Forscher entdecken neue genetische Mutation für ALS und FTD
Ein internationales Forscherteam identifizierte eine neue genetische Mutation für Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) und die damit einhergehende Frontotemporale Demenz (FTD). Experten zufolge sei mehr als ein Drittel aller erblichen Formen der Erkrankungen darauf zurückzuführen. Die im Fachblatt Neuron veröffentlichten Forschungen zeigen, dass besagte Mutation auf Gen C9ORF72 ungefähr doppelt so häufig auftritt wie alle anderen Mutationen, die bisher mit der kombinierten Erkrankung assoziiert worden waren. Anhand der Ergebnisse können nun neue ALS-Tiermodelle generiert und Behandlungsansätze für die häufigeren sporadischen Erkrankungsfälle gefunden werden. ALS ist nicht notwendigerweise erblich, sondern kann jeden treffen. Forscher der School of Medicine der Johns-Hopkins-Universität, Vereinigte Staaten, erklären, dass zwar auch andere genetische Mutationen mit der erblichen bzw. familiären Form von ALS und FTD assoziiert wurden, allerdings nur 25% aller Fälle auf diese Mutationen zurückzuführen seien. Da keine Daten zu anderen ALS und FTD auslösenden Mutationen vorlagen, beschäftigte sich das Team näher mit dem kurzen Arm von Chromosom 9, auf dem bereits in früheren Studien nach möglicherweise verantwortlichen Genen gesucht wurde. "Vergleicht man Chromosomen mit geographischen Regionen, so kannten wir bereits die Stadt und den Stadtteil, in dem die Mutation auftritt, nicht jedoch Straße oder Hausnummer", erläutert Studienkoordinator Prof. Bryan J. Traynor von der Klinik für Neurologie der Johns-Hopkins-Universität und Leiter des Forschungsinstituts für Neuromuskuläre Erkrankungen der National Institutes of Health (NIH). "Für uns kam es nun darauf an, den genauen Ort dieser Mutation ausfindig zu machen." Das Team, bestehend aus Forschern aus Kanada, Finnland, Deutschland, Italien, den Niederlanden, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten, grenzte die Stelle der mutmaßlichen Mutation mittels eines hochmodernen Genomsequenzierungsverfahrens auf Abschnitte im Chromosom 9 ein. Dazu nahmen sie Gewebeproben von ALS- und FTD-Patienten aus nicht verwandten walisischen und holländischen Familien, in denen die Krankheit seit mehreren Generationen auftritt. Die Forscher verglichen Sequenzen dieser infizierten Personen mit einer Kontrollgruppe aus gesunden Familienmitgliedern und nicht verwandten Personen, die nicht an ALS oder FTD erkrankt waren. Auf Chromosom 9 in unmittelbarer Nähe von Gen C9ORF72 wurde ein ungewöhnlicher Abschnitt gefunden, in dem sich eine sechs Basenpaare lange Sequenz (GGGGCC) häufig wiederholte. Nach Auswertung von DNA-Proben anderer Patienten mit familiärer ALS und FTD aus Finnland, dem Land mit der weltweit höchsten Inzidenz dieser Erkrankung, stellte sich heraus, dass die Hälfte aller Fälle diesen ungewöhnlichen DNA-Abschnitt aufweist. "Da wir zuvor eine andere Mutation als Ursache für das familiäre ALS-Gen SOD1 dingfest gemacht hatten, können wir nun fast alle Fälle von familiärer ALS in Finnland auf ihre Ursache zurückführen." Um die Daten zu stützen, testete das Team Proben von deutschen, italienischen und nordamerikanischen Patienten. Ungefähr 38% der Patienten besaßen diese sogenannten Repeats, die bei Gesunden hingegen nicht zu finden waren, wie betont wird. Professor Traynor weist jedoch darauf hin, dass noch nicht klar ist, auf welche Weise diese Wiederholungen zur Entstehung von ALS und FTD führen. Zwar könnten sie die Funktion von C9ORF72 stören, wahrscheinlicher sei jedoch, dass die Repeats in den betroffenen Zellen zahlreiche toxische Ribonukleinsäuren (RNA) produzieren, die die Zellen verstopfen und ihren Untergang herbeiführen. Der Grund, warum sich ALS und FTD erst im späteren Lebensalter manifestieren, könnte in der langsamen Akkumulation dieser toxischen RNA liegen, heißt es im Forschungsbericht. "Die Erkenntnisse werden helfen, neue Therapien sowohl für die familiäre ALS und FTD als auch deren sporadische Formen zu finden", ist Prof. Traynor überzeugt.Weitere Informationen finden Sie unter: Neuron: http://www.cell.com/neuron/ Johns Hopkins University School of Medicine: http://www.hopkinsmedicine.org/som/
Länder
Kanada, Deutschland, Finnland, Italien, Niederlande, Vereinigtes Königreich, Vereinigte Staaten