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Inhalt archiviert am 2023-03-09

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Clevere Spinnen gehen mit Luftblase auf Tauchstation

Wasserspinnen mögen zwar keine Kiemen haben, führen allerdings ein erfolgreiches Nischendasein unter Wasser und fühlen sich in dieser Umgebung ganz und gar zu Hause. Die Forscher wussten bisher nie genau, wie lange diese Spinnen tatsächlich unter Wasser bleiben können, bevor s...

Wasserspinnen mögen zwar keine Kiemen haben, führen allerdings ein erfolgreiches Nischendasein unter Wasser und fühlen sich in dieser Umgebung ganz und gar zu Hause. Die Forscher wussten bisher nie genau, wie lange diese Spinnen tatsächlich unter Wasser bleiben können, bevor sie ihre Taucherglocke wieder mit Luft auffüllen müssen. Ein deutsch-australisches Forscherteam hat nun herausgefunden, wie diese Spinnen (Argyroneta aquatica) - auch als Silberspinne bekannt - es anstellen, an den dringend benötigten Sauerstoff zu gelangen. Wie nun im Journal of Experimental Biology berichtet wird, maßen der deutsche und der australische Forscher den Sauerstoffgehalt in den Blasen und entdeckten dabei, dass sich die Taucherglocke wie eine physikalische Kieme verhält, die Sauerstoff aus dem Wasser aufnimmt. So muss diese Spinnenart nur einmal täglich schnell an die Oberfläche aufsteigen, um Sauerstoff zu holen. "Das ist wirklich ein tolles Tier", sagt Professor Roger Seymour von der University of Adelaide in Australien: "Ich hatte schon als kleiner Junge in Wissensbüchern über Teiche und Tümpel etwas über diese Spinne gelesen." Professor Seymour untersuchte die Wasserspinne in Zusammenarbeit mit Dr. Stefan Hetz von der Humboldt-Universität Berlin in Deutschland. Diese Spezialistin baut zwischen den Wasserpflanzen in der Uferzone ein Netz aus Spinnseide und befüllt es mit Luft, indem sie ihre Hinterbeine und einen Teil ihres Hinterleibes aus dem Wasser streckt, ruckartig untertaucht und die mitgenommene Luftblase in ihre Taucherglocke abstreift. Argyroneta aquatica lebt ständig unter Wasser und legt sogar ihren Eikokon in die Luftblase hinein. Professor Seymour hatte bereits Optoden - Geräte zur Sauerstoffmessung - eingesetzt, um festzustellen, auf welche Weise Wasserinsekten Sauerstoff aus Wasser gewinnen, indem sie dünne Luftblasen unter ihre Leiber spannen, und suchte Testobjekte, um seine Optode an anderen kleinen Blasen ausprobieren zu können. "Da kam mir die berühmte Wasserspinne in den Sinn", erzählt Professor Seymour. So lud Dr. Hetz seinen australischen Kollegen zur Mitarbeit an das Humboldt-Labor ein, um gemeinsam zu erforschen, wie diese einzigartigen Spinnen ihre Taucherglocken benutzen. Das Duo erhielt die nötigen Genehmigungen zum Fang der geschützten Wasserspinnen im Fluss Eider im deutschen Bundesland Schleswig-Holstein. Dies soll nicht unerwähnt bleiben, denn die Spinnenart wird in Europa immer seltener: Sie ist leider auf der Roten Liste der gefährdeten Arten in der Kategorie "Stark gefährdet" zu finden. "Meine Philosophie ist, einige Messungen zu machen und dann einfach nur zu staunen, denn wenn man die Natur beobachtet, überschreiten die Dinge, die man zu sehen bekommt, oft die Grenzen des Vorstellbaren", erläutert Professor Seymour und fügt hinzu, dass die Forscher die Lebensbedingungen in einem Labor reproduzierten und die Spinnen in einen warmen, stehenden und pflanzenreichen Tümpel entließen. So wurde ein heißer Sommertag simuliert. Ziel war herauszufinden, wie diese Spinnen unter schwierigsten Bedingungen überleben. Die Forscher piksten vorsichtig winzige Sauerstoffsensoren, die Optoden, in die von den Spinnen bereitwillig neu errichteten Luftblasen und beobachteten ihre Reaktion. Nach Angaben der Forscher blieben die Spinnen cool und fühlten sich nicht belästigt, so dass die Veränderungen des Sauerstoffgehalts gemessen werden konnten. "Dann kam mir die Idee, dass wir die Blase als Respirometer verwenden könnten", um die Menge des von der Spinne verbrauchten Sauerstoffs zu bestimmen, wie Professor Seymour erklärt. Nachdem die Sauerstoffwerte sowohl in der Blase als auch im umgebenden Wasser gemessen waren, berechneten die Forscher die Menge an in die Blase strömendem Sauerstoff, bevor der Sauerstoffverbrauch der Spinne gemessen wurde. Sie entdeckten, dass die Wand der Taucherglocke auch aus dem stillsten stehenden Gewässer Sauerstoff durchlässt, ganz egal, wie heiß der Tag war. Das Wissenschaftlerduo fand außerdem bei den Spinnen eine außergewöhnlich niedrige Stoffwechselrate vor, wie das auch bei anderen Spinnen der Fall ist, die auf Beute lauernd ihre Zeit verbringen. Auch die sparsamste Spinne muss aber nach Angaben der Forscher irgendwann wieder nach oben: Das Volumen der Taucherglocke nimmt ab, weil sich der Stickstoff im umgebenden Wasser löst, was die Spinne dazu veranlasst, an der Oberfläche neue Luftblasen zum Nachfüllen der Taucherglocke zu holen. Aus der Messung der Diffusionsrate des Stickstoffs aus der Blase konnten die beiden Spinnenforscher ableiten, dass die Tiere für mehr als 24 Stunden unterhalb der Oberfläche bleiben können. "Ältere Literatur gibt an, dass sie über den Tag alle 20 bis 40 Minuten nach oben kommen müssen", sagt Professor Seymour, "Es ist demnach ein Vorteil für die Spinnen, wenn sie so lange stillsitzen können und nicht an die Wasseroberfläche müssen, um ihre Blase zu erneuern. Das schützt sie selbst vor Feinden und außerdem wird vermieden, dass mögliche Beutetiere gewarnt werden."Für weitere Informationen: Journal of Experimental Biology: http://jeb.biologists.org/ Humboldt Universität Berlin http://www.hu-berlin.de/standardseite-en

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Australien, Deutschland

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