Parasiten von Vorteil für die Gesellschaft?
Ameisen sind unermüdliche, loyale und fleißige Arbeiter, die alle ein gemeinsames Ziel verfolgen. Einer neuen Forschungsstudie aus Deutschland, Frankreich und dem Vereinigten Königreich zufolge könnten Politikwissenschaftler und Ökonomen aus der Art und Weise, wie Ameisenvölker ihre Nahrungsressourcen verteilen, einiges lernen. In derzeitigen politischen Systemen der menschlichen Gesellschaft sind es Gesetze und Regulierungen, die die Übernutzung von Ressourcen verhindern. Die im Fachblatt The American Naturalist veröffentlichte Studie hingegen zeigt, wie Ameisenkolonien davon profitieren, dass ein externer Parasit, der die Kolonie heimsucht, dafür sorgt, dass diese Ressourcen unter der jeweiligen Königin nicht übernutzt werden. Das Resultat ist eine größere Anzahl weiblicher Nachkommen, die potenziell in der Lage sind, zur Königin heranzuwachsen. Dies wiederum gibt der gesamten Kolonie Auftrieb und verbessert Gesundheit und Fitness. Die Studie baut auf umfangreichen Untersuchungen von Forschern der Universität Würzburg, Deutschland, dem Zentrum für Ökologie und Hydrologie der Universität Oxford, dem Forschungszentrum Rothamsted Research, der Universität Southampton, Vereinigtes Königreich, und dem Naturgeschichtlichen Museum und Wissenschaftlichen Forschungszentrum in Frankreich auf. Nachdem die Forscher sechs Jahre lang das Verhalten von Ameisenkolonien der Waldameise Formica lemani untersucht hatten, konnten sie mit Sicherheit sagen, dass diese Kolonien, wenn sie durch Larven der räuberischen parasitischen Schwebfliege Microdon mutabilis infiziert werden, eine größere Anzahl potenzieller Königinnen hervorbringen als Kolonien, die vom Parasit verschont bleiben. In ihrer jüngsten Studie entwickelte das Team ein theoretisches Modell, das Aufschluss über die Mechanismen gibt, die dem plötzlichen Königinnen-Boom zugrunde liegen. Ob sich die Anzahl potenzieller Königinnen erhöht, hängt von der vorhandenen Nahrungsmenge ab. Normalerweise sind die Nahrungsmittelvorräte durch die Anzahl der Arbeiterlarven begrenzt. Wie die erste Studie darlegt, sorgt die Anwesenheit der parasitischen Schwebfliege allerdings dafür, dass die Anzahl der Larven zurückgeht, was im Hinblick auf die vorhandene Nahrungsmenge wiederum überlebenden Larven Vorteile bringt, darunter auch den Königinnenanwärterinnen. Basierend auf den Schlüssen dieses jüngsten Modells gehen die Forscher davon aus, dass die Dezimierung der Ameisenbrut durch die Schwebfliege das Heranwachsen neuer Königinnen fördert, indem Nahrungsmittelressourcen umgeleitet werden. "Die Verteilung von Nahrungsmitteln innerhalb einer Ameisenkolonie zeigt interessante Parallelen mit der Art und Weise, wie wir unsere Gesellschaft und unsere Umwelt nachhaltig kontrollieren können", so Dr. Karsten Schönrogge, Ökologe am Zentrum für Ökologie und Hydrologie und einer der Studienautoren. "Leicht kann man sich vorstellen, wie sich die "Tragödie der Allmende" innerhalb nicht infizierter Ameisenkolonien vollzieht, wo allgemein verfügbare und begrenzte Ressourcen durch ungeregelten Zugriff ausgeschöpft werden, und wo durch Übernutzung die Gesellschaft insgesamt Schaden nimmt." Die Forscher stellen fest, dass in einer vom Schwebfliegenparasiten infizierten Kolonie zwar die Gesamtanzahl der Larven sinkt, sich dies jedoch positiv auf die Kolonie als Ganzes auswirkt, denn der Endeffekt ist eine größere Anzahl von Königinnen. Das jüngste Modell prognostiziert zudem, dass dieser Prozess bereits zu Beginn der Microdon-Infektion einsetzt. Den Forschern zufolge zeige eine Neuinterpretation dieser Erkenntnisse, wie sich diese Aussage durch reale Szenarien stützen lässt. Wie Dr. Schönrogge erklärt: "Die Nahrungsmittelverteilung unter Ameisen wurde bereits zuvor von Computerspezialisten und Ökologen modelliert. Daraus ging der so genannte Kolonie-Optimierungs-Algorithmus (ACO) hervor, ein enormer Schritt in der computergestützten Modellierung. Ameisen zählen zu den erfolgreichsten Tiere auf unserer Erde, was Ökologen und Politikwissenschaftler vor die Frage stellt, welchen Einfluss das Ressourcenmanagement innerhalb einer Ameisenkolonie auf die Interaktion mit benachbarten verwandten oder nicht verwandten Ameisenvölkern hat, und wie dies in der menschlichen Welt gespiegelt wird."Weitere Informationen erhalten Sie hier: Zentrum für Ökologie und Hydrologie: http://www.ceh.ac.uk/(öffnet in neuem Fenster) The American Naturalist: http://www.jstor.org/page/journal/amernatu/earticles.html(öffnet in neuem Fenster)
Länder
Deutschland, Frankreich, Vereinigtes Königreich