens lokaler Populationen", erläutert Professor Marden. "Die Gründungsrate wird durch die Streuung vereinzelnder Weibchen sowie durch die Anzahl der Flecken und der Entfernung zwischen ihnen bestimmt." Die Labore von Marden und Hanski maßen und verglichen die Genaktivität in weiblichen Tieren aus etablieren Schmetterlingspopulationen (d.h. lokale, mindestens fünf Jahre alte Populationen) mit neuen lokalen Populationen, die von exploratorischen Schmetterlingen gegründet worden waren. Dabei entdeckten sie tatsächlich einen erheblichen Unterschied zwischen den Schmetterlingen der alten und der neuen Populationen, insbesondere in den Genen, die den Proteinnachschub für die Eiproduktion und den Unterhalt der Flugmuskeln regulieren. Das Team entdeckte Unterschiede in der Flugstoffwechselrate der Schmetterlinge (Maß der Muskelleistung und Flugfähigkeit). Ferner fand das Team heraus, das noch eine weitere Genvariante eine Schlüsselrolle bei der Flugfähigkeit der Schmetterlinge spielt: Phosphoglucoseisomerase (Pgi). Ebenfalls entdeckten sie, dass ein winziger Teil des Succinat-Dehydrogenase-Gens (Sdhd) bei den weiblichen Tieren der neuen Populationen nicht vorkommt. "Die Pgi-Genvariante hängt augenscheinlich mit schnellem Fliegen auf kurzen Strecken zusammen, während die Sdhd-Genvariante mit Ausdauer in Verbindung gebracht werden kann", sagt Professor Marden. "Es ist einfach zu erkennen, warum diese Charakterzüge und die entsprechenden Gene häufiger bei den neuen Populationen anzutreffen sind. Eine bessere Flugfähigkeit ermöglicht es bestimmten Schmetterlingen, neue Lebensräume besser zu erreichen und zu besiedeln." Professor Hanski sagt zu diesen Erkenntnissen: "Die neue Studie zeigt erhebliche Unterschiede in der Genexpression zwischen neuen versus alte Populationen. Viele dieser Gene haben Funktionen, die mit den physiologischen und Lebenslaufparametern in Zusammenhang stehen, die bei den Populationsarten unterschiedlich sind, woraus wir Hypothesen über die genetische Basis von unterschiedlichen Lebensgeschichten unter Populationen ableiten können. Meine Gruppe in Helsinki sequenziert gegenwärtig das komplette Genom der Wegerich-Scheckenfalter und wir entwickeln Assoziations- und Kopplungsstudien mit dem sehr umfangreichen Material über phänotypische Variationen über das gesamte Studiensystem hinweg."Weitere Informationen unter: Universität Helsinki: http://www.helsinki.fi/university/ Pennsylvania State University: http://www.psu.edu/ Molecular Ecology: http://www.blackwellpublishing.com/journal.asp?ref=0962-1083 Europäischer Forschungsrat: http://erc.europa.eu/

Länder

Finnland, Vereinigte Staaten

Verwandte Artikel