Eem-Warmzeit als heutiges Klimamodell nicht geeignet
Forscher aus Deutschland zeigten in einer neuen Studie, dass sich die sogenannte Eem-Warmzeit vor rund 125.000 Jahren als Vergleich für aktuelle Klimaentwicklungen nicht eignet. In der internationalen Fachzeitschrift Geophysical Research Letters veröffentlichen sie eine Studie, die deutliche Unterschiede zwischen Gegenwart und Eem-Warmzeit aufzeigt. Bei der Frage, wie sich das Klima in der Zukunft entwickeln wird, richten Geowissenschaftler ihren Blick erst einmal in die Vergangenheit. Sie suchen nach Epochen, in denen ähnliche Bedingungen wie heute herrschten. Die damaligen Prozesse fließen dann in Modellrechnungen über mögliche Reaktionen des Erdsystems auf aktuelle Entwicklungen ein. Eine Epoche, auf die dabei oft zurückgegriffen wird, ist die Eem-Warmzeit. Sie folgte vor etwa 125.000 Jahren auf die Saale-Vereisung. Damals stiegen die Durchschnittstemperaturen auf der Erde deutlich an. Große Teile des Grönlandeises schmolzen ab, der Meeresspiegel lag deutlich höher als heute. "Deshalb eignet sich das Eem scheinbar so gut als Grundlage für Prognosen zum aktuellen Klimawandel", sagt Dr. Henning Bauch, der für die Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (AdW Mainz) am GEOMAR | Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel forscht. In ihrer neuen Studie zeigen Dr. Bauch, Dr. Evgeniya Kandiano vom GEOMAR sowie Dr. Jan Helmke vom Institute for Advanced Sustainability Studies in Potsdam jetzt jedoch, dass sich die Eem-Warmzeit in einem entscheidenden Punkt von den heutigen Verhältnissen unterscheidet - der Entwicklung im Arktischen Ozean. In der jetzigen Warmzeit, wissenschaftlich Holozän genannt, transportieren Meeres- und atmosphärische Strömungen große Mengen an Wärme in die hohen nördlichen Breiten. Am bekanntesten sind die Ausläufer des Golf- beziehungsweise des Nordatlantikstroms. Sie sorgen nicht nur für angenehme Temperaturen in Nordeuropa, sondern reichen weit bis in die Arktis hinein. Studien der vergangenen Jahre haben ergeben, dass der Wärmetransport Richtung Arktis in jüngster Zeit sogar zugenommen hat, während die Meereisbedeckung im arktischen Sommer immer weiter zurückgeht. Die Forschung ging lange davon aus, dass sich ähnliche Prozesse auch vor 125.000 Jahren abgespielt haben. Demnach müsste die Arktis im Eem während der Sommer komplett eisfrei gewesen sein. Untersuchungen an Sedimentkernen aus dem Meeresboden (aus dem Atlantik westlich von Irland und dem zentralen Nordmeer östlich der Insel Jan Mayen in Norwegen) ergaben jedoch, dass darin unter anderem die Kalkschalen abgestorbener Kleinstlebewesen (Foraminiferen) enthalten sind. "Sowohl die Artenzusammensetzung in den jeweiligen Schichten als auch die Isotopenverhältnisse der einzelnen Kalkschalen geben uns Auskunft über die damaligen Wassertemperaturen und -bedingungen", erklärt Dr. Bauch. Die Proben aus dem Atlantik lieferten die Eem-typischen Signale für Temperaturen, die über den heutigen lagen. Die Proben aus dem Nordmeer zeigten aber ein ganz anderes Bild. "Dort fanden sich in den Eem-Schichten vor allem Kälte anzeigende Foraminiferen-Arten", sagt Dr. Bauch. "Die Untersuchungen deuten auf große Kontraste zwischen den Oberflächen dieser beiden Meeresgebiete hin. Offensichtlich war also der atlantische Wärmetransport in die hohen nördlichen Breiten während des Eem viel schwächer ausgeprägt als heute." Dr. Bauch zufolge sei die dem Eem vorangegangene Saale-Eiszeit in Nordeuropa von viel größerer Ausdehnung gewesen als die Weichsel-Eiszeit vor unserer heutigen Warmzeit. "Deshalb floss wohl beim Abtauen des Eisschildes über einen längeren Zeitraum viel mehr Süßwasser ins Nordmeer. Das hatte drei Folgen: Die nördliche Meeresströmung war abgeschwächt und im Winter konnte sich aufgrund des geringeren Salzgehaltes ausgedehnter Meereis bilden. Im Nordatlantik führte diese Abschwächung gleichzeitig zu einer "Überhitzung", da die Wärmezuführung von Süden weiter funktionierte." Die Studie gibt also neue Hinweise zur Rekonstruktion des Klimas während der Eem-Warmzeit. Wie Dr. Bauch erklärt, "liefen entscheidende Prozesse wie der Wärmetransport in den arktischen Norden im Eem offensichtlich anders ab. Das müssen Modelle berücksichtigen, wenn sie die zukünftige Klimaentwicklung, gerade auch für die Arktis, auf Grundlage des Eems prognostizieren wollen."Weitere Informationen sind abrufbar unter: GEOMAR | Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel: http://www.geomar.de/(öffnet in neuem Fenster) Geophysical Research Letters: http://www.agu.org/journals/gl/(öffnet in neuem Fenster)
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