Untersuchung menschlichen Verhaltens: Nische für Smartphones
Forscher bedienen sich innovativer Instrumente, um psychologische Tests viel schneller als bisher durchzuführen. Nach Ansicht von Fachleuten wird die Anzahl der Smartphonenutzer weltweit bis 2013 die Grenze von einer Milliarde überschreiten. Ein internationales Wissenschaftlerteam nutzt derzeit die Vorteile der Smartphonetechnologie zur Untersuchung der mentalen Prozesse, die beteiligt sind, wenn Menschen sich erinnern, sprechen oder Probleme lösen. Die in der Zeitschrift PLoS ONE vorgestellten Ergebnisse machen deutlich, wie diese kleinen Werkzeuge die Forschung der Kognitionswissenschaft erheblich verändern können. Die Studie wurde durch das Projekt O-CODE ("Cracking the orthographic code") teilfinanziert, das sich Fördermittel des Europäischen Forschungsrates (EFR) in Höhe von 2,2 Millionen EUR aus dem Siebten Rahmenprogramm der EU (RP7) sichern konnte. Herkömmliche Laborversuche zu den kognitiven Fähigkeiten des Menschen wie Sprache, Aufmerksamkeit und Gedächtnis erforden in der Regel kleine Gruppen von Freiwilligen, die die Forschungseinrichtung aufsuchen und in einem kontrollierten Umfeld an Verhaltensexperimenten teilnehmen. Die Bemühungen, das Labor zu den Testpersonen zu bringen, waren nicht immer von Erfolg gekrönt. Internetbasierte Forschung ist ebenfalls keine zuverlässige Alternative, da derartige Untersuchungen Genauigkeit erfordern, insbesondere bei der Messung von Reizdauer und Reizreaktion. Im Rahmen eines umfangreicheren internationalen Versuchs haben Forscher aus Belgien, Frankreich, den Niederlanden, Singapur, Spanien und dem Vereinigten Königreich eine in sieben Sprachen verfügbare iPhone-/iPad-Anwendung entwickelt, die kostenfrei heruntergeladen werden kann. Ein Teil dieser jüngsten Studie bestand aus einem Labortest, den das Forscherteam für die Durchführung per iPhone anpasste. "Wir wolllten herausfinden, ob wir mithilfe dieser präzisen Minicomputer Experimente weltweit mit einer nie zuvor erreichten Teilnehmerzahl durchführen könnten", erklärt Professor Kathy Rastle vom Fachbereich Psychologie am Royal Holloway College der Universität London, eine der Koautorinnen der Studie. "Die bisher erzielten Ergebnisse weisen erstaunliche Übereinstimmungen mit den unter Laborbedingungen gewonnenen Erkenntnissen auf und zeigen die Möglichkeiten, die die Nutzung dieser Technologie in der Zukunft bietet." Die Studie könne dazu beitragen, die Forschungsmethoden von Human- und Gesellschaftsforschung sowie der Psychologie zu verändern, so Rastle weiter. "Mithilfe dieser Technologie können wir eine riesige Anzahl von Personen aus einem breiten Spektrum von Bevölkerungsschichten bei verhältnismäßig geringen Kosten erreichen. Es gelang uns, fast 5 000 Probanden im Zeitraum von drei Monaten zu testen, wozu wir in einem Labor Jahre gebraucht hätten und was mit erheblichen Kosten verbunden gewesen wäre." Mit der Anwendung "Science XL: Test your word power" wird der Sprachschatz der Teilnehmer durch deren Entscheidung, ob ein vorgeschlagenes Wort existiert oder nicht, getestet. Die Anwendung erfasst die Treffsicherheit der Entscheidung und die für die Entscheidungsfindung benötigte Zeit, d. h. die Reaktionszeit. Nach Aussagen der Forscher werfen die Ergebnisse der Untersuchung neues Licht auf die kognitiven Prozesse im Zusammenhang mit Lesefähigkeit bzw. Leseschwäche wie etwa Dyslexie.Weitere Informationen finden Sie unter: Royal Holloway College, Universität London: http://www.rhul.ac.uk/home.aspx PLoS ONE: http://www.plosone.org/home.action
Länder
Belgien, Spanien, Frankreich, Niederlande, Singapur, Vereinigtes Königreich