Sukkulentensaft bringt Raupen in tödliche Gefahr
So verlockend der Saft aus den Blättern des wilden Tabaks (Nicotiana attenuata) auch sein mag, junge Raupen sollten darum einen großen Bogen machen. Eine neue Studie aus Deutschland berichtet, dass der Verzehr des Sekrets aus Trichomen (kleinen Blatthaaren) die gerade geschlüpften Raupen auffällig markiert, sodass sie durch ihren verräterischen Duft, der von Körper und Kot ausgeht, leichtere Beute für Fraßfeinde werden, in diesem Falle Ameisen. Die Studie wurde jüngst im Fachblatt Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) veröffentlicht. Trichome dienen Pflanzen zur Abwehr von Schädlingen. Die Härchen des wilden Tabaks enthalten eine Reihe von Acylzuckerarten, die aus herkömmlicher Saccharose bestehen und mit verzweigtkettigen aliphatischen Säuren verknüpft sind, Substanzen, die beispielsweise dem Erbrochenen von Säuglingen den charakteristisch süßlichen Geruch verleihen. Wie Forscher vom Max-Planck-Institut für Chemische Ökologie in Deutschland entdeckten, lockt die süßliche Flüssigkeit, die den winzigen, frisch geschlüpften Raupen den markanten Körpergeruch verleiht, Ameisen an. Die im Raupenkot enthaltenen aliphatischen Säuren weisen den Ameisen den Weg, damit sie die Larven auf den Pflanzen aufspüren und in ihren Bau entführen können, um sie dort an ihre Jungen und Nestgenossen zu verfüttern. Der wilde Tabak setzt also Acylzucker gegen Schädlinge ein, indem er geschickt gefräßige Raupen mit einem Duft markiert, damit die Ameisen sie leichter finden. Das auffällige Merkmal wird den Insekten zum Verhängnis, wie die Forscher berichten, indem es sie zu einer leichten Beute für ihre Feinde macht. Larven des Dickkopffalters Epargyreus clarus wenden viel Zeit dafür auf, den Kot aus ihrem Unterschlupf gründlich zu entfernen, damit Räuber durch den verräterischen Duft nicht auf falsche Gedanken kommen. Kürzlich entdeckte Ian Baldwin vom Max-Planck-Institut für chemische Ökologie zusammen mit seinen Doktoranden, dass sich andere Pflanzenarten die Vorliebe fleischfressender Raubinsekten zunutze machen, um sich vor Fraßfeinden zu schützen. Die Raupen des Tabakschwärmers (Manduca sexta) wandeln zu Ungunsten der Raupen einen Blattduftstoff aus Tabakblättern in ein gefährliches Locksignal um, der ihnen zum Verhängnis wird. Die Wissenschaftler beobachteten überrascht, dass sich das Duftprofil frisch geschlüpfter Raupen des Tabakschwärmers und auch zweier Schmetterlingsarten der Gattung Spodoptera, die die Blatthaare und deren Inhalt vertilgten, durch die Verdauung des Blatthaar-Saftes deutlich veränderte: Die chemische Analyse ergab, dass die Säuren im Darm der Tiere von den Acylzuckern stammten, die mit den Blatthaaren aufgenommen wurden. "Wir waren uns eigentlich sicher, dass mit den duftenden Fettsäuren Räuber wie etwa die Wanze Geocoris angelockt werden, die dann die pflanzenfressenden Raupen und von der Motte abgelegte Eier fressen", sagt Baldwin. Den Ameisen gelang es auch, die kleinen Larven auf den Blättern zu finden, die ebenfalls mit den verzweigtkettigen aliphatischen Säuren parfümiert waren. Die Forscher gehen davon aus, dass der Trick des wilden Tabaks, verlockende Zuckermoleküle anzubieten, nützlich ist, um die für ihn gefährlichen Raupenbabys an ihre Feinde zu verraten. Ob diese molekulare Strategie im ökologischen Sinne als "indirekte Verteidigung" mit dem Erfolg der Arterhaltung bezeichnet werden kann, müssen weitere bereits geplante Experimente zeigen.Für weitere Informationen: Max-Planck-Institut für chemische Ökologie: http://www.ice.mpg.de/ext/(öffnet in neuem Fenster) PNAS: http://www.pnas.org/(öffnet in neuem Fenster)
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