Glauben heißt nicht Wissen – Wie Unsicherheit unsere Entscheidungsfindung beeinflusst
Sagen Sie manchmal, dass Sie „Zweifel haben“, „ziemlich sicher“ oder „zuversichtlich“ sind, dass etwas geschehen wird? Philosophen nennen diese psychischen Zustände „Grade persönlicher Überzeugung“ und beschreiben sie gewöhnlicherweise mit der Sprache der Wahrscheinlichkeitstheorie. Was macht diese psychischen Zustände allerdings genau aus und wie kann man sie am besten mathematisch darstellen? Der australische Philosoph Dr. Edward Elliott argumentiert, dass es an der Zeit ist, eine realistischere Vorstellung unserer Grade persönlicher Überzeugung zu entwickeln und festzustellen, wie sie sich auf unsere Entscheidungsfindung auswirken. Im Rahmen des vom Marie-Curie-Programm unterstützten EU-Projekts Degrees of Belief machte Dr. Elliott Fortschritte auf dem Weg zu ausgereifteren Modellen der Grade persönlicher Überzeugung, um Unsicherheit besser beschreiben zu können. Er arbeitete unter der Aufsicht von Professor Robert Williams als Stipendiat an der Universität Leeds. „Dies ist ein umfangreiches Projekt und viele Menschen verschiedenster Fachrichtungen arbeiten bereits seit langer Zeit daran“, so Dr. Elliott. „Ich denke, es ist noch weit von seiner Vollendung entfernt. Aber ich würde mir gerne einreden, dass wir einige kleine Schritte in die richtige Richtung gemacht haben.“ „Wenn wir die Grade persönlicher Überzeugung eines Menschen mithilfe einer Wahrscheinlichkeitsfunktion abbilden, stellen wir sie beispielsweise als zu 100 Prozent von allen logischen Wahrheiten überzeugt dar. Das ist problematisch, wenn uns an einer realistischen Darstellung gelegen ist. Die meisten Menschen sind nicht zu 100 Prozent von jeder logischen Wahrheit überzeugt.“ Dr. Elliott teilte einige seiner Schlussfolgerungen in der Veröffentlichung „Impossible Worlds and Partial Belief“(öffnet in neuem Fenster) (Unmögliche Welten und einseitiger Glauben) in der Fachzeitschrift Synthese, in der er argumentiert, dass eine beliebte Methode zur formellen Darstellung nicht wahrscheinlichkeitstheoretischer Grade persönlicher Überzeugung mit einem erheblichen Problem behaftet ist. Er verfasste vier weitere Artikel über die realistische Darstellung von Graden persönlicher Überzeugung, die derzeit zur Veröffentlichung überarbeitet werden. Die Erfassung von Unsicherheit Er veranstaltete ebenfalls ein Seminar in Leeds, das unter der Frage „Was sind Grade persönlicher Überzeugung?“ stand und Philosophen aus dem Vereinigten Königreich, dem Rest Europas und den Vereinigten Staaten anzog. Dr. Elliotts Gedankengut hat Folgen für andere Fachrichtungen wie die Physik und Mathematik, in denen man an der Betrachtung der Regeln interessiert ist, die wir zur Bewertung von Nachweisen verwenden. „Eine der Veröffentlichungen Dr. Elliotts zeigt, dass man Modelle gegebenenfalls ‚realistischer‘ gestalten könnte, indem man eingesteht, dass Menschen ebenso viele Einstellungen zu Fragen haben, die sie sprachlich nicht ausdrücken können, wie sie Einstellungen zu Fragen haben, die sie ausdrücken können“, so Prof. Williams. „Wenn er damit richtig liegt, dann ist mein eigener Ansatz zur Modellierung logischer Unsicherheit falsch. Ich werde dieses Modell also entweder umgestalten müssen oder festmachen müssen, wie ich das Argument, das Dr. Elliott liefert, umgehen kann!“ Er möchte nun einen präziseren Umgang mit der genauen theoretischen Rolle von Graden persönlicher Überzeugung und deren Verhältnis zu anderen psychischen Zuständen wie Verlangen, Vorlieben und Gefühlen pflegen. „Zu viel unserer Arbeit als Philosophen findet auf einer äußerst abstrakten Ebene statt, sodass wir Details außer Acht lassen, um zu sehr allgemeinen Aussagen und Argumenten zu gelangen“, sagt er. „Solche Ergebnisse sind wertvoll, sollten aber nicht den alleinigen Schwerpunkt darstellen – wir müssen auch besser auf Details eingehen.“