Abschied von der Überdosierung von Antibiotika in der Tierhaltung
Ärzte verschreiben aufgrund der Gefahr von Superbazillen kranken Patienten immer zögerlicher Antibiotika. Aber diese Bemühungen werden wenig Wirkung zeigen, wenn die Agrarindustrie nicht mitzieht. Dieses Problem ist das Projekt INFarm angegangen. Es hat den potenziellen Markt für eine alternative Behandlung für Rinder erforscht: ein auf Interferon basierendes Medikament, das das Immunsystem des Tieres stimuliert. „Das Immunsystem stimulierende Medikamente aktivieren das Immunsystem oder verstärken dessen Aktivität, um eine schnelle, wirksame und breitgefächerte Reaktion auf sämtliche Krankheitserreger auszulösen“, erklärt Igor Lokot, Vorstandsvorsitzender bei FarmPharma, der Firma, die das Projekt koordinierte. „Krankheitserreger können keine Resistenzen gegen Interferone entwickeln, da sie nicht in direkter Wechselwirkung stehen.“ FarmPharma hat im Zuge des Projekts eine Machbarkeitsstudie zu einem neuen auf Interferon basierenden Medikament namens InterferOx durchgeführt. Es hat den Markt für Behandlungen von Rindern analysiert und einen Plan zur Patentierung und Vermarktung des Produkts aufgestellt.
Weltweites Potenzial
Das Ergebnis ist die Prognose, InterferOx 2023 in Europa und ein Jahr später in den Vereinigten Staaten zu verkaufen. Bald werden sowohl präklinische In-vitro- als auch In-vivo-Versuche zur Veranschaulichung des Potenzials des Medikaments im Einsatz gegen verschiedene Erreger durchgeführt. „Wir sind zuversichtlich, dass die Welt InterferOx braucht und wir freuen uns, diesen Markt aufzugreifen und die Behandlung von Tieren zu revolutionieren“, sagt Lokot. Viele Tierärzte verschreiben Antibiotika, weil sie die einfachste und schnellste Lösung zu sein scheinen und sie nicht die Zeit haben zu testen, ob das kranke Tier eine bakterielle oder virale Erkrankung hat und um welche Art es sich handelt. „Manchmal helfen die Antibiotika gar nicht, weil sie auf einen ganz anderen Erreger ausgelegt sind“, so Lokot. Diese übermäßige Nutzung von Antibiotika verursacht bereits Probleme. Etwa 700 000 Menschen sterben jedes Jahr an resistenten Infektionen und bis 2050 werden weltweit etwa zehn Millionen Leben gefährdet sein, wenn keine Lösung zur Verlangsamung des Aufkommens von Resistenzen gefunden wird, gibt ein von der britischen Regierung in Auftrag gegebener Bericht bekannt.
Bedrohung moderner Medizin
„Wenn [Antibiotika] ihre Wirkung verlieren, können essentielle medizinische Verfahren wie Darmoperationen, Kaiserschnitte, Gelenkersatz und Behandlungen, die das Immunsystem unterdrücken, wie Chemotherapie gegen Krebs, aufgrund der Gefahren nicht mehr durchgeführt werden“, heißt es in dem Bericht. Von allen weltweit verkauften Antibiotika, werden die meisten zur Anwendung bei Viehbeständen gekauft. In den Vereinigten Staaten waren 2014 15,4 Millionen Kilogramm allein für Tiere vorgesehen. Die vierfache Menge der 3,5 Millionen Kilogramm, die für Menschen gedacht waren, so die National Academy of Medicine. „Tierzüchter sind sich nicht immer in gleichem Maße wie Ärzte des Problems antimikrobieller Resistenzen bewusst und versuchen nur, finanzielle Verluste zu vermeiden, indem sie ihre Tiere durch ein Übermaß an Antibiotika am Leben erhalten“, erklärt Lokot. Er ist überzeugt, dass Tierzüchter weniger Antibiotika einsetzen werden, wenn es eine gute Alternative zur Behandlung der Tiere gibt. Impfstoffe sind auch eine Alternative, aber die Wirksamkeit variiert hier, da sie nur gegen Virusinfektionen helfen und relativ kostenintensiv sind. „InterferOx wird nicht nur zur Bekämpfung von Virusinfektionen, sondern auch von bakteriellen Krankheiten beitragen und kann sowohl zur Behandlung als auch zur Prävention eingesetzt werden“, fasst Lokot zusammen.
Schlüsselbegriffe
INFarm, Antibiotika, Immunsystem, antimikrobielle Mittel, Superbazillen, auf Interferon basierend, antimikrobielle Resistenzen, Viehbestand, Tierärzte